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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Koegler, Hans: Vorläufiger Bericht über neue Blätter des Meisters D. S.
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Florentiner Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0155

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Florentiner Brief

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an dem Wappen des Doktor Adam (von Müllenberg),
Rektors der Basler Universität von 1509 auf 1510, in
der Basler Matrikel besitzen. Das Wappen wird von
einer links stehenden nackten Frau, die nur mit hoher
prächtiger Haube bekleidet ist, gehalten.

Werden so die Nachweise der Tätigkeit des
Meisters D. S. in Basel zwischen 1499 und ungefähr
der Hälfte des zweiten Dezenniums des 16. Jahrhunderts
immer häufiger, so will mir auch scheinen, es gäbe
Winke dafür, daß die Wurzeln seiner Kunst zu dem
Kreis der Bilderchroniken hinüber führen mögen, die
durch die Tätigkeit des Diebold Schilling ins Leben
gerufen wurden, neben dem Spiezer Schilling be-
sonders zu dem dritten Band der Diebold Schilling-
schen amtlichen Bernerchronik. Ob sich aber wirk-
lich ein Schulzusammenhang annehmen läßt, hoffe ich
in einer ausführlicheren Studie über den Meister D. S.
noch zu untersuchen x).

Februar 1907. HANS KOEOLER.

FLORENTINER BRIEF

Vor mehr als zwei Jahren schrieb ich an dieser
Stelle (Kunstchronik vom 8. Dezember 1905) über
den Anfang der Reinigung der Ghirlandajo-Fresken
in Santa Maria Novella; ich äußerte die Hoff-
nung, daß sie sich binnen kurzem in alter Farben-
schönheit dem Auge präsentieren würden. Leider
habe ich mich als schlechten Propheten erwiesen: bis
zum heutigen Tage ist absolut nichts geschehen, und
der einzige Erfolg ist der gewesen, daß innerhalb
dieser Zeitspanne viele Fremde mit traurigen Mienen
vor den Gerüsten gestanden haben und von Florenz
fortgegangen sind, ohne Ghirlandajos Hauptwerk ge-
sehen zu haben.

Über das, was in der Zwischenzeit geschehen ist,
die Beratungen der Kommission, die Gutachten der
mit der Reinigung beauftragten Künstler (Domenico
und Filippo Fiscali) unterrichtet ganz knapp und zu-
gleich erschöpfend ein Aufsatz von Giovanni Poggi
(im »Marzocco« vom 23. Dezember 1906). Es ist
darin mitgeteilt, daß nach verschiedenen Gutachten
endlich im Mai 1906 Corrado Ricci und L. Cave-
naghi (der eminente Mailänder Restaurator) der Zen-
tralkommission vorschlugen: man müsse von einer
großen Reinigung absehen, da die Fresken gelegent-
lich von Ghirlandajo al secco übergangen sind; da-
gegen sollten die sich lösenden Teile festgemacht
und die Fresken ganz vorsichtig abgestaubt werden;
nur dort, wo sich infolge des angewandten Leims
Schimmel gebildet habe, dürfe man einen feuchten
Schwamm (mit größter Vorsicht natürlich) anwenden.
Trotzdem dieser einwandfreie Vorschlag die Zustim-
mung der Kommission und des Ministeriums fand,
ist nichts geschehen. Die Gerüste verdecken nach
wie vor den Chor von Santa Maria Novella.

Das hat sein Ärgerliches, ist aber nicht das
Schlimmste. Dieses besteht vielmehr in dem unbe-

1) Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß der Ver-
fasser seit langem an einer ausführlichen Geschichte des
Basler Holzschnittes von Anfang bis 1550 arbeitet.

greiflichen Hinziehen einer so wichtigen Aufgabe, die
keinen Aufschub leidet. Wie eine Besichtigung vom
Gerüst aus lehrt, ziehen sich große und gelegentlich
Zentimeter breite Sprünge durch die Wände; wichtige
Stücke der Fresken sind von solchen Rissen umgeben;
eine Erderschütterung zum Beispiel könnte sie zum
Herabstürzen bringen. Daß diese Risse ausgefüllt
werden müssen, und zwar schleunigst, darüber kann
kein Zweifel bestehen. Es ist die erste und dring-
lichste Aufgabe. Ist sie erfüllt, so sollte man an das
Abstauben gehen, das nur allein die alte Farbenpracht
wiedergeben kann; und vom Schwamm sollte man
am besten gar keinen Gebrauch machen. Aber wo-
für man sich endlich entscheiden wird, immer sei
man eingedenk: periculum in mora. Das Festmachen
der bedrohten Stücke darf keinen Aufschub erleiden,
denn hier handelt es sich um kostbares Gut der
Florentiner Kunst. —

In derselben Korrespondenz hatte ich von den
Trambahnprojekten gesprochen: sie sind genau so
zur Ausführung gekommen, wie man es gefürchtet
hat. Rings um das Baptisterium und den Dom laufen
jetzt die Schienen; man hat keine Unterleitung an-
gemeldet: die einzige Rücksicht, die man walten ließ,
ist, daß man »Del San Giovanni« vor Eisenhaken
zum Festmachen der Drähte verschont hat. Ebenso
Or San Michele. Wie schön sich die Drähte rings
um die durch Alter, Bestimmung und Kunst geheiligten
Monumente ausnahmen, das sich auszumalen über-
lasse ich der Phantasie jedes einzelnen.

Gern verlasse ich so unfrohe Dinge, für deren Be-
zeichnung man nur superlativisch scharfe Worte brau-
chen könnte, und gehe zu den Sammlungen und deren
Vermehrung über. Über die Neuerwerbungen für die
Uffizien berichtet das eben ausgegebene zweite Heft
der offiziellen neuen Zeitschrift »Bollettino d'Arti«,
woselbst man auch die Abbildungen findet (S. 25 ff.).
Von anderen, früher von mir hier besprochenen Bil-
dern abgesehen, sind neu hinzugekommen: eine hei-
lige Familie, dem Cariani zugeschrieben, eine Fuß-
waschung von Sebastiani Ricci und zwei Landschaften
des jungen Canaletto (Bernardo Bellotto). Dieselbe
venezianische Abteilung der Galerie erhält einen er-
freulichen Zuwachs durch ein mythologisches Bild
des geistvollen Carpioni, das durch verständige Rei-
nigung erst wirklich ein wertvolles Bild der Samm-
lung wird.

Endlich wurde ein Tabernakel mit der Madonna
und dem Kruzifixus in der Lünette darüber von einem
Schüler des Fra Filippo erworben.

Im Bargello hat Supino vor seinem Scheiden nach
Bologna einige neu erworbene Stücke im Saal der
Terrakotten im zweiten Stock — wo als Hauptstück
Verrocchios Madonna aus Santa Maria Nuova sich
befindet — aufgestellt: ein interessantes Madonnen-
relief, früher in der Sammlung Gozzadini in Bologna,
von einem Schüler des Donatello, durch scharfe, klare
Form ausgezeichnet, und zwei Statuetten, Moses und
Aron darstellend, von dem Schüler des Giambologna
Pietro Francavilla, die Originalmodelle für die Statuen
der Cappella Niccolini in Santa Croce.
 
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