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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Bredius, Abraham: Das Hauptwerk von Simon Marmion
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Hevesi, Ludwig: Adalbert Stifter als Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0163

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Adalbert Stifter als Maler

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zugeschrieben wurden; eine breite, flotte Malerei, noch
etwas breiter wie die Berliner Werke.

Jedes Gemälde ist mit einer schmalen Goldleiste
umrahmt, die dann in einen marmornen Rahmen ein-
gefaßt ist, welcher wieder in rotem Marmor einge-
lassen ist. Man hat die Bilder, welche Staatseigentum
sind, schon in ein Museum bringen wollen, aber be-
hauptet, daß sie unmöglich aus diesem Marmor ge-
nommen werden können, ohne sie schwer zu beschä-
digen. Bedauerlicherweise hat man auf jedes Bild
einen Stempel mit rotem Siegellack gedrückt.

Ich habe hier nichts zur Hand, um die Darstel-
lungen näher zu identifizieren, und möchte nur die Auf-
merksamkeit richten auf dieses höchstbedeutende Ge-
mälde, welches, wie ich glaube, noch von niemand
näher beachtet wurde. Allerdings scheint die jetzige
Kunstverwaltung Italiens mit Recht die Bedeutung des
Kunstwerkes eingesehen zu haben. Für das Gemälde,
welches man nicht gut betrachten kann, wäre doch
eine Überbringung in ein Museum sehr erwünscht.

A. BREDIUS.

Nachtrag.

Soeben teilte mir Comm. Corrado Ricci folgendes
mit, resp. wies er mich auf einen längeren Artikel
in Napoli nobilissima, 1900, von Giuseppe Cosenza
über die Kirche S. Pietro Martire. Daraus geht her-
vor, daß die Kapelle gestiftet wurde von der Familie
Pagano aus Nocera. Carlo Pagano war Cameriere
maggiore der Königin Isabella di Chiaromonte und
besiegte die Flotte von Anjou 1460 vor Neapel.
Diese Fürstin nun wird auf Nr. 11 dargestellt mit
ihren zwei Söhnen, die Statue des hl. Vinzenz an-
betend. Der Sohn des Carlo, Tommaso Pagano,
starb 1480, 27 Jahre alt. Es ist möglich, daß er
dieses Bild bestellt hat. Lange wurde in der Sakristei
eine Fahne von Seide mit Gold gestickt aufbewahrt,
welche bei der Beerdigung des Carlo Pagano ge-
dient hatte.

Schließlich noch die Notiz, daß Frizzoni das Werk
(mit Unrecht!) in Arte italiana del Rinascimento, 1891,
dem Rogier van der Weyden zuschreibt. Abbildungen
des Gemäldes sollen bald im Bolletino d'Arte ge-
bracht werden. A. B.

ADALBERT STIFTER ALS MALER

Herrn Biedermeiers fröhliche Urständ vollendet
sich nachgerade. Immer wieder wird eine seiner
alten Tüchtigkeiten abgestaubt und eine seiner lange
belächelten Biederkeiten als köstlich, ja eigentlich als
Talent anerkannt. Seit einem Menschenalter war
Adalbert Stifter so vergessen, daß vor fünfundzwanzig
Jahren, als Alois Raimund Hein seine große Biographie
zu schreiben begann, kein Verleger dafür zu finden
war. Er vollendete sie erst in den letzten Jahren und
•der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen
gab sie 1904 reich illustriert heraus. Nun sind auch
die Stifterschen Schriften »frei« und werden selbst in
Deutschland neu gedruckt und die »Studien« und
»Bunten Steine« als gewissermaßen klassisch bewun-
dert. Ja auch der Maler Stifter lebt —■ in einer Aus-

stellung des Österreichischen Kunstvereins — plötz-
lich wieder auf. Denn er war beides; er malte mit
der Feder und beschrieb mit dem Pinsel. Lange
Zeit wußte er überhaupt nicht, welches von beiden
er werden oder bleiben sollte. Anfangs sagte er mit
sanguinischem Schwung: »Ich bin so eitel zu sagen:
auch ich bin ein Landschaftsmaler«. Und er schätzte
sein zweiseitiges Moment folgendermaßen ab: »Als
Schriftsteller bin ich nur Dilettant und wer weiß, ob
ich es auf diesem Felde weiterbringen würde, aber
als Maler werde ich etwas erreichen«. Am Ende
aber erkannte er doch, was er in der Malerei war:
»ein untergeordneter Mann, der nur auf der Stufe
des Liebhabers steht«. Ach, gerade mit der Liebe
des Liebhabers hing er an der sehnsüchtig und zäh
umworbenen Kunst. Sie war seine ewige Flamme,
seine lieblich äffende Luftspiegelung. Seine zaghafte
Hoffnung und gelinde Verzweiflung. »Stimmte nur
die Hand mit dem Herzen überein; lauter Götter-
größe und Zartheit und Glorie und aller Teufel wäre
auf der Leinwand«. Auf dieser vertrackten Leinwand,
die, wie er ganz spät noch Rosegger klagen wird, ein
förmliches Sieb sei, »auf dem nur das Grobe liegen
bleibe, das Feine, Zarte und Wahrhafte aber durch-
falle«. Also doch nur ein »Sonntagsmaler«, dem der
grade Michel, der Stelzhamer, sogar schlechtweg riet,
das Malen ganz aufzugeben. Wenn man in sein
himmelnahes Künstlerheim kam, im Küßdenpfennig-
hause, sah man nichts als Staffeleien und Studien und
angefangene Bilder (ein einziges vollendetes erinnert
sich der Urgreis Baron Helfert je bei ihm getroffen
zu haben), aber kein einziges Buch. Man war bei
einem Malmenschen, nicht bei einem Schreibemenschen.
Und er war wirklich am größten im Nichtvollenden.
Er kratzte immer wieder ab und übermalte und ließ
dann stehen; selbst Bilder, die er schon aus dem
Hause gegeben hatte. Es fielen ihm »immer neue
Kolorite ein, die so schön im Kopfe sind und wie
oft so elend auf der Leinwand«. Und am liebsten
hätte er doch gleich »den Sonnenschein auf den Hut
gesteckt und die Abendröte umarmt«. Freilich, er
hatte keine Schule. Durch mühsamen Selbstversuch
und langen Atelierverkehr machte er sich eine Technik,
die immer wieder unversehens »ausließ«. Zahllose
Male wiederholte und variierte er die nämlichen Mo-
tive, z. B. seine Vollmondlandschaften, die zum rich-
tigen Stiftertypus wurden. Das war ihm wie Phan-
tasieren auf dem Klavier in Dämmerstunden. Es sind
meist kleine Bilder — eines malte er sogar auf einen
Dosendeckel für die berühmte Dosensammlung Castellis
— und in der Tat sind sie alle in einer Art Dosen-
stil gemalt. Das Vorbild ist der einst so beliebte
van der Neersche Mondeffekt, mit Wasser, auf dem
hinten ein Glanzlicht schwimmt, und dem dunkeln
Umriß einer Burgruine oder Windmühle. Der volle
Mond versilbert die Ränder der Wolkenballen und
bescheint die kugeligen Laubmassen der Bäume, wenn
nicht zur Abwechslung dunkle Tannen in die Luft
starren. Die Auffassung ist also die zeitromantische,
nicht malerische, sondern »pittoreske», das heißt von
der Ballade oder Sage aus poetisch belebte. Es sind
 
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