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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Hevesi, Ludwig: Wiener Brief: die Frühjahrsausstellungen
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Der neue Saal der Venezianer in den Uffizien
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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0184

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349

Der neue Saal der Venezianer in den Uffizien — Pariser Brief

350

neues Radierverfahren (Benutzung von Kollodium)
vorführt. Kapitale Porträts von Svabi/isky-Prag (Feder-
zeichnung mit Farbenhöhung) kommen hinzu. So
stellt auch der »Hagen« seinen Mann.

Wien, im April. LUDWIG HEVES1.

DER NEUE SAAL DER VENEZIANER IN DEN
UFFIZIEN

In den letzten Tagen ist ein neuer Saal der vene-
zianischen Schule zugänglich gemacht worden, und
damit ist die Neuordnung der Sammlung in dieser
Hinsicht wenigstens zum Abschluß gelangt.

Der erste Saal der Venezianer ist ein länglicher
Oberlichtraum, dessen eine Tür in den großen, be-
reits vorhandenen venezianischen Saal, die zweite in
das letzte Kabinett der florentinischen Schule führt,
wo Ghirlandajo, Signorelli und Michelangelos Tondo
hängen.

Man darf die Neuaufstellung in der Hauptsache
als sehr gelungen bezeichnen. Der Gesamteindruck
ist abwechselungsreich und schön, trotzdem die eine
Schule und innerhalb derselben das Bildnis dominiert.

Den Mittelpunkt der einen Hauptwand nimmt das
große, voll signierte Altarbild von Carlo Caliari ein,
und hier sind auch die übrigen Werke Veroneses
und seiner Schule verteilt: als Hauptstücke das herr-
liche Bild des Martyriums der heiligen Justina mit
seinen Oobelintönen und die heilige Familie mit
der heiligen Katharina, die aus der Tribuna herüber-
genommen wurde, und deren hohe Feinheiten man
erst jetzt zu würdigen imstande ist.

Gegenüber beherrscht die Mitte Moronis Mannes-
bildnis in ganzer Figur, dem sich die beiden anderen
Porträts des Bergamasken anschließen. Carianis (?)
neuerworbene heilige Familie, Tizians Prälatenbildnis
aus der Tribuna, ein Tintoretto schließen sich hier,
Bordone, Savoldo und andere dort an.

Im Nebensaal ist ebenfalls manches geändert und
Altbekanntes erscheint unter neuem Aspekt und erst
jetzt so eigentlich dem Studium erschlossen. Als
besonders erfreulich darf hervorgehoben werden, daß
das Frühbild des Sebastiano del Piombo mit dem
Tod des Adonis heruntergenommen und in Augen-
höhe des Beschauers gebracht ist. Sieht man auch
jetzt erst ganz deutlich, wie grausam die Zeit dem
Bilde mitgespielt hat, so kann man doch andererseits
endlich das Einzelne überschauen und z. B. die feine
Landschaft würdigen.

In diesem Raum begegnen sich die Anfänge und
das Ende der Schule: an der Wand links vom Ein-
gang die glänzende Bildersuite Bellini, Carpaccio,
Mantegna, die Giorgiones, Cima, gegenüber als Mittel-
stück das Deckengemälde von Tiepolo (früher in der
Sala del Baroccio), eingefaßt von den Bildern von
Canaletto, Guardi und Beiotto. Dicht dabei hängt
auch das kleine mythologische Stück von Carpioni,
das neulich hier erwähnt wurde, und das in inter-
essanter Weise einen Meister zeigt, von dem Tiepolo
viel gelernt haben muß. Die Wand mit den urbi-
natischen Herzögen von Tizian blieb unverändert;

die Madonna von Jacopo Bellini ist durch den Platz
auf einer Staffelei in ihrer Bedeutung hervorgehoben.

Im Saal des Baroccio wurden an Stelle des Tiepolo
drei ursprünglich zusammengehörige Bilder wieder
vereint: Bronzinos Beweinung Christi mit den zwei
Flügeln der Verkündigung. Man kann angesichts
der Schwächen dieser Stücke nur bedauern, daß man
sie nicht an den ursprünglichen Platz zurückgebracht
hat, in die kleine, ganz von Bronzino dekorierte und
wohlerhaltene Kapelle im Palazzo Vecchio, wo sie
die öden Lücken durchaus passend ausfüllen würden.
Aber solche vom Standpunkt einer Galerieverwaltung
aus betrachtet häretische Wünsche hätte man wohl
bei vielen Bildern dieser (wie im Grunde jeder an-
deren) Galerie.

Als Nachtrag zu der letzten Florentiner Korre-
spondenz sei angemerkt, daß ein Teil der Stoffsamm-
lung des Barons Franchetti in dem Raum neben dem
Robbiasaal des Bargello aufgestellt worden ist. Außer
einer sehr großen Zahl von Priestergewändern ent-
hält sie besonders schöne Fragmente früher, nament-
lich sizilischer Stoffe.

Endlich die Mitteilung, daß die Firma G. Brogi
eine größere Zahl von Photographien aus den Mai-
länder Sammlungen, unter anderen zahlreiche Detail-
aufnahmen nach den Fresken Luinis in der Brera
veröffentlicht hat. Q, Gr.

PARISER BRIEF

Das bei Gelegenheit der letzten Weltausstellung
an den Champs Elysees errichtete Petit Palais macht
dem Luxembourg immer stärkere Konkurrenz. Das
ist freilich deshalb nicht sehr schwer, weil die modernen
Sammlungen des Staates im Luxembourg so armselig
untergebracht sind, wie das wohl nirgends auf der
Welt, wo es überhaupt Kunstsammlungen gibt, der
Fall ist. Das Petit Palais dagegen ist ein recht hüb-
scher Bau, wenn sich sein Architekt auch nur sehr
wenig um den Zweck seiner Schöpfung gekümmert
hat. Er wollte einfach eine hübsche Fassade, ein
prächtiges Portal und eine ansehnliche Halle, und
obendrein hat er auch noch einen wirklich sehr an-
sprechenden Innenhof geschaffen. Mehr kann man
von einem aus der Ecole des Beaux-arts hervor-
gegangenen Architekten wirklich nicht verlangen, und
das gegenüberliegende Grand Palais ist in einzelnen
Teilen wie in seinem Gesamtplane dermaßen ver-
pfuscht, daß es als Repoussoir wirkt und das Petit
Palais beinahe zu einem Meisterwerke stempelt.

Die Stadt Paris, die hier ihr Museum eingerichtet
hat, scheint verständiger einzukaufen als der fran-
zösische Staat. Vermutlich braucht sie nicht ganz so
viele Rücksichten zu nehmen wie dieser. Der arme
Staat ist gezwungen, die aus seinen Schulen hervor-
gegangenen, mit seinen Preisen ausgezeichneten Künst-
ler ihr ganzes Leben lang weiter zu päppeln, ihnen
seine Aufträge zuzuwenden und sie in die erste Reihe
zu stellen, wenn Geld zu Ankäufen vorhanden ist.
Da die Stadt glücklicherweise keine Kunstakademie
besitzt, liegen ihr derlei Pflichten nicht ob, und
höchstens muß sie sich um die Empfehlungen der
 
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