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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Jacobsen, Emil: Neues über Leonardo
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0108

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Nekrologe — Personalien

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strittene Bild, wenn auch nicht ausgeführt, doch
mindestens von Leonardo angelegt ist, trägt in seiner
gewöhnlichen Spiegelschrift folgende Inschrift:

di di Sta Maria della neve ad di 5 d'aghosto 1473.

Die Zeichnung hat demnach auch das Interessante an
sich, das erste uns bekannte authentische Werk des
Meisters zu sein.

Daß die Landschaftsskizze in der Tat für eine
Auferstehung Christi bestimmt war, wird dadurch in
hohem Grade bestärkt, daß sich, auf der sonderbarer-
weise ganz unbekannten Rückseite, die nackte Gestalt
eines fliehenden Soldaten befindet.

III.

Eine unbekannte Handzeichnung von Leonardo.

Unter den 27 Zeichnungen, welche ohne und mit
Fragezeichen dem Leonardo im Kabinett der Uffizien
zugeschrieben werden, sind, meines Erachtens, sechs
sicher echt. In meinem Aufsatz über die Hand-
zeichnungen der Uffizien in ihren Beziehungen zu
Gemälden, Skulpturen und Gebäuden in Florenz1)
habe ich diese sechs Zeichnungen genannt. Es gibt
jedoch noch in den Uffizien, verborgen in den Kartellen,
eine nicht dem Leonardo, sondern dem Parmegianino
zugeschriebene Zeichnung, oder richtiger, ein Fragment
einer Zeichnung, die, wie ich glaube, dem Leonardo
selbst zuzuschreiben ist. Das Blatt (Nr. 1360g) zeigt
drei mit der Feder gezeichnete Profile von Greisen-
köpfen, zwei mit großem Bart, einen bartlos. Dies
letzte gehörte jedoch nicht ursprünglich zum Blatt,
sondern ist ein aufgeklebtes Bruchstück, eigentlich nur
eine Maske, indem der Hinterkopf fehlt. Ich habe
diese Zeichnung im Repertorium erwähnt, konnte aber
daselbst keine Abbildung geben. Ich habe jetzt diese,
nie publizierte Zeichnung aufnehmen lassen und
reproduziere sie hier. Während die beiden ersten
offenbar Imitationen sind, kann das Fragment, ein
großartiger Charakterkopf von ausgeprägtem leonar-
desken Stil, wohl Anspruch erheben, vom Meister
selbst zu stammen. Es zeigt nicht allein die ihm
eigentümliche Strichführung von links nach rechts
(das tun die Imitationen auch), sondern, was wesent-
licher ist, im Ausdruck eine unheimliche Größe und
einen düstern Ernst, was ein Kopist in diesem Grad
kaum erreichen kann. Dieser Kopf ist, wie gesagt,
bartlos, wie fast durchgängig bei Leonardo. Die
beiden anderen erinnern im Typus sehr an Parme-
gianino, was die Zuschreibung erklärt. Um einem
nicht verwendbaren Bruchstück Importanz zu geben,
hat man es mit zwei Imitationen verbunden und da-
durch versucht, ein ansehnliches Blatt zu schaffen2).

NEKROLOGE
In Hamburg ist der Maler Ernst August Delfs im
Alter von 83 Jahren gestorben. Delfs war geborener Hol-
steiner und hatte nach grundlegenden Studien in der Hei-
mat längere Jahre im Ausland, so in Belgien und Frank-

1) Repertorium für Kunstwissenschaft, Band XXVII.

2) Vergleiche Repertorium für Kunstwissenschaft, Band
XXVII. S. 419.

reich, hier vor allem bei Troyon und Horace Vernet, ge-
arbeitet. Seit 1850 war der Künstler in Hamburg ansässig,
wo er eine bemerkenswerte Lehrtätigkeit entfaltete und
sich mehr und mehr dem Studium der heimischen Land-
schaft zuwandte, unter besonderer Berücksichtigung der
Tierstaffagen, für die er zeitlebens eine große Vorliebe
behielt. In der Kriegszeit von 1860 und 1870 nahm dann
seine Kunst eine Wendung zur Schlachtenschilderung und
Militärmalerei, auf welchem Gebiete er Vortreffliches ge-
leistet hat. Aus dieser Zeit stammt auch sein im Besitz
der Hamburger Kunsthalle befindliches Werk »Der Abzug
der gefangenen Franzosen aus Metz«.

Theodor Verstraete. Der große Antwerpener Land-
schafter, dessen Werke fast in allen Museen Europas zu
finden sind, ist am 8. Januar einem langen Leiden erlegen.
In der Reife seines Talentes, gerade vor 117a Jahren, er-
eilte ihn ein Gehirnschlag und die Paralyse tauchte seinen
Geist in allmähliche Umnachtung. Er wurde deshalb von
den meisten seiner Bewunderer schon längst verstorben
geglaubt. Verstraete wurde als Sohn eines Kapellmeisters
und einer Sängerin am 4. Januar 1850 geboren. Viele
Jahre hindurch schlug er in dem väterlichen Orchester das
Triangel. Endlich gelang es ihm, auf die Antwerpener
Kunstakademie zu kommen, wo er seinen ersten Unterricht
in der Kupferstichklasse erhielt. Nach einem kurzen Auf-
enthalt in der Landschaftsklasse gab er sich selbständigen
Naturstudien hin. Er malte seit 1880 im lieblichen
Brasschaet, in Calmpthout, in Holland. Später zog ihn
das Meer an und er wurde alsbald ein ebenso starker
Marinemaler, wie er Landschafter war. Im vorigen Jahre
veranstaltete die Antwerpener »Art contemporain« eine
Gesamtausstellung seiner Werke und derjenigen von Wil-
helm Linnig, dieses niemals genug geschätzten deutsch-
belgischen Künstlers. Damals ließ die »Librairie nationale
d'art et d'histoire, G. Van Oest et Cie.«, Brüssel, aus der
Feder des trefflichen Kunstkritikers Lucien Solvay einen
reich illustrierten Band über das Leben und Wirken des
großen Malers Verstraete erscheinen, dessen Lektüre für
die Kenntnis des letzteren empfehlenswert ist. Solvay
führt Verstraetes Technik direkt auf die alten Vlamen zu-
rück, namentlich bezüglich des Kolorits, welches Kraft,
Gesundheit und vor allem Freimut atmet.* »Stark unter-
setzt, mit breiten Schultern, offene Stirn, einen festen und
zähen Willen verratend, einem Landbewohner eher ähnelnd,
als einem Städter, in dem von der kräftigen Luft gebräunten
Antlitz zwei kleine, lebhafte Augen, überlegend und be-
obachtend, in einer Anwandlung von Begeisterung plötzlich
Funken sprühend ... so der Mensch, so seine Malweise«.
Theodor Verstraete war jedenfalls einer der letzten bel-
gischen Maler großen Stiles, noch von der guten Schule,
die das Figürliche in der Landschaft mit an die erste Stelle
setzte. a. r.

-f. In Blonay starb im Alter von 59 Jahren der Lau-
sanner Maler Julien Renevier. Er malte vor allem
Landschaftsaquarelle, aber auch Porträts. Renevier stellte
nur selten aus.

Alphonse van Ryn, der Mitbegründer der vorzüg-
lichen belgischen Kunstzeitschrift »La Föderation artistique«
und seit 1886 deren ausschließlicher Leiter, starb unerwartet
in Brüssel. Violinist von Beruf, haben er und seine Zeit-
schrift, zu deren Direktionsstab tüchtige Kunstkritiker, wie
de Taye, E. Baes usw. gehören, der belgischen Kunst un-
schätzbare Dienste erwiesen. a. r.

PERSONALIEN
Hugo von Tschudi, dem Direktor der National-
galerie, ist der Charakter als Geh. Regierungsrat verliehen
worden. In diesem Augenblicke, wo die Neuordnung der
 
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