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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0177

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335

Vermischtes

336

sehr häufig findet als Grabkapelle für Märtyrer oder für
Familien. In Italien ist das schönste Beispiel solcher An-
lagen das Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna, und
ungefähr in diese Zeit ist das Kirchlein von Casaranello
zu setzen, besonders weil auch der bildliche Schmuck
stilistisch in diese Zeit gehört.

Was das Langschiff betrifft, so sieht man unter der
späten Tünche Malereien aus dem 14. Jahrhundert (das
Bild Urbans VI., des Vorgängers Bonifaz' IX.) und andere
aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, so daß man wohl an-
nehmen kann, daß das Langhaus aus dieser Zeit stamme.
Die Dekoration der älteren Kirche statt dessen ist in
Mosaiktechnik ausgeführt und ist, wenn, auch arg be-
schädigt, an der Kuppel, den Tonnengewölben und zum
Teil an der Chorwand erhalten. Die Würfel des Mosaiks
sind sehr klein und man sieht keinen einzigen goldenen
darunter. In der Mitte der Kuppel ist ein gelbes lateini-
sches Kreuz in einer meergrünen Scheibe, um die sich das
dunkelblaue Firmament zieht. Fünf Reihen sechsstrahliger
weißgelber Sterne umgeben das Kreuz und das Ganze ist
von dem kreisrunden Regenbogen abgeschlossen. Die
Zwickel sind mit großen Akanthusblättern und Blumen ge-
schmückt, auf den Bogengurten sind Blutnenguirlanden
angebracht, und ein Fries mit Edelsteinen und Perlen
zieht sich an den Zwickeln entlang. Das Tonnengewölbe
des Chors ist in drei Felder geteilt, von fünf Ornament-
streifen mit Flechtmotiven, Perlen und laufenden Hunden
umgeben. Im Mittelfeld sind Flechtbänder, welche kleinere
Felder mit Darstellungen aus dem Tier- und Pflanzenreich
enthalten, die alle sehr lebendig und naturalistisch dar-
gestellt sind: ein Kaninchen, ein Wasservogel, zwei Enten,
Weintrauben usw. Die anderen Felder enthalten Schuppen-
muster. Die Ähnlichkeit dieser Mosaiken mit denen von
S. Costanza, von der Vorhalle des Constantinischen
Baptisteriums und besonders mit denen des Grabmals der
Galla Placidia ist so groß, daß Dr. Haseloff mit Recht
glaubt, die ganze musivische Dekoration der kleinen Kirche
dem Ende des 5. oder höchstens dem 6. Jahrhundert zu-
schreiben zu können. Ein wichtiger Unterschied zwischen
dem Kuppelmosaik von Galla Placidia und diesem von
Casaranello besteht in den zwei Zonen des Himmels, der
meergrünen mit dem Kreuz und der äußeren tiefblauen.
Dr. Haseloff deutet dies auf den Unterschied, den die
Orientalen zwischen dem richtigen Himmel und dem darunter-
stehenden Firmamente machten. Natürlich war in dem
südlichen Städtchen der orientalische Einfluß sehr stark
und hat sich in dieser ikonographischen Form deutlich
gezeigt. Federico Hermanin.

VERMISCHTES
Kirchliche Monumentalmalerei. Eine Rede des
Professor Dr. Clemen, die er über dieses Thema kürzlich
im rheinischen Provinziallandtag gehalten hat, erregt in
den Rheinlanden großes Aufsehen. Herr Professor Clemen
hat (nach der Kölnischen Zeitung) folgendes gesagt: »Das
Niveau dieser Kirchenausmalungen ist in den letzten zwanzig
Jahren eher schlechter als besser geworden. Es fehlt in
dem eigentlichen Stamm der Kirchenmaler an künstlerisch
allseitig geschulten Kräften, die auch das ornamentale Ge-
biet beherrschen; es fehlt an Verständnis für die Gesetze
der monumentalen Dekoration, die auf den architektonischen
Rahmen Rücksicht nimmt, es fehlt in verletzender Weise
an koloristischem Sinn und an Gefühl für malerische
Stimmung. Man kann sehr wohl lebhafte klare Töne
lieben, man darf aber einen solchen energischen Farben-

akkord nicht ersetzen wollen durch grelle Buntscheckigkeit.
Am schlimmsten sieht es aber auf dem figürlichen Gebiete
aus. Es sind hier in rein äußerlicher Nachahmung der
alten Stilformen ohne Verständnis für die innere Bedingt-
heit während der letzten Jahrzehnte in einer ganzen Reihe
unserer Kirchen, in alten und in neuen, Einzelfiguren und
Zyklen entstanden, die in der künstlerischen Roheit und
Ausdruckslosigkeit einen geradezu erschreckenden Tiefstand
des künstlerischen Könnens zeigen. Die Ausmalung der
Kirche von St. Andreas in Köln ist nur ein Beispiel. Diese
grotesken Figuren, die mehr Kartenkönigen, als den ehr-
würdigen Heiligengestalten unserer Vorstellung gleichen,
können unmöglich erbaulich wirken. Sie müssen den un-
befangenen Laien abstoßen und jedes künstlerische Auge
beleidigen. Sie sind vor allem geeignet, den Ruf der
öffentlichen Kunstübung in den Rheinlanden, in dem In-
land und in dem Ausland in der ärgerlichsten Weise bloß-
zustellen. Es ist ein geringer Trost und eine schlechtere
Entschuldigung, daß man sagt: in den Nachbarprovinzen
sieht es ähnlich aus — oder schlimmer. Dann sollte eben
die Rheinprovinz als das älteste Kunstland der preußischen
Monarchie, die Provinz, die dank der nicht nachlassenden
Freigebigkeit des Provinziallandtages auf dem Gebiete der
Denkmalpflege eine führende Rolle beanspruchen darf, auch
am ehesten Schritte tun, um diesem Übelstand entgegen-
zuarbeiten. Peccatur extra et intra muros. Wenn auf der
einen Seite ein so jämmerlicher Tiefstand des Zeichnen-
könnens vorliegt neben ganz gutem ornamentalem und
dekorativem Können, so sehen wir auf der anderen Seite
neben unvergleichlich größeren künstlerischen Qualitäten
auf figürlichem Gebiet ein Mißverstehen eben dieser deko-
rativen Forderungen.« Hiergegen wendet sich die Düssel-
dorfer Zeitung wie folgt: »Professor Clemen spricht von
einem geradezu erschreckenden Tiefstand des künstlerischen
Könnens in einer ganzen Reihe von Kirchen, alten und
neuen. Er erhebt die schwere Anklage: ,Es fehlt in dein
eigentlichen Stamme der Kirchenmaler an künstlerisch all-
seitig geschulten Kräften, die auch das ornamentale Ge-
biet beherrschen'. Dieser Satz ist ein Schlag ins Gesicht
der Düsseldorfer Akademie. Die Düsseldorfer Akademie
ist die einzige Kunstzentrale des ganzen Nordwestens
Deutschlands. Sie allein als einzige amtliche Anstalt hat
den offiziellen Beruf, den Nachwuchs zu bilden, der die
großen künstlerischen Aufgaben in den profanen Monu-
mentalbauten und in den Kirchen auszuführen berufen ist,
wenn es sich nicht um einen mehr oder weniger künstle-
rischen Anstrich, sondern um wahrhaft künstlerische Aus-
gestaltung handelt. Wenn also im Rheinland und West-
falen die von Professor Clemen berührten traurigen Zu-
stände bestehen und diese Zustände begründet werden
mit dem Fehlen allseitig geschulter Kräfte, so wird davon
einzig und ausschließlich die Düsseldorfer Akademie ge-
troffen . . . Die Stadt Düsseldorf und die Akademie im
besonderen haben allen Grund, gegenüber solchen Wor-
ten des Professors Clemen ernsten Protest einzulegen.«

Der Kunstverein für die Rheinlande und West
falen teilt in seinem Jahresbericht für 1906 mit, daß für
die Herstellung von Kunstwerken zu öffentlicher Be-
stimmung 27635 Mark und für den Ankauf von Kunst-
werken zur Verlosung 54563 Mark ausgegeben wurden.

Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in

Wien hat den Radierer Ferdinand Schmutzer mit der Aus-
führung eines großen Prämienblattes für das Jahr 1907
betraut.

Inhalt: Die Schongauer in Leipzig. — Karl Gussow f; Julius Mante f; Wilhelm Rohr f; Adolf Seel t; Christoph Roth t- — Personalnachrichten. —
Torniamenlisches Reisestipendium. — Freskenzyklus entdeckt. — Rom, Vortrag von Prof. Rodolfo Lanciani; Der Einfluß der alten Bühnen-
architektur auf die Kunst. — Die 3. deutsche Kunstgewerbeausstellung in Dresden. — Schenkung einer Gemäldegalerie an die Stadt Mainz. —
Wiener kunsthistor. Hofmuseum; Westfäl. Landeimuseum; Münchener Sezessionsgalerie. — Meisteratelier für Bildhauerei. — Rom, Kaiserl.
deutsches archäolog. Institut. — Kirchl. Monumentalmalerei; Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen; Gesellschaft f. vervielf. Kunst.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
 
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