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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Graul, Richard: Erweiterungs- und Neubauten bei den königlichen Museen in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0146

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 18. 8. März

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

ERWEITERUNGS- UND NEUBAUTEN BEI DEN
KÖNIGLICHEN MUSEEN IN BERLIN

Dem preußischen Landtag ist dieser Tage eine
Denkschrift zugegangen, in der der Generaldirektor
der Königlichen Museen Geheimrat Bode die Not-
wendigkeit einer baulichen Erweiterung der König-
lichen Museen eingehend begründet. Trotz des Neu-
baues des Kaiser-Friedrich-Museums auf der Museums-
insel, durch den im alten Schinkelschen Museum für
die antiken Sammlungen und des Kupferstichkabinetts
Räume frei werden, ist der Überfüllung der Berliner
Museen nicht gesteuert worden. Sie sind dank dem
Geist einer energischen Initiative, der sie beseelt, in
den letzten Jahren so mannigfach gewachsen, daß sie
den Inhalt nicht mehr zu fassen vermögen. Eine
Menge wichtiger Sammlungen ist magaziniert und
ganz neue Sammlungsgebiete sind den Museen er-
schlossen worden. Kaum eröffnet, erscheint schon
das Kaiser-Friedrich-Museum nicht mehr groß genug,
um die stetigen Vermehrungen der Skulpturen-
sammlung und der Galerie so aufstellen zu können,
daß ihre Darbietung nicht nur lehrreich, sondern auch
genußreich bleibt. Dazu kommen die schnell wachsen-
den Forderungen der neu begründeten Abteilungen
vorderasiatischer (mesopotamischer) Kunst, die Raum-
nöte der ägyptischen Abteilung, der Nationalgalerie
und schließlich die sprichwörtliche Überfüllung des
Museums für Völkerkunde. Und damit sind die
Museumsbedürfnisse der Reichshauptstadt noch keines-
wegs erschöpft!

Wo im Deutschen Reich steht das Museum, das
deutsche Kunstart in einer charakteristischen, alle
deutschen Stämme in typischen Werken berücksich-
tigenden Weise offenbart? München hat sein
»Bayrisches Nationalmuseum«, Wien sein »Hof-
museum«; das Nürnberger »Germanische Museum«
ist allgemach eine unübersichtliche kunstgewerbliche
und kulturgeschichtliche Sammlung geworden, das
römisch-germanische Zentralmuseum in Mainz um-
spannt zu wenig, und auch, wenn sich einmal Dresden
dazu aufraffen wird, mit einer Auslese seiner über-
reichen Sammlungen eine Art deutsches Museum zu
bilden, das der Geschmackskultur in der Pflege seiner
Fürsten von der Renaissance bis zur Schwelle des
19. Jahrhunderts gewidmet wäre, dann würde es doch
ebenso einseitig werden, wie das üppige Bayrische

Nationalmuseum oder das bescheidene Hohenzollern-
museum in Berlin. Es kann nicht hoch genug an-
geschlagen werden, daß Bode den empfindlichen
Mangel in der Repräsentation der älteren deutschen
Kunst in Berlin scharf hervorhebt und auf die Schöpfung
eines nationalen Museums größten Stils hinweist.

Es heißt in der Denkschrift: »In Berlin ist bei
Begründung der Königlichen Museen und seither bis
1871 der deutschen Kunst so gut wie gar keine Auf-
merksamkeit erwiesen worden . . . Erst in neuer Zeit
ist eine Vermehrung der Sammlungen gerade nach
der Seite der deutschen Kunst ernstlich angestrebt
worden: mit Erfolg namentlich für die Malerei, für
die graphischen Künste und für die Plastik, zum Teil
auch für die Anfänge unserer Kunst. Aber das sind
nur erste Ansätze zu einem Deutschen Museum! . . .
Ein solches soll durch seinen Inhalt und seine Auf-
stellung den Grundcharakter der deutschen Kunst und
den Zusammenhang ihrer verschiedenen Entwickelungs-
stadien klar legen, soll den Genuß daran und das
Verständnis dafür fördern, und zwar in ganz anderer
Weise, als es bisher möglich war; es soll dadurch
zugleich die Erforschung der deutschen Kunstgeschichte
unterstützen und der bisher nur kümmerlich bedachten.
Publikation ihrer Monumente, die mit der Bildung
des Museums Hand in Hand gehen muß, zu Hilfe
kommen.

In einem solchen Museum hat die primitive Kunst
der deutschen Stämme in den Jahrhunderten während
und nach der Völkerwanderung ihren Platz zu finden.
Von der deutschen Kunst des früheren Mittelalters
wird, soweit Originale nicht zu beschaffen sind,
namentlich durch Abgüsse der großartigen Werke
der sächsischen und fränkischen Plastik ein Bild zu
geben sein. Die bürgerliche Kunst des 15. und
16. Jahrhunderts: Die zu reicher Blüte gelangte
Malerei in Süddeutschland und in den Niederlanden,
wie die Holzplastik und die köstliche Kleinkunst,
wird sich durch geschmackvolle Zusammenstellung
der zahlreichen Originale in unserem Besitz und durch
richtige Vervollständigung derselben zusammen mit
einer kleinen Zahl wirkungsvoller Ausstattungsstücke
in verschiedenen Räumen von intimer Wirkung eben-
sogut zur Geltung bringen lassen, wie die Kunst der
deutschen Spätrenaissance mit ihrem eigentümlichen
Ornamentstil und der wirkungsvolle deutsche Barock
in ein paar stattlichen Sälen mit dem Monument des
 
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