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Ausgrabungen und Funde — Archäologisches — Ausstellungen
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Heimatstadt Vasto in den Abruzzen ein Denkmal errichtet
werden. Die Gemeinde hat bereits das Geburtshaus an-
gekauft und es sind die erforderlichen Mittel zur Errichtung
eines würdigen Monuments auf dem Marktplatz beinahe
zusammengebracht.
Prag. Die deutsche Sektion hat in ihrer letzten
Sitzung beschlossen, den für Wien bestimmt gewesenen
Nibelungen-Brunnen von Professor Franz Metzner ausführen
zu lassen. Derselbe soll nach seiner Vollendung, die un-
gefähr drei Jahre in Anspruch nehmen dürfte, in einem bis
dahin vollendeten Neubau der modernen Galerie in Prag
aufgestellt werden. Die Figur des Markgrafen Rüdiger
wird in Bronze und Marmor etwa 31/3 m hoch ausgeführt
werden und den schon für das Wiener Denkmal geplant
gewesenen Sockel mit dem Figurenfries der menschlichen
Leidenschaften erhalten.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Systematische Ausgrabungen an der Stätte des alten
Cumae (Kyme) in Campanien sollen vorgenommen werden;
und dafür hat sich infolge der Initiative des Liceo Moderno
in Neapel, aus dessen Kreis dieser Gedanke entsprungen
ist, ein Komitee gebildet. Das im 8. Jahrhundert v. Chr.
von Euboeischen Seefahrern aus Chalkis gegründete Cumae
— das von Ephoros gegebene Datum 1050 v. Chr. ist vom
Lokalpatriotismus des Historikers eingegeben — war die
älteste griechische Kolonie auf italienischem Boden und
spielte später eine große und wichtige Rolle. Von diesem
nördlichen Posten griechischer Zivilisation aus hat sich der
jonische Einfluß über ganz Mittelitalien verbreitet. Cumaes
Einfluß wich erst im 4. Jahrhundert dem Emporkommen
von Capua und im 2. Jahrhundert wurden die Einwohner
fast ganz nach Neapolis verpflanzt. Nachher blieb es
Provinzialstädtchen, würdig des Trimalchion Petrons, dessen
Gastmahl einige Gelehrte, worunter Mommsen, in diesem
Landstädtchen spielen lassen wollen. (Über Kyme siehe
jetzt auch Duhns, »Pompeji, eine hellenistische Stadt in
Italien«, S. 6 ff.) m.
Genf. In der Sammlung ägyptischer Papyri hat kürz-
lich Professor Jules Nicole mitten unter griechischen Texten
einen antiken lateinischen Führer durch Rom gefunden, der
ein Skulpturenverzeichnis für die Besucher der Weltstadt
enthält, das die griechischen Meisterwerke Roms nach den
Standorten aufzählt. Die Beschreibung gibt Hinweise auf
Gegenstände, Künstler, Ursprungsort usw. und bringt in-
teressante Mitteilungen über bisher noch nicht bekannte
Künstler und ergänzende Nachrichten über schon bekannte
griechische Bildhauer. Die Entdeckung dürfte in archäo-
logischen Fachkreisen Aufsehen erregen.
ARCHÄOLOGISCHES
Über die neue Niobide (siehe »Kunstchronik« vom
30. November, Sp. 104) sprach Furtwängler am 6. Dezember
in der Münchener kunstwissenschaftlichen Gesellschaft und
konnte den erstaunten Mitgliedern derselben das herrliche
in Rom neugefundene Stück durch das Skioptikon vorführen.
Der Fund dieser Antike von überwältigender Schönheit
bestätigt Furtwänglers, in den Sitzungsberichten der bayri-
schen Akademie (189g und 1902) vorgetragene Ansicht,
daß drei in der Glyptothek Ny-Carlsberg des Herrn Carl
Jacobsen zu Kopenhagen befindliche, ebenfalls aus Rom
stammende Figuren — nämlich ein Apollo, eine fliehende,
in Gewänder gehüllte Niobide und ein gefallener Niobide
— griechische Originale aus den Giebelfeldern irgend eines
unbekannten Apollotempels sind, die in der Kaiserzeit
nach Rom überführt worden seien. Denn, worauf schon
deutsche Gelehrte in Rom aufmerksam geworden sind
(siehe »Kunstchronik« Sp. 105 oben), gehört die neuge-
fundene Statue zu dem gleichen Giebel wie die drei
Jacobsenschen Figuren. Furtwängler setzt die Entstehung
dieser Komposition in die Mitte des 5. Jahrhunderts, eine
Ansicht, die wohl Widerspruch begegnen, aber am Ende
doch durchdringen wird. Die fast nackte vollentwickelte
weibliche Gestalt, die im Sommer in Rom gefunden wurde,
ist von überwältigender Schönheit. Kann man sie in so
frühe Zeit datieren, so wird durch dieses Analogon einer Dar-
stellung des nackten weiblichen Körpers auch der Esquili-
nischen Venus ihr bestrittenes griechisches Cinquecento-
Recht zuteil werden. m.
In der »Frkft. Ztg.« berichtet der Archäologe C. N.
Kaufmann über verschiedene Kulturdenkmäler aus dem
altchristlichen Ägypten, von denen eine ganze Reihe rettungs-
los dem Untergange preisgegeben ist, was um so bedauer-
licher erscheint, als die meisten von ihnen niemals von
einem Fachmann untersucht worden sind, trotzdem gerade
sie hervorragende Kulturzeugen einer auch historisch noch
unerschlossenen Periode des Pharaonenlandes darstellen.
Kaufmann trägt sich mit dem Plan, durch möglichst genaue
Aufnahmen des Bestandes und seiner kunstgeschichtlichen
und epigraphisch - ikonographischen Details dieses dem
Verfall preisgegebene, grundlegende Material in die christ-
liche Archäologie Ägyptens einzugliedern. Viele der in
Betracht kommenden Monumente liegen am Wüstenrande
oder in der Wüste selbst, andere im Niltal, nur wenige
in durchaus fruchtbarer Umgebung wie die Ruinen von
Soba, der Hauptstadt des christlichen Reiches von Aloa
im äußersten Süden, ferner die christliche Niederlassung
bei Abu Dom und einige in Fayüm. Besonders groß ist
die Zahl der Nekropolen und Klosterruinen in Oberägypten,
die alle mehr oder weniger zerfallen sind. Auch gewisse
Felsengräber und Mausoleen wie die bei Abu Simbel, bei
Casr Ibrim und anderwärts kommen in Betracht. Die
große Oase beherbergt allein eine ganze alt-christliche
Totenstadt mit zahlreichen Gebäuden, Straßen und Mau-
soleen, von denen wir teilweise durch das nachgelassene
Werk de Bocks »Materiaux«, teilweise auch durch eine
Arbeit Kaufmanns über die Oasen-Nekropolis Kenntnis
haben. Es dürften demnach trotz der Forschungen Strzy-
gowskis, der ja die altchristliche Kunst des Orients erst
der Wissenschaft erschlossen hat, gerade in Ägypten der
Archäologie große und dankbare Aufgaben vorbehalten sein.
AUSSTELLUNGEN
Berlin. Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums ist
gegenwärtig die wertvolle Sammlung alter Bücher ausge-
stellt, die aus dem Besitz des verstorbenen Architekten
Hans Grisebach für die Bibliothek des Museums erworben
worden ist. Die Auswahl von etwa 1000 Bänden gibt an
vortrefflichen Beispielen eine Übersicht über die Ent-
wickelung der Buchkunst vom 15.—18. Jahrhundert. Von
der Gotik durch die Renaissance bis zum Rokoko- und
Zopfstil sind alle Wandlungen und alle wichtigen Länder
vertreten. Zu der Ausstellung ist von der Direktion ein
kurzer gedruckter Führer herausgegeben worden.
Bremen. Die erste Ausstellung des nordwestdeutschen
Künstlerbundes ist in der Kunsthalle eröffnet worden. Man
darf in dieser Veranstaltung ein bedeutsames Moment für
die Entwickelung unserer modernen deutschen Kunst sehen,
die, wie es scheint, sich immermehr nach territorial ge-
sonderten Gruppen zusammenschließen will. Bekanntlich
ist die Gründung der neuen Künstlervereinigung das Er-
gebnis verschiedener Besprechungen, die im Sommer 1905
zwischen Oldenburg, Worpswede, Bremen und Hamburg
stattfanden und zu Anfang dieses Jahres zur Gründung
eines großen nordwestdeutschen Verbandes geführt haben.
Die erste Ausstellung des Verbandes — der von jetzt an
Ausgrabungen und Funde — Archäologisches — Ausstellungen
140
Heimatstadt Vasto in den Abruzzen ein Denkmal errichtet
werden. Die Gemeinde hat bereits das Geburtshaus an-
gekauft und es sind die erforderlichen Mittel zur Errichtung
eines würdigen Monuments auf dem Marktplatz beinahe
zusammengebracht.
Prag. Die deutsche Sektion hat in ihrer letzten
Sitzung beschlossen, den für Wien bestimmt gewesenen
Nibelungen-Brunnen von Professor Franz Metzner ausführen
zu lassen. Derselbe soll nach seiner Vollendung, die un-
gefähr drei Jahre in Anspruch nehmen dürfte, in einem bis
dahin vollendeten Neubau der modernen Galerie in Prag
aufgestellt werden. Die Figur des Markgrafen Rüdiger
wird in Bronze und Marmor etwa 31/3 m hoch ausgeführt
werden und den schon für das Wiener Denkmal geplant
gewesenen Sockel mit dem Figurenfries der menschlichen
Leidenschaften erhalten.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Systematische Ausgrabungen an der Stätte des alten
Cumae (Kyme) in Campanien sollen vorgenommen werden;
und dafür hat sich infolge der Initiative des Liceo Moderno
in Neapel, aus dessen Kreis dieser Gedanke entsprungen
ist, ein Komitee gebildet. Das im 8. Jahrhundert v. Chr.
von Euboeischen Seefahrern aus Chalkis gegründete Cumae
— das von Ephoros gegebene Datum 1050 v. Chr. ist vom
Lokalpatriotismus des Historikers eingegeben — war die
älteste griechische Kolonie auf italienischem Boden und
spielte später eine große und wichtige Rolle. Von diesem
nördlichen Posten griechischer Zivilisation aus hat sich der
jonische Einfluß über ganz Mittelitalien verbreitet. Cumaes
Einfluß wich erst im 4. Jahrhundert dem Emporkommen
von Capua und im 2. Jahrhundert wurden die Einwohner
fast ganz nach Neapolis verpflanzt. Nachher blieb es
Provinzialstädtchen, würdig des Trimalchion Petrons, dessen
Gastmahl einige Gelehrte, worunter Mommsen, in diesem
Landstädtchen spielen lassen wollen. (Über Kyme siehe
jetzt auch Duhns, »Pompeji, eine hellenistische Stadt in
Italien«, S. 6 ff.) m.
Genf. In der Sammlung ägyptischer Papyri hat kürz-
lich Professor Jules Nicole mitten unter griechischen Texten
einen antiken lateinischen Führer durch Rom gefunden, der
ein Skulpturenverzeichnis für die Besucher der Weltstadt
enthält, das die griechischen Meisterwerke Roms nach den
Standorten aufzählt. Die Beschreibung gibt Hinweise auf
Gegenstände, Künstler, Ursprungsort usw. und bringt in-
teressante Mitteilungen über bisher noch nicht bekannte
Künstler und ergänzende Nachrichten über schon bekannte
griechische Bildhauer. Die Entdeckung dürfte in archäo-
logischen Fachkreisen Aufsehen erregen.
ARCHÄOLOGISCHES
Über die neue Niobide (siehe »Kunstchronik« vom
30. November, Sp. 104) sprach Furtwängler am 6. Dezember
in der Münchener kunstwissenschaftlichen Gesellschaft und
konnte den erstaunten Mitgliedern derselben das herrliche
in Rom neugefundene Stück durch das Skioptikon vorführen.
Der Fund dieser Antike von überwältigender Schönheit
bestätigt Furtwänglers, in den Sitzungsberichten der bayri-
schen Akademie (189g und 1902) vorgetragene Ansicht,
daß drei in der Glyptothek Ny-Carlsberg des Herrn Carl
Jacobsen zu Kopenhagen befindliche, ebenfalls aus Rom
stammende Figuren — nämlich ein Apollo, eine fliehende,
in Gewänder gehüllte Niobide und ein gefallener Niobide
— griechische Originale aus den Giebelfeldern irgend eines
unbekannten Apollotempels sind, die in der Kaiserzeit
nach Rom überführt worden seien. Denn, worauf schon
deutsche Gelehrte in Rom aufmerksam geworden sind
(siehe »Kunstchronik« Sp. 105 oben), gehört die neuge-
fundene Statue zu dem gleichen Giebel wie die drei
Jacobsenschen Figuren. Furtwängler setzt die Entstehung
dieser Komposition in die Mitte des 5. Jahrhunderts, eine
Ansicht, die wohl Widerspruch begegnen, aber am Ende
doch durchdringen wird. Die fast nackte vollentwickelte
weibliche Gestalt, die im Sommer in Rom gefunden wurde,
ist von überwältigender Schönheit. Kann man sie in so
frühe Zeit datieren, so wird durch dieses Analogon einer Dar-
stellung des nackten weiblichen Körpers auch der Esquili-
nischen Venus ihr bestrittenes griechisches Cinquecento-
Recht zuteil werden. m.
In der »Frkft. Ztg.« berichtet der Archäologe C. N.
Kaufmann über verschiedene Kulturdenkmäler aus dem
altchristlichen Ägypten, von denen eine ganze Reihe rettungs-
los dem Untergange preisgegeben ist, was um so bedauer-
licher erscheint, als die meisten von ihnen niemals von
einem Fachmann untersucht worden sind, trotzdem gerade
sie hervorragende Kulturzeugen einer auch historisch noch
unerschlossenen Periode des Pharaonenlandes darstellen.
Kaufmann trägt sich mit dem Plan, durch möglichst genaue
Aufnahmen des Bestandes und seiner kunstgeschichtlichen
und epigraphisch - ikonographischen Details dieses dem
Verfall preisgegebene, grundlegende Material in die christ-
liche Archäologie Ägyptens einzugliedern. Viele der in
Betracht kommenden Monumente liegen am Wüstenrande
oder in der Wüste selbst, andere im Niltal, nur wenige
in durchaus fruchtbarer Umgebung wie die Ruinen von
Soba, der Hauptstadt des christlichen Reiches von Aloa
im äußersten Süden, ferner die christliche Niederlassung
bei Abu Dom und einige in Fayüm. Besonders groß ist
die Zahl der Nekropolen und Klosterruinen in Oberägypten,
die alle mehr oder weniger zerfallen sind. Auch gewisse
Felsengräber und Mausoleen wie die bei Abu Simbel, bei
Casr Ibrim und anderwärts kommen in Betracht. Die
große Oase beherbergt allein eine ganze alt-christliche
Totenstadt mit zahlreichen Gebäuden, Straßen und Mau-
soleen, von denen wir teilweise durch das nachgelassene
Werk de Bocks »Materiaux«, teilweise auch durch eine
Arbeit Kaufmanns über die Oasen-Nekropolis Kenntnis
haben. Es dürften demnach trotz der Forschungen Strzy-
gowskis, der ja die altchristliche Kunst des Orients erst
der Wissenschaft erschlossen hat, gerade in Ägypten der
Archäologie große und dankbare Aufgaben vorbehalten sein.
AUSSTELLUNGEN
Berlin. Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums ist
gegenwärtig die wertvolle Sammlung alter Bücher ausge-
stellt, die aus dem Besitz des verstorbenen Architekten
Hans Grisebach für die Bibliothek des Museums erworben
worden ist. Die Auswahl von etwa 1000 Bänden gibt an
vortrefflichen Beispielen eine Übersicht über die Ent-
wickelung der Buchkunst vom 15.—18. Jahrhundert. Von
der Gotik durch die Renaissance bis zum Rokoko- und
Zopfstil sind alle Wandlungen und alle wichtigen Länder
vertreten. Zu der Ausstellung ist von der Direktion ein
kurzer gedruckter Führer herausgegeben worden.
Bremen. Die erste Ausstellung des nordwestdeutschen
Künstlerbundes ist in der Kunsthalle eröffnet worden. Man
darf in dieser Veranstaltung ein bedeutsames Moment für
die Entwickelung unserer modernen deutschen Kunst sehen,
die, wie es scheint, sich immermehr nach territorial ge-
sonderten Gruppen zusammenschließen will. Bekanntlich
ist die Gründung der neuen Künstlervereinigung das Er-
gebnis verschiedener Besprechungen, die im Sommer 1905
zwischen Oldenburg, Worpswede, Bremen und Hamburg
stattfanden und zu Anfang dieses Jahres zur Gründung
eines großen nordwestdeutschen Verbandes geführt haben.
Die erste Ausstellung des Verbandes — der von jetzt an