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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Graul, Richard: Erweiterungs- und Neubauten bei den königlichen Museen in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0147

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Erweiterungs- und Neubauten bei

den königlichen Museen in Berlin

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Großen Kurfürsten als Mittelpunkt, endlich die köst-
liche dekorative Kleinplastik in Porzellan, wie sie sich
an den verschiedensten Stellen Deutschlands zwar im
Anschluß an die monumentalere Plastik Frankreichs,
aber durchaus eigenartig national entfaltet hat, in ein
paar galerieartigen Räumen. Ein solches deutsches
Museum wird eine Fülle von einzelnen Schönheiten
darbieten und in der Gesamtwirkung von der deutschen
Art in der Kunst erst ein anschauliches, richtiges Bild
zu geben imstande sein. Es wird durch die Erkenntnis
der deutschen Eigenart zugleich zur Läuterung und
Förderung unserer modernen Kunst beitragen, sie an-
regen und veredeln helfen.«

Ebenso dringend plädiert Bode für die Errichtung
eines Museums der asiatischen Kunst und Kultur. An-
fänge dazu bilden die islamitische Sammlung mit der
Fassade von Mschalta und die vorder- und ostasiatischen
Bestandteile im Kunstgewerbemuseum und im Museum
für Völkerkunde. Daß diese Zweige der Kunstkultur
in der Reichshauptstadt eine künstlerisch eindrucks-
volle und kunstwissenschaftlichen Ansprüchen mehr
genügende Vertretung finden müssen, wird von den
einsichtigen Schätzern der orientalischen Kunst schon
lange gefordert. England, Frankreich und nament-
lich Nordamerika sind in diesem Betracht weit gün-
stiger gestellt als wir. Nur mit großen Mitteln und
intensiver Sammeltätigkeit wird es möglich werden,
in einem eigenen Museum der asiatischen Kunst und
Kultur ein Bild zu entwerfen von dem absoluten
künstlerischen Werte der älteren asiatischen Kunst
und von der Rolle, die ihr Einfluß zu wiederholten
Malen auf die Entwickelung der europäischen Stile
geübt hat.

Auch an die Gründung einer eigenen nationalen
Porträtgalerie denkt Bode und glaubt durch die Aus-
scheidung der Porträts aus der Nationalgalerie auch
diesem längst überfüllten Museum mehr Bewegungs-
freiheit zu geben. Die englische National Portrait
Gallery in London mag als Vorbild gelten und, um
dem patriotischen Empfinden Genüge zu tun, mag
an die Verbindung mit einer Galerie gedacht werden,
in der die populären Historienbilder als Illustrationen
zur deutschen Geschichte eine Stelle finden mögen.

Um aber diesen Forderungen gerecht zu werden,
bedarf es einer Anzahl von Erweiterungs- und Neu-
bauten, zum größten Teil auf der Museumsinsel,
anderenteils im Bereich des Kunstgewerbemuseums
und des Museums für Völkerkunde. Nach Bodes
Plan würden die rein ethnographischen und prähisto-
rischen Sammlungen nach Dahlem zu verlegen sein,
um sie mit den naturgeschichtlichen Sammlungen in
Verbindung zu bringen und Raum zu geben für die
orientalischen Sammlungen, die wiederum mit dem
Kunstgewerbemuseum in Verbindung zu setzen wären.
Die anderen Erweiterungen und Neuerungen sollen
auf der Museumsinsel stattfinden, so daß dort ein
großer einheitlicher Museumskomplex, ähnlich dem
Louvre und dem Britischen Museuni, entstehen wird

Das ist in der Tat eine Disposition im Großen,
eine Lösung der Berliner Museenfrage auf weite Sicht.
Und das Gute der Generalidee ist, daß sie die selb-

ständige Entwickelung der einzelnen Institute nicht
schwächt, sondern zu einander steigerndem Wett-
bewerb im Dienste einer großen Kulturaufgabe antreibt.

Höchstens das Kunstgewerbemuseum könnte bei
dieser Planung auf den ersten Blick etwas benach-
teiligt erscheinen, insofern ihm die Vorführung ge-
wisser Geschmacksbauten durch die vereinigten Kunst-
gruppen im zukünftigen deutschen Museum ebenso
vorweggenommen würde, wie es zum Teil bereits im
Kaiser-Friedrich-Museum geschehen ist. Aber die
Entwickelung des Kunstgewerbemuseums und aller
ähnlichen Institute scheint mir mehr denn je dahin
zu drängen, daß sie nicht nur Epochen der Ge-
schmackskultur in der Gruppe verschiedener Elemente
vorführen, sondern alle künstlerischen Veredelungs-
möglichkeiten bald in der Hervorhebung bestimmter
Einzelheiten, bald im Nebeneinander technischer oder
kulturgeschichtlicher Entwickelungsreihen nachweisen.
Sie vor allem müssen Schau- und Lehrsammlungen
sein. Und sie sollen bei dem Wechsel der Ansprüche,
die die Gegenwart stellt, jederzeit aus der Fülle ihrer
Schätze aufwarten können, wenn nicht mit Vorbildern,
so doch mit Arbeiten, die sich als Prüfsteine des
guten Geschmacks oder vollendeter Technik be-
währen. Halten die Kunstgewerbemuseen — nament-
lich auch die unserer industriellen oder kommerziellen
Großstädte — an diesem Ziele allgemeiner und beson-
derer Geschmacksbildung fest, dann bleibt ihr Sammel-
gebiet unermeßlich weit und ihre Wirkung im ewigen
Kampfe um die rechte Kunst wird um so williger
anerkannt werden.

Wohltuend berührt es bei der zentral istischen
Tendenz der ganzen von Bode vorgeschlagenen Er-
weiterungen, daß die musealen Aufgaben der provin-
zialen und städtischen Sammlungen nicht beeinträchtigt
werden sollen. So wird auf dem Gebiete der hei-
mischen Prähistorie und der deutschen Volkskunde
geradezu gefordert, daß die in den Provinzen ge-
fundenen und meist auch entstandenen Altertümer
dort, in der Hauptstadt der Landschaft, der Provinz
verbleiben. Ein großes Zentralmuseum für Völker-
kunde würde leicht zu einem unübersichtlichen Sammel-
surium nach Art der »Dörfer« auf den Weltausstellungen
ausarten, während dort, wo sich wirklich noch ein
Volksleben erhalten hat, wie etwa in Bayern, in der
Lausitz, in Westfalen und so fort, provinziale Museen
einen natürlichen Boden finden. Für Berlin genügt
zur Repräsentation eine Sammlung der wichtigsten
Typen, aber dann nicht bloß Deutschlands, sondern
auch des Auslandes.

So entwirft die Bodesche Denkschrift ein groß-
zügiges Bild der Berliner Museumsbedürfnisse und
gibt manchen Fingerzeig für die Aufgaben und Ent-
wickelungsmöglichkeiten der deutschen Museen auch
außerhalb Berlins. Die Aufmerksamen werden daraus
mit Vorteil nützliche Schlüsse ziehen können.. Der
Landtag aber, den diese Pläne beschäftigen werden,
wird anerkennen müssen, daß hier ein so großartiges
Programm ausgebreitet worden ist, wie es unsere
Kulturstellung gebieterisch fordert. Wenn aber das
l hohe Ziel erreicht werden soll zum ästhetischen Wohle
 
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