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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Sievers, J.: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0082

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 10. 28. Dezember

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

BERLINER AUSSTELLUNGEN

Bei Cassirer ist dieser Tage die Schwarz-Weiß-
Ausstellung der Sezession eröffnet worden. Der Katalog
enthält 285 Nummern, darunter neben Zeichnungen, Litho-
graphien und Radierungen noch 14 Skulpturen. Zur Ver-
einfachung der geschäftlichen Seite des Unternehmens ist
in diesem Verzeichnis jedem Objekt der Verkaufspreis bei-
gefügt. — Im ersten Zimmer mit wenigen Ausnahmen nur
Arbeiten jüngerer Kräfte, ohne großen Namen aber mit
viel Wollen und Können. Von dem Böhmen Karl Thie-
mann ein farbenfrischer Holzschnitt, ein grünes Haus mit
rotem Dach, von Wilhelm Jordan-Berlin unter anderem
die Bildnisskizze einer alten Dame und eine flott gezeich-
nete Balletteuse. Eine in ihren zart grauvioletten Tönen
recht ansprechende Lithographie »Verlassene Frau« hat
Frieda Kretschmann-Winckelmann gesandt. Unter den
Landschaften fällt eine Radierung von Ernst Gabler-Stutt-
gart »Vorfrühling«, die das Sprossende in der Natur fein-
fühlig zum Ausdruck bringt, sowie von Alex. Hoffmann-
Lauenburg ein weiter »Blick über das Müglitztal « auf —
eine tüchtige Zeichnung in der Art H. v. Volkmanns.
Gründliches Studium japanischer Kunst bekunden zwei
besonders farbig äußerst geschmackvolle Lithographien
des jungen in Paris vorgebildeten Berliners Robert L.
Leonard. Das eine — Putzmacherinnen zwischen Hüten
und Hutkartons bei der Arbeit, — das zweite, noch feinere,
ein »Atelier-Interieur« mit zwei eleganten Damen, deren
eine sich niederbeugt, um einen am Boden liegenden Holz-
schnitt zu betrachten. Ein drittes Blatt Leonards an an-
derer Stelle »Kinder beim Frühstück« ist zwar in Farbe
wie Zeichnung weniger ausgeglichen, zeigt aber vielleicht
eine selbständigere Auffassung. Der Russe Kandinsky hat eine
Reihe von Arbeiten ausgestellt, in denen kräftige, unge-
brochene Farben, besonders rot und grün, sich wirkungs-
voll von einem schwarzen Grunde abheben. Eine Manier,
die für Plakatzwecke gewiß recht vorteilhaft ist, die aber
hier bei mehrfacher bildmäßiger Anwendung ermüdet.
Wenig befriedigen können zwei große farbig angelegte
Zeichnungen von Finetti — »Volksredner in einem Theater«
und eine »Straße« —, ebensowenig vermag Mathilde
Tardif mit einigen farbig ganz geschickten Blättern, deren
Humor aber ein wenig abgestanden schmeckt, tiefer zu
interessieren. Äußerst lebensvoll sind ein paar sicher ge-
zeichnete Porträtköpfe John Höxters, der mit hart neben-
einander gesetzten schwarzen und weißen Flächen auf
einige Distanz gute Effekte erzielt. Sehr hübsch eine
Zeichnung »Im Park« von Hans Hartig-Berlin: ein Haus,
das aus Bäumen und blühenden Büschen hervorlugt.
Schließlich eine schöne duftige Lithographie H. v. Volk-
manns »Burg Bürresheim«.

Das zweite kleine Zimmer enthält ausschließlich Ar-

beiten Vincent van Goghs, hauptsächlich Landschaften,
Blicke auf Gärten, Felder und ferne Ortschaften. Es ist
erstaunlich, was der Künstler mit seinen so ungefügen
Ausdrucksmitteln, den groben Haken, Strichen und Punkten
erreicht hat, wie es ihm damit überraschend gelingt,
das Stoffliche seines Gegenstandes zu charakterisieren.
In dieser Beziehung verblüfft z. B. ein Blatt mit efeu-
umwucherten Stämmen ganz besonders. Ungemein groß-
gesehen sind einige Flachlandschaften mit gräbendurch-
schnittenen Feldern, in der Ferne im Buschwerk halb ver-
steckt die Häuser von Arles, oder eine Ansicht des gleichen
Ortes mit der strahlenden Sonnenscheibe dahinter. In dem
einzigen bunt angelegten Blatt »Park« dürfte diese harte
Technik weniger am Platze sein.

Mehrere in der Wandtäfelung des Lesezimmers unter-
gebrachte Arbeiten von M. Pechstein-Dresden sind ein
bißchen gar zu schwach in der Zeichnung. — Nun in den
vierten, großen Raum. Zur Rechten drei farbige Zeich-
nungen von Julie Wolfthorn; auf dunklem, stumpfem Grunde
sind die hellen Farben der Kostüme zu geschmackvoller
Wirkung gebracht. Von einer zweiten bekannten Künst-
lerin, von Dora Hitz, verschiedene Arbeiten, unter denen
die Kohleskizze eines kleinen am Boden sitzenden Mädchens
durch den ungemein sicheren, markigen Vortrag auffällt.
Daneben einige prächtige Lithographien H. v. Volkmanns,
die still und ausgeglichen wie stets, auch immer gern ge-
sehen sind. Vor allem ist ein Blättchen — weidende
Gänse bei einem Heuschober, alles von lichter Sonne über-
gössen —, äußerst reizvoll. Frische Studien von der Ost-
seeküste hat Ulrich Hübner gesandt, Arbeiten nach denen
allein freilich der feinsinnige Künstler, der in erster Linie
Maler ist, nicht beurteilt werden darf. Ahnliches gilt von
Leistikow, worüber man sich mehr verwundern mag; steckt
doch in seinen Gemälden ein gut Stück stilisierender
Zeichnungskunst. Die glücklichste Schöpfung seiner Hand
scheint mir eine kleine Skizze — ein Landhaus unter
Bäumen — zu sein. Die Münchener sind durch drei herz-
lich trockene Aktfiguren Stucks wenig günstig vertreten.
In Käthe Kollwitz' Arbeiten daneben braust ein anderes
Leben, wenn auch das ausgestellte Material ungleichwertig
ist. Einige der wuchtigen Blätter zum »Bauernkrieg« be-
dürfen keines Kommentars mehr. Außer ihnen noch
einige Akte, stets in gleicher Weise verblüffend durch die
Bestimmtheit des Striches und ihre malerisch wie plastisch
ebenso vortreffliche Wirkung. Von Corinth eine kraftvolle
Kohlestudie, darstellend den SchausDieler Rittner in der
Rolle des Florian Geyer und die äußerst lebendig gezeich-
nete, leicht mit Weiß angelegte Skizze eines Mädchens,
das sich zum Bade entkleidet. Zu dem bekannten Bild
»Die Kindheit des Zeus« famos beobachtete Studien eines
drollig-ungelenken Kindes. Unter den Radierungen ein
sehr feiner weiblicher Akt, wogegen ich dem großen Blatt
 
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