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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Bode, Wilhelm von: Die Gruppe der Begegnung Mariä mit der hl. Elisabeth in S. Giovanni Fuorcivitas zu Pistoja
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0266

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 31. 23. August.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgeweibeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler. Rud. Mosse usw. an.

======== Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 32, erscheint am 6. September =========-

DIE GRUPPE DER BEGEGNUNG MARIÄ MIT
DER HL. ELISABETH IN S. GIOVANNI FUOR-
CIVITAS ZU PISTOJA

Die Gruppe der Verkündigung in S. Giovanni fuorc.
zu Pistoja hat unter allen Robbia-Arbeiten von jeher die
Kritik am meisten gereizt und zugleich gefoppt. Tradi-
tionell galt sie, wie die meisten der fast zahllosen Werke
in glasiertem Ton in Italien, als ein Werk des alten
Luca della Robbia. Crowe und Cavalcaselle, die sie ge-
legentlich in ihrer Geschichte der italienischen Malerei
erwähnen, haben sie, wohl verführt durch die Ver-
wandtschaft mit dem bekannten Gemälde des gleichen
Gegenstandes von Albertineiii, einem geringen Schüler
und Werkstattsgenossen dieses Künstlers, dem Maler
Gerino da Pistoja, zugeschrieben, eine Ansicht, die
für die Zeit der Entstehung noch von Venturi und
C. v. Fabriczy vertreten wird. Seit aber die Forschung
über die Plastik der italienischen Renaissance eine
kritische geworden ist, hat sich die Mehrzahl der
Forscher darüber geeinigt, daß die Gruppe einer
wesentlich früheren Zeit angehöre und ein frühes
Meisterwerk des Andrea oder des Luca della Robbia
sei. Jetzt ist ein junger Beamter der Florentiner
Akademiegalerie, Dr. Peleo Bacci, wieder auf die alte
Bestimmung Cavalcaselles zurückgekommen, wenig-
stens in bezug auf die Zeit der Entstehung der Gruppe,
und behauptet dies zwingend durch Urkunden beweisen
zu können; die Gruppe sei keineswegs das Werk des Luca
oder Andrea, sondern sei erst um 1512 entstanden,
sei auch keineswegs ein Meisterwerk, sondern eine
geringe Arbeit. Zum Glück besagen die von ihm ent-
deckten Urkunden, wenn sie richtig interpretiert werden,
gerade das Gegenteil und die Gruppe wird dadurch
als eine Arbeit des alten Luca, und zwar aus seiner
früheren Zeit noch wahrscheinlicher gemacht.

Die Urkunden, die Dr. Bacci im Archiv zu Pistoja
(Archivo del Patrimonio ecclesiastico di Pistoja, Com-
pagnia di Sa. Elisabetta, Testamenti) gefunden und in
seiner kleinen Schrift: II gruppo pistojese della Visita-
zione, giä attribuito a Luca della Robbia (Firenze 1906),
veröffentlicht hat, weisen in der Kirche, in der noch
heute die berühmte Gruppe steht, schon im Jahre
1445 eine Gruppe der Visitation nach. Am 11. Oktober
dieses Jahres stiftete die Witwe des Jacobo di Neri

de' Fiorovanti, Monna Bice, eine Summe für Öl zu
einer heiligen Lampe vor der Gruppe der Begegnung
Mariä mit der hl. Elisabeth in der Kirche S. Giovanni
fuorcivitas. Erst im folgenden Jahrhundert ist wieder
von der Gruppe die Rede: am 22. September 1507
wurden drei Lire für einen Überzug über die Figur
der hl. Elisabeth ausgegeben, und am 12. Juni 1512
wird ein blauer Vorhang für die Statue angeschafft.
Bald darauf, am 9. Mai des folgenden Jahres, bewilligt
die Kompanie, auf Anregung einiger frommer Gläu-
bigen, drei Goldgulden für die Herstellung eines
Tabernakels zu Ehren der hl. Elisabeth, für dessen
Bemalung im Jahre 1516 mehrere Zahlungen an
Giambattista di Piero di Stefano gemacht werden,
und 1525 schenkt ein Mitglied der Genossenschaft
200 Lire zum Schmuck der Kapelle, aus welcher
Summe bald darauf eine Zahlung von 80 Lire für
plastische Dekoration an einen Florentiner Scarpellino
geleistet wurde. In den Jahren 1546 und 1561 wird
beschlossen, die Gruppe nur zur Osterzeit und an
Festtagen dem Publikum zu zeigen. Dann schweigt
die Geschichte über die Gruppe bis zum Jahre 1790,
wo ein kunstbarbarischer Bischof Scipione de' Ricci den
Altar der hl. Elisabeth zerstören läßt und gleichzeitig,
sehr wahrscheinlich, auch die Gruppe in schonungs-
loser Weise vom Altar entfernen und an ihrem jetzigen
Platz elend unterbringen läßt.

Aus diesen interessanten Dokumenten, für deren
Fund wir Dr. Bacci dankbar sein müssen, zieht dieser
nun den nach seiner Überzeugung unanfechtbaren
Schluß, daß eine ältere Gruppe der Begegnung in
S. Giovanni existierte, welche um 1512 beseitigt und
durch die damals angefertigte, jetzt noch in der Kirche
vorhandene glasierte Gruppe ersetzt wurde. Denn
daß diese nicht die alte Gruppe, für die 1445 eine
Stiftung gemacht wurde, sein könne, gehe daraus schon
hervor, daß sie nicht durch fast siebzig Jahre ohne
Tabernakel gelassen sein könne; es ergebe sich aber
auch stilistisch aus dem Charakter der Gruppe, die
sich als von dem Ghirlandajoschen Visitationsbilde
von 1491 (jetzt im Louvre) abhängig erweise und
die nach ihrer geringen Qualität und schlechten Glasur
der Verfallzeit der Robbia-Werkstatt angehöre, als
Baglione darin tätig war. In dieser Geringschätzung
der Gruppe wird dem Florentiner Archivforscher
 
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