Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

DOI Artikel:
Hermanin, Federico: Römischer Brief, [1]
DOI Artikel:
Schumann, Paul: Dresdner Brief, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
163

Dresdener Brief

164

Villa Borghese die Passeggiata dei Parioli schließen
und einen mächtigen Park von Piazza del Popolo
bis Ponte Molle und Acqua Acetosa bilden. Im
Süden wird die Regierung die seit so vielen Jahren
von Guido Baccelli geplante Passeggiata Archeologica
ausführen. Der Gesetzentwurf und die dazu gehöri-
gen sechs Millionen sind schon bereit. Im Frühling
soll die Arbeit in Angriff genommen werden. Es
handelt sich darum, die ganze archäologische Region,
die sich vom Forum bis nach Porta San Sebastiano
ausdehnt, zu regulieren. Große Alleen zwischen
Wiesen und Baumgruppen sollen die alten Monu-
mente verbinden, so daß Palatin, Caracallethermen,
die Serviusmauer am Fuße des Aventivs, die alten
Kirchen von S. S. Nereo ed Achuileo, S. Cesario in
Palatio, S. Giovanni Portalatina, S. Stefano Rotondo
in dem grünen Rahmen eines großartigen Parkes liegen
werden. Eine nicht minder wichtige und nicht minder
schwierige Regulierung wird die um das National-
denkmal in Piazza Venezia sein und hoffentlich wird
alles Neue, was man um das schöne Werk Sacconis
schaffen wird, besser sein als das Zerrbild von
Palazzo Venezia, welches der ernsten Palastburg
Pauls II. gegenüber gebaut worden ist. Eine Kari-
katur im schlimmsten Sinne des Wortes. Die Archi-
tekten hatten Palazzo Venezia genau gemessen; Höhe
und Breite ganz peinlich und dann in die Linien
eines päpstlichen Renaissancepalastes eine Mietskaserne
und Kaufläden hineingebaut. Jeder fragt sich, warum
ein dicker Turm auf dem Haus steht und warum
Zinnen das friedliche Mietshaus so kriegerisch krönen.
Der Turm ist da, weil hochgelegene Ateliers im
Herzen Roms mit herrlicher Aussicht und Luft sehr
rentabel sind. Mit den Zinnen hat dann der Archi-
tekt einen tiefen historischen und politischen Ge-
danken ausdrücken wollen, denn sie sind zweispitzig,
also ghibellinisch, während die vom alten Palast
guelfisch sind. Nach so langen Jahrhunderten Guelfen
und Ghibellinen friedlich am Fuße des Nationaldenk-
mals gelagert! Das alles erspart dem Architekten
nicht die schneidendste Kritik von allen Seiten. Die
Nachricht, daß Frankreich Palazzo Farnese doch nicht
kauft, hat die Frage des Ankaufes von Seiten der
italienischen Regierung wieder zur Diskussion gebracht
und von allen Seiten bedrängt man den Kultusminister.
Nun ist es gewiß gut, daß der herrliche Bau nicht
in fremde Hände kommt, man muß aber dafür sorgen,
daß, wenn ihn die Regierung ankauft, er zu keinen
ungeeigneten Zwecken gebraucht werde. Indessen
hat Minister Rava in seiner letzten Ansprache an
die Commissione centrale per le antichitä e belle
arti versichert, daß binnen kurzem die Arbeiten der
Ausgrabung der Ära Pacis wieder aufgenommen
werden sollen und daß in nächster Zeit das projektierte
mittelalterliche Museum in Castel Sant'Angelo einge-
richtet werden wird.

Zuletzt eine weniger schöne Nachricht. Der Stadt-
behörde ist ein Projekt eingereicht worden, um an
Villa Borghese einen großen Eingang aus dem Quar-
tiere Ludovisi zu bauen. Porta Pinciana soll wie
ein altes Haus abgetragen und am Ende von Via

Veneto ein großes barockes Gartentor für die Villa
gebaut werden. Vor dem Gartentor ein runder Platz
mit einem Ehrendenkmal Beiisars, um sein Andenken
für das Tor und die Mauern, wo er so tapfer gegen
die Gothen gekämpft, zu entschädigen. Das wird
einen harten Krieg geben, aber es wird den vielen,
die nichts von diesen sogenannten Verschönerungen
Roms wissen wollen, wohl gelingen, den arbeits-
lustigen Architekten und Bildhauern das Handwerk
zu legen. FEDERICO HERMANIN.

DRESDNER BRIEF

Das wichtigste Ereignis der letzten Wochen in Dresdens
Kunstleben ist die Eröffnung der neugeschaffenen Galerie
Ernst Arnold. Die altbekannte Firma Ernst Arnold, die
schon in Ludwig Richters Jugend eine Rolle spielte, hat
sich zu ihren zahlreichen Verdiensten um Dresdens Kunst-
leben ein neues erworben, indem sie der Kunst eine
würdige Stätte schuf, die sich den vornehmsten Kunst-
salons in Berlin, München und Wien ebenbürtig an die
Seite stellt. Die Räume liegen in der Nähe des Stamm-
geschäftes in der Schloßstraße (Nr. 34) und gehörten
früher dem Kgl. Kultusministerium an. Durch einen um-
fänglichen Umbau wurden neun neue Räume geschaffen,
fünf im Erdgeschoß, vier im Obergeschoß, darunter fünf
mit Oberlicht — die beiden Geschosse durch eine statt-
liche Innentreppe verbunden. Hervorzuheben sind be-
sonders: der Oberlichtsaal für Plastik im Obergeschoß von
den Architekten Lossow und Kühne, der Saal von Wilhelm
Kreis, in dem das neue marmorne Bildwerk von Max
Klinger steht, dann ein Raum im Obergeschoß, in dem eine
wohlerhaltene prächtige alte Stuckdecke zum Vorschein
gekommen ist, endlich die beiden mit vornehm zurück-
haltender Eleganz ausgestatteten Zimmer von Henry van
de Velde für Zeichnungen und Radierungen. Für ihren
Zweck, die ausgestellten Kunstwerke bestens zur Geltung
zu bringen, sind die Museen allesamt wohl geeignet..

Zur Eröffnung der neuen Galerie hat der Besitzer der
Ernst Arnoldschen Kunsthandlung Herr Ludwig Gutbier
eine ansehnliche Ausstellung von Kunstwerken veranstaltet,
in der eine Reihe hervorragender deutscher Künstler ver-
treten waren. Wir nennen nur Max Klinger, Otto Greiner,
Ludwig v. Hofmann, Max Liebermann, Leistikow, Fritz
v. Uhde, Dill und Holzel, Haider, Oberländer, Hans von
Bartels und Herkomer. In dem van de Veldeschen Zimmer
hängen ausgesuchte Zeichnungen und Radierungen von
Adolf Menzel, Otto Fischer, Legros, Anders Zorn, Kalckreuth,
Helleu. Die oberen Räume aber sind fast ausschließlich Dres-
dener Künstlern gewidmet; wir finden hier so ziemlich
alle Namen vertreten, die für Dresdens Kunstleben von
Bedeutung sind: Kühl, Bracht, Bantzer, Sterl, W. G.
Ritter, Zwintscher, Richard Müller, Georg Lührig, Paul
Kießling, Hans Unger, Wilhelm Claudius, Hegenbarth,
Georg Erler, Graf Reichenbach, W. Wäntig, Wolfgang-
müller und eine ganze Reihe jüngerer Künstler.

Das Hauptinteresse der Besucher wendet sich begreif-
licherweise dem neuen KUngerschen Marmorwerk zu, einer
nackten weiblichen Gestalt, die der Künstler Diana getauft
hat. Die vielfache Frage, warum gerade dieser Name,
zeigt im Grunde nur, daß uns die alte Mythologie fremd
geworden ist. Sie ist längst nicht mehr die Welt, deren
Kenntnis zur allgemeinen Bildung gehört, der wir unsere
Bilder und Vergleiche zum Schmuck der Rede entnehmen,
deren Gestalten und Geschichten jedermann vertraut sind.
Hier kann es sich offenbar nur um die Szene handeln,
wie Diana im Bade von Aktäon überrascht auffährt und
 
Annotationen