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Literatur
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nis betrieben, findet eine ihre wesentlichsten Gesichtspunkte
erschöpfende Darstellung, wünschenswert wäre eine Wieder-
gabe des berühmten Gartens des Salomon de Caus am
Heidelberger Schlosse.
Das Zimmer hat in seinem Schmucke stets in der
Mode stark geschwankt. Ursprünglich nur in reiner Kon-
struktion, mit Stein oder Holzdecke und reicher Bemalung
durchgebildet, Bohlenverkleidung (Stollenwerk) mit Schnitz-
arbeit in der Spätgotik, abgelöst durch reiche Schreiner-
arbeit in der Renaissance, im Barock stuckiert, mit Voute
und seitlichem Oberlicht, erlebt seine Ausstattung im Klassi-
zismus wieder eine Regeneration, die einfache Flächen-
kunst mit farbiger Behandlung, der als jüngste Errungen-
schaft die Wirkung der Naturhölzer folgt. Vielleicht hätte
eine Trennung dieses Kapitels in Zimmer und Saal noch
eine schärfere Präzisierung zugelassen. Die Wandmalerei
blüht im Mittelalter vor allem im Anschluß an die kirch-
liche Kunst, in der Renaissance glänzend entwickelt, muß
sie im Barock mit dem Stuck um die Führung kämpfen,
den Pozzos Einfluß ihr sichert.
Vom Hausrat des frühen Mittelalters ist uns wenig
erhalten, die ältere Drechslerarbeit weicht im 14. Jahr-
hundert der Verbreiterung, der Technik von Säge und
Hobel. Brachte die Spätgotik schon umfangreichen Haus-
rat, so vermehrt ihn die Renaissance durch Büfett, Braut-
truhe und Kunstschreine, endlich das Rokoko mit weiteren
Möbeln wie Kommode, Bureau, Spiegeltisch mit Standuhr,
Lehnsessel, Chaiselongue und Sofa. Technisch macht das
Möbel gleich der Innenausstattung in Holz den gleichen
Weg von der Schnitzerei bis zur Wirkung des Naturholzes
durch. Das im Material überreiche Kapitel Geräte und
Gefäße trennt Bergner nach dem Stoffe der Herstellung,
wobei Technik und Form als eng Verwandtes an passen-
der Stelle berücksichtigt werden konnten. Ebenso ist
Tracht und Schmuck in der Darstellung vereinigt, die
Modetorheiten weiß Bergner originell zu schildern. Bei
dem Kapitel Waffen ist namentlich der komplizierte Bau
des Harnischs eingehend geschildert, ebenso das für das
Verständnis der Wehranlagen so wichtige Kapitel des
Antwerkes, Wandeltürme, Wurfmaschinen usw. Die Feuer-
waffen schließen diesen Abschnitt. Die für das Studium
historischer Baukunst wichtigen Kapitel über Inschriften
und Symbole, mittelalterlicher und antiker Bilderkreis,
Personifikationen", Allegorien und Symbole beschließen
den Inhalt des zweiten Buches. Das in Kürze Angedeutete
mag genügen, über den reichen Inhalt des vorliegenden
Buches zu orientieren, das knapp und anschaulich ge-
schrieben bei vorsichtiger Bewertung des vorhandenen
Materiales rasch über einen bestimmten Gegenstand der
bürgerlichen Kunst orientiert und durch eine eingehende
Literaturangabe dem Leser weitergehende Studien ermög-
licht. Eine reiche und treffliche Illustrierung erhöht den
Wert des Buches, das als Nachschlagewerk allen Freunden
historischer Kunst willkommen sein wird. Zeller.
Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von
1775—1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906.
Herausgegeben vom Vorstand der Deutschen fahrhundert-
ausstellung. Auswahl der hervorragendsten Bilder mit
einleitendem Text von Hugo v. Tschudi. München, Ver-
lagsanstalt F. Bruckmann A.-G. 1906. (Preis 20 Mark).
Dieser in gewissem Sinne »amtliche« Bilderatlas der
wunderreichen und den besten Stolz des Deutschen
mehrenden »Deutschen Jahrhundertausstellung« gibt noch
einmal Gelegenheit, den Veranstaltern des Unternehmens,
von denen einige zugleich Herausgeber seines gedruckten
Denkmals sind, tiefen Dank auszusprechen. Besonders sei,
wie dies ja auch in dem dem Werke vorangehenden Vor-
wort Alfred Lichtwarks geschieht, ein guter Teil dieses
Dankes Julius Meier-Graefe gesagt, diesem temperament-
vollsten Freischärler heutiger Kunstschriftstellerei, dessen
dreibändige »Entwickelungsgeschichteder modernen Kunst«
(Stuttgart, Verlag Jul. Hofmann 1904) in ihren auf Deutsch-
land bezüglichen Teilen so vielfach durch die Ausstellung
illustriert, freilich auch mannigfach berichtigt worden ist.
Meier-Graefes Buch, dessen Titel seine Achillesferse dar-
stellt, ist der Gegenstand zahlreicher meist ebenso heftiger
wie wirkungsloser Angriffe geworden. Was sich in nega-
tiver Weise von ihm sagen läßt, dürfte wohl aufs kürzeste
in der Bezeichnung »die geräkelte Kunstgeschichte« zu-
sammenzufassen sein. Im positiven Sinne muß ich aber
bekennen, aus dieser Reihe schlangenhaft schillernder und
dabei doch tiefgründiger Feuilletons mehr über Kunst und
Leben erfahren zu haben, als aus zahlreichen Büchern
staatlich diplomierter Kunstgelehrter. Der Geschmack des
»Meier-Graefe« bleibt länger und schließlich angenehmer
auf der Zunge als der des leichter eingehenden und plan-
mäßiger angebauten »Muther«.
Von Meier-Graefescher Art weit verschieden erweist
sich der einleitende Text von Hugo v. Tschudi, der auf
dem engen Räume von 30 Quartseiten das denkbar beste
Kursbuch der Ausstellung bietet. Es dürfte gar wenige
Schriftsteller in unserer Zeit geben, die in so enger Zu-
sammenfassung so reichen und durchdachten Inhalt vor-
zulegen und dabei in jeder Zeile lesbar zu bleiben wissen.
Da ich selbst den Versuch unternommen habe, ein lite-
rarisches Porträt der Haupterscheinungen der Ausstellung
zu zeichnen, möchte ich hier nicht auf die wenigen Punkte
hinweisen, in denen ich bei der ästhetischen Einschätzung
einzelner Künstler von dem verehrten Meister abweiche,
und also nicht nochmals des Näheren darlegen, warum
ich etwa Franz Krüger niedriger, Viktor Müller höher werte
als es Tschudi tut. Nur ein paar sachliche Berichtigungen
seien hier gebracht, die meine bereits in der »Zeitschrift
für bildende Kunst« erschienenen Ausführungen durch den
Text des Ausstellungswerkes erfahren, dessen Verfasser
hier naturgemäß alle Quellen des Wissens leichter zur
Verfügung standen als mir, dem privaten Zuschauer. Bern-
hard Rausch, der Maler des mit den zartesten, durch einen
leicht graublonden Ton verbundenen Blumenfarben und
durch die seltene Vornehmheit der Haltung fesselnden
Kinderbildnisses (Nr. 1384) war von mir bei den Berlinern
eingeordnet worden, da mir ein Hauch Schinkelschen und
Schadowschen Geistes über seinen beiden Bildern zu liegen
schien und da das Lebensgefühl, das aus den beiden
Mädchen und der stolzkühlen Frau sprach, mich an den
Humboldtkreis denken ließ. Im Ausstellungswerk, das
ihm eigentlich wenig Beachtung schenkt, wird er, da er
um 1814 an der Münchener Akademie studierte, bei den
Süddeutschen untergebracht. Nähere Daten, insbesondere
seine Herkunft, scheinen aber auch der Ausstellungsleitung
bisher unbekannt geblieben zu sein. Man wird also mit
der Entscheidung der Frage warten müssen. Auch das
etwas Glasige, das die Bilder haben, berührt norddeutsch;
da es sich ähnlich auf den Interieurs Kerstings findet, könnte
es vielleicht mit auf die Spur helfen. Die von mir als
Arbeit Friedrich Wasmanns besprochene, ebenso nervige
wie nervöse »Aktstudie nach einem Freunde«, in dessen
verlegen ruhigem Gesicht sich die ganze Nacktheitsscheu
des 19. Jahrhunderts ausspricht (Nr. 1930), ist zwar im
Ausstellungswerk noch unter Wasmanns Namen abgebildet,
im Text aber wird gesagt, daß sie wahrscheinlicher dessen
Sfadtgenossen Viktor Emil Janssen (1807—1846) ange-
hört. — Daß wir uns über die köstliche Frische der Hand-
schrift in Spitzwegs »Frauenbad in Dieppe« zur Hälfte
vergebens gefreut haben, indem dieses Werk sich nur als
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nis betrieben, findet eine ihre wesentlichsten Gesichtspunkte
erschöpfende Darstellung, wünschenswert wäre eine Wieder-
gabe des berühmten Gartens des Salomon de Caus am
Heidelberger Schlosse.
Das Zimmer hat in seinem Schmucke stets in der
Mode stark geschwankt. Ursprünglich nur in reiner Kon-
struktion, mit Stein oder Holzdecke und reicher Bemalung
durchgebildet, Bohlenverkleidung (Stollenwerk) mit Schnitz-
arbeit in der Spätgotik, abgelöst durch reiche Schreiner-
arbeit in der Renaissance, im Barock stuckiert, mit Voute
und seitlichem Oberlicht, erlebt seine Ausstattung im Klassi-
zismus wieder eine Regeneration, die einfache Flächen-
kunst mit farbiger Behandlung, der als jüngste Errungen-
schaft die Wirkung der Naturhölzer folgt. Vielleicht hätte
eine Trennung dieses Kapitels in Zimmer und Saal noch
eine schärfere Präzisierung zugelassen. Die Wandmalerei
blüht im Mittelalter vor allem im Anschluß an die kirch-
liche Kunst, in der Renaissance glänzend entwickelt, muß
sie im Barock mit dem Stuck um die Führung kämpfen,
den Pozzos Einfluß ihr sichert.
Vom Hausrat des frühen Mittelalters ist uns wenig
erhalten, die ältere Drechslerarbeit weicht im 14. Jahr-
hundert der Verbreiterung, der Technik von Säge und
Hobel. Brachte die Spätgotik schon umfangreichen Haus-
rat, so vermehrt ihn die Renaissance durch Büfett, Braut-
truhe und Kunstschreine, endlich das Rokoko mit weiteren
Möbeln wie Kommode, Bureau, Spiegeltisch mit Standuhr,
Lehnsessel, Chaiselongue und Sofa. Technisch macht das
Möbel gleich der Innenausstattung in Holz den gleichen
Weg von der Schnitzerei bis zur Wirkung des Naturholzes
durch. Das im Material überreiche Kapitel Geräte und
Gefäße trennt Bergner nach dem Stoffe der Herstellung,
wobei Technik und Form als eng Verwandtes an passen-
der Stelle berücksichtigt werden konnten. Ebenso ist
Tracht und Schmuck in der Darstellung vereinigt, die
Modetorheiten weiß Bergner originell zu schildern. Bei
dem Kapitel Waffen ist namentlich der komplizierte Bau
des Harnischs eingehend geschildert, ebenso das für das
Verständnis der Wehranlagen so wichtige Kapitel des
Antwerkes, Wandeltürme, Wurfmaschinen usw. Die Feuer-
waffen schließen diesen Abschnitt. Die für das Studium
historischer Baukunst wichtigen Kapitel über Inschriften
und Symbole, mittelalterlicher und antiker Bilderkreis,
Personifikationen", Allegorien und Symbole beschließen
den Inhalt des zweiten Buches. Das in Kürze Angedeutete
mag genügen, über den reichen Inhalt des vorliegenden
Buches zu orientieren, das knapp und anschaulich ge-
schrieben bei vorsichtiger Bewertung des vorhandenen
Materiales rasch über einen bestimmten Gegenstand der
bürgerlichen Kunst orientiert und durch eine eingehende
Literaturangabe dem Leser weitergehende Studien ermög-
licht. Eine reiche und treffliche Illustrierung erhöht den
Wert des Buches, das als Nachschlagewerk allen Freunden
historischer Kunst willkommen sein wird. Zeller.
Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von
1775—1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906.
Herausgegeben vom Vorstand der Deutschen fahrhundert-
ausstellung. Auswahl der hervorragendsten Bilder mit
einleitendem Text von Hugo v. Tschudi. München, Ver-
lagsanstalt F. Bruckmann A.-G. 1906. (Preis 20 Mark).
Dieser in gewissem Sinne »amtliche« Bilderatlas der
wunderreichen und den besten Stolz des Deutschen
mehrenden »Deutschen Jahrhundertausstellung« gibt noch
einmal Gelegenheit, den Veranstaltern des Unternehmens,
von denen einige zugleich Herausgeber seines gedruckten
Denkmals sind, tiefen Dank auszusprechen. Besonders sei,
wie dies ja auch in dem dem Werke vorangehenden Vor-
wort Alfred Lichtwarks geschieht, ein guter Teil dieses
Dankes Julius Meier-Graefe gesagt, diesem temperament-
vollsten Freischärler heutiger Kunstschriftstellerei, dessen
dreibändige »Entwickelungsgeschichteder modernen Kunst«
(Stuttgart, Verlag Jul. Hofmann 1904) in ihren auf Deutsch-
land bezüglichen Teilen so vielfach durch die Ausstellung
illustriert, freilich auch mannigfach berichtigt worden ist.
Meier-Graefes Buch, dessen Titel seine Achillesferse dar-
stellt, ist der Gegenstand zahlreicher meist ebenso heftiger
wie wirkungsloser Angriffe geworden. Was sich in nega-
tiver Weise von ihm sagen läßt, dürfte wohl aufs kürzeste
in der Bezeichnung »die geräkelte Kunstgeschichte« zu-
sammenzufassen sein. Im positiven Sinne muß ich aber
bekennen, aus dieser Reihe schlangenhaft schillernder und
dabei doch tiefgründiger Feuilletons mehr über Kunst und
Leben erfahren zu haben, als aus zahlreichen Büchern
staatlich diplomierter Kunstgelehrter. Der Geschmack des
»Meier-Graefe« bleibt länger und schließlich angenehmer
auf der Zunge als der des leichter eingehenden und plan-
mäßiger angebauten »Muther«.
Von Meier-Graefescher Art weit verschieden erweist
sich der einleitende Text von Hugo v. Tschudi, der auf
dem engen Räume von 30 Quartseiten das denkbar beste
Kursbuch der Ausstellung bietet. Es dürfte gar wenige
Schriftsteller in unserer Zeit geben, die in so enger Zu-
sammenfassung so reichen und durchdachten Inhalt vor-
zulegen und dabei in jeder Zeile lesbar zu bleiben wissen.
Da ich selbst den Versuch unternommen habe, ein lite-
rarisches Porträt der Haupterscheinungen der Ausstellung
zu zeichnen, möchte ich hier nicht auf die wenigen Punkte
hinweisen, in denen ich bei der ästhetischen Einschätzung
einzelner Künstler von dem verehrten Meister abweiche,
und also nicht nochmals des Näheren darlegen, warum
ich etwa Franz Krüger niedriger, Viktor Müller höher werte
als es Tschudi tut. Nur ein paar sachliche Berichtigungen
seien hier gebracht, die meine bereits in der »Zeitschrift
für bildende Kunst« erschienenen Ausführungen durch den
Text des Ausstellungswerkes erfahren, dessen Verfasser
hier naturgemäß alle Quellen des Wissens leichter zur
Verfügung standen als mir, dem privaten Zuschauer. Bern-
hard Rausch, der Maler des mit den zartesten, durch einen
leicht graublonden Ton verbundenen Blumenfarben und
durch die seltene Vornehmheit der Haltung fesselnden
Kinderbildnisses (Nr. 1384) war von mir bei den Berlinern
eingeordnet worden, da mir ein Hauch Schinkelschen und
Schadowschen Geistes über seinen beiden Bildern zu liegen
schien und da das Lebensgefühl, das aus den beiden
Mädchen und der stolzkühlen Frau sprach, mich an den
Humboldtkreis denken ließ. Im Ausstellungswerk, das
ihm eigentlich wenig Beachtung schenkt, wird er, da er
um 1814 an der Münchener Akademie studierte, bei den
Süddeutschen untergebracht. Nähere Daten, insbesondere
seine Herkunft, scheinen aber auch der Ausstellungsleitung
bisher unbekannt geblieben zu sein. Man wird also mit
der Entscheidung der Frage warten müssen. Auch das
etwas Glasige, das die Bilder haben, berührt norddeutsch;
da es sich ähnlich auf den Interieurs Kerstings findet, könnte
es vielleicht mit auf die Spur helfen. Die von mir als
Arbeit Friedrich Wasmanns besprochene, ebenso nervige
wie nervöse »Aktstudie nach einem Freunde«, in dessen
verlegen ruhigem Gesicht sich die ganze Nacktheitsscheu
des 19. Jahrhunderts ausspricht (Nr. 1930), ist zwar im
Ausstellungswerk noch unter Wasmanns Namen abgebildet,
im Text aber wird gesagt, daß sie wahrscheinlicher dessen
Sfadtgenossen Viktor Emil Janssen (1807—1846) ange-
hört. — Daß wir uns über die köstliche Frische der Hand-
schrift in Spitzwegs »Frauenbad in Dieppe« zur Hälfte
vergebens gefreut haben, indem dieses Werk sich nur als