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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Springer, Jaro: Rembrandts Hundertguldenblatt
DOI Artikel:
Schumann, Paul: Siebenter Tag für Denkmalpflege, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0019

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Siebenter Tag für Denkmalpflege

20

Andere Bibelworte haben Rembrandt geleitet. Im
ersten Kapitel des Marcus-Evangeliums Vers 32 ff.
wird erzählt: Am Abend aber, da die Sonne unter-
gegangen war, brachten sie zu ihm allerlei Kranke
und Besessene. Und die ganze Stadt versammelte
sich vor der Tür. Und er half vielen Kranken, die
mit mancherlei Seuchen beladen waren. Der Evan-
gelist Lukas erzählt (4, 40) denselben Vorgang mit
etwas kürzeren Worten: Und da die Sonne unter-
gegangen war, alle die, so Kranke hatten, mit mancher-
lei Seuchen, brachten sie zu ihm. Und er legte auf
einen jeglichen die Hände, und machte sie gesund.
Mit den Worten des Marcus-Evangelium geht das
Hundertguldenblatt genau zusammen. Vor dem Tor,
das rechts sichtbar ist, hat sich die Stadt, Gläubige
und Zweifler, versammelt, die Kranken sind herbei-
gebracht worden. Wie die Schatten der erhobenen
Hände zeigen, steht die Sonne tief am Himmel, kurz
vor Sonnenuntergang. Wenn das Hundertguldenblatt
überhaupt nur als Illustration einer Bibelstelle zu
gelten hat, dann ist der Vorwurf aus dem Evan-
gelium des Marcus genommen worden. Der alte
Titel: »Christus heilt die Kranken« besteht demnach
weiter zu Recht. JA RO SPRINGER.

SIEBENTER TAG FÜR DENKMALPFLEGE

(Schluß)

Die mustergültige Denkmalpflege in Hildesheim,
über die Architekt Sandtrock berichtete, nahm ihren
Ausgangspunkt von dem Brande des Knochenhauer-
amtshauses und wurde angeregt von dem verdienst-
vollen Senator Römer, der auch der Stifter des
städtischen Römermuseums war. Jetzt haben die Be-
strebungen um die Pflege und Wiederherstellung der
künstlerischen Eigenart Hildesheims in dem Ober-
bürgermeister Struckmann einen Vertreter gefunden,
dessen Begeisterung, Sachverständnis und Tatkraft
schwerlich übertroffen werden können. Eine Anzahl
der hervorragendsten Häuser, besonders am Markte,
sind in den Besitz der Stadt übergegangen. In die
Bauordnung sind geeignete Bestimmungen zum
Schutze der alten Schönheit der Stadt aufgenommen
worden.

An 45 Straßen und Plätzen darf nur in den alten
Bauformen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut
werden, auch müssen sich diese neuen Bauten dem
alten Stadtbilde harmonisch einfügen. Eine ausge-
breitete persönliche Denkmalpflege entfaltet sodann
der Verein zur Erhaltung der Kunstdenkmäler in
Hildesheim. Er bemüht sich erfolgreich, den Sinn
für Erhaltung und Pflege der alten Bauweise in die
weitesten Kreise der Einwohner Hildesheims zu tragen.
Namentlich handelt es sich darum, die Bemalung der
alten Fachwerkshäuser, an denen Hildesheim so reich
ist, wiederherzustellen. Überaus zahlreiche Häuser
sind in den letzten beiden Jahrzehnten wiederherge-
stellt und neubemalt worden. Auch wurde ein Ver-
zeichnis aufgestellt, welches alle Häuser in den älteren
Stadtbezirken enthält und alle daran befindlichen
Gegenstände von Kunst- und Altertumswert aufzählt.

Endlich ist ein Teil der großen Andreaskirche in
ein Museum umgewandelt worden, worin alle Kunst-
werke und künstlerisch wertvollen Bauteile von Hildes-
heimer Häusern, deren Abbruch oder Veränderung
unumgänglich geworden ist, aufbewahrt werden. Der
Verein hat mit seinem Vorgehen große Erfolge er-
zielt. Der Sinn für Erhaltung und Pflege der alten
Kunstdenkmäler Hildesheims ist in weiten Kreisen
lebendig geworden.

Dr. Haupt-Eutin schilderte eingehend die Restau-
rierung eines romanischen Holzkruzifixes und erklärte
unter anderem, die Bemalung mittelalterlicher Holz-
skulpturen erfordere vor allem Liebe zur Sache und
größte Gewissenhaftigkeit, nicht aber eine individuell
stark ausgeprägte Künstlerkraft. Sie sei ein treffliches
Gebiet für Frauenarbeit. Bei der plastischen Er-
gänzung eines alten Schnitzwerkes dürfte durchaus
nichts hinzugefügt werden, was auch anders sein
könne. Im Gegensatz dazu erklärte Professor JKautsch-
Darmstadt, man müsse für die Restaurierung möglichst
immer die besten Künstler heranziehen, nicht die
sauberen Staffierer. (Den Ausschlag werden wohl zu-
meist die Kosten geben!)

Dr. Hager erklärte vor allem, daß die Oberfläche
von Steinskulpturen keinesfalls abgeschliffen werden
dürfe. Von Schutzmitteln ist der Ölfarbenanstrich
als unkünstlerisch und für den Bestand des Werkes
verderblich durchaus zu verwerfen.

Zu warnen ist vor dem Testalin, welches die Poren
verstopft, zu empfehlen sind nach den bisherigen Er-
fahrungen die Keßlerschen Fluate, welche die Ober-
fläche des Steins erhalten, nicht aber die Poren ver-
stopfen. (Professor Rathgen teilt mit, daß gerade
jetzt im Museum zu Berlin an 270 Stücke ver-
schiedener Steinarten umfassende Versuche mit Fluaten
und sonstigen Tränkungsmitteln angestellt werden.)
Grabsteine soll man nicht an feuchten Wänden lassen,
sondern sie vom Boden und der Wand isolieren;
am Äußern der Kirchen sind wohl auch Schutzdächer
zu empfehlen. Ist für eine Steinskulptur keine Rettung
mehr, so pflegt man sie durch eine Kopie zu er-
setzen und das Original in einem Museum unterzu-
bringen. Das geschieht oft viel zu früh und sollte
nur im äußersten Notfalle gestattet werden. Aber es
erheben sich mehr und mehr Stimmen, die dieses
Vorgehen als bedenklich erklären. Dr. Hager kann
sich Fälle denken, wo eine freie Schöpfung der stil-
getreuen Kopie vorzuziehen ist. Wenn zum Beispiel
innerhalb einer geschlossenen Figurenreihe einige
ersetzt werden müssen, erscheine als die Hauptsache
die Wahrung des ikonographischen Zusammenhanges,
aber nicht das getreue Kopieren; da sei Platz für
Betätigung freier Künstlerschaft. Das Verfahren ist
teurer und schwieriger, aber mehr im Sinne einer
künstlerisch empfindenden Denkmalpflege. Fehlende
Teile sollte man womöglich nicht ergänzen, aber bei
Werken, die noch im Dienste des Kultus stehen, ist
dieser Standpunkt schwer einzuhalten.

Die mittelalterlichen Steinskulpturen waren im
weitesten Maße farbig gefaßt: die Farbe diente zur
Entwickelung der Form. Dabei wählte man stets
 
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