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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Wolf, August: VII. internationale Kunstausstellung in Venedig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0221

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VII. Internationale Kunstausstellung in Venedig

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nur manches geändert worden in den Internationalen
Sälen. Völlig neu dagegen ist der Römische Saal,
ebenso haben Norwegen, diesmal natürlich von
Schweden getrennt, der Wiener Hagenbund, sowie
die Venezianer sich neue glänzende Räume geschaffen.
Der Hagenband stellt im glänzendsten Licht auf
silbergrauen Wänden die gleichmäßig umrahmten
Gemälde aus. Die Silberstreifen dieser Umrahmung
machen eine ungemein eigentümliche und vornehme
Wirkung. Norwegen empfängt in kühlem Graublau
mit grasgrün bestrichenem skulpierten Friese und
ebensolchem Sockel, Stühlen und Tischen. Alles
dieses von Munthe erfunden. Schweden, wie das
vorige Mal hellsilbergrau, mit blendendem Weiß.
Sartorios Wandmalereien des großen Empfangssaales
sind als Hochreliefs gedacht, welche scheinbar in die
Wände eingelassen und von goldenen Zierleisten
umgeben sind. Der zartgelbliche Ton der Wand-
flächen mit den vergoldeten Pilasterkapitälen und
Friesornamenten kontrastiert hier mit den in zartem
Sepiabraun gehaltenen Figuren. In fast unentwirr-
baren reichbewegten Gruppen jugendlicher, fast aus-
schließlich nackter Gestalten sucht der Künstler den
Kampf des Lichtes mit der Finsternis, den Streit des
Edelsten in der Menschennatur mit den bösen Ge-
walten darzustellen. Allüberall zeigt er sich als großer
Meister der Zeichnung und wunderbar plastischer
Modellierung. Auffallend bleibt nur, daß er bei den
üppigen Darstellungen all dieser Menschenleiber das-
jenige Lebensalter gewählt hat, welches der Entwicke-
lung knapp vorausgeht, und die diesem Lebensalter
eigene Magerkeit besonders der kleinen halberwach-
senen Mädchen zu skeletthafter, oft erschreckender
Manier gesteigert hat. Trotz allem zwingt er uns
zur Bewunderung einer solch gewaltigen Leistung
gegenüber. Nur wenige Plastik ist in diesem Räume
aufgestellt: so der Denker von Rodin in der Mitte,
die Badende, Bronze von Klinger, Säemann von
Felici, Mutterglück von Meunier. Den deutschen
Saal, der einen sehr würdigen Eindruck macht, zieren
die hervorragenden Leistungen Zügels, des Eugen
Bracht, drei Gemälde, welche der Eisenindustrie ge-
weihte Gebiete schildern mit all ihren Kaminen und
schwerster Maschinenarbeit; Dettmann mit zwei Bil-
dern. Das schon von München her bekannte Familien-
bild von Knlrr erfreut auch hier durch die reizenden
nackten Kinder mit ihrer so liebenswürdigen Mutter;
alles im feinsten Ton gehalten, Leistikow wie immer
hochinteressant, sowie A. Münzer mit einer lebens-
großen, ruhig stehenden Nackten, welche im Waldes-
schatten mit all jener Zurückhaltung und Breite der
Mache dargestellt ist, wie sie sonst nur Trübner eigen
ist. Schuster-Woldan hat seinen »Pfeifer von Harleme«
geschickt mit den so reizenden Kindertypen, Block
eine sehr hübsche Nackte mit Spiegel, v. Haber-
mann mehr als je hart und ungenießbar in dem
Porträt einer Dame in Weiß. — Die Österreicher
füllen zwei Räume. In dem einen, mit den Werken
älterer Meister, glänzt Angeli mit zwei Porträts, Ldszlö
mit demjenigen Sonnenthals, einem prächtigen weib-
lichen Studienkopf und dem Porträt seiner Frau mit

Violine. Von unglaublicher Schärfe der Beobach-
tung des Rassentypus das große Porträt des Grafen
E. Dziednszycki von Pochwalsky. In der Weise der
feinsten Niederländer eine äpfelschälende Frau in
halbbeleuchtetem Räume von V. Scharf. Vortrefflich
ist das große dreiteilige Bild von A. Adams »Von
der Wiege bis zum Tod« in seiner dem ergreifenden
Gegenstande entsprechenden tiefen Farbe, ebenso das
größte Bild dieser österreichischen Abteilung: »Nach
dem Tiroler Friedensschluß« von Egger-Lienz. Höchst
anziehend die der Kleinmalerei angehörigen feinen
Bilder von Isidor Kaufmann. Direkt an Lorenzo di
Credi erinnert der Knabe mit den Emblemen des
Laubhüttenfestes, sowie der Vorsänger, das »Innere
einer alten Synagoge«. Man freut sich, daß jemand
noch den Mut hat, so ins Kleine zu gehen, ohne
irgendwie die Stimmung des Ganzen zu opfern. Von
A. Kaufmann eine wundervolle Herbststimmung: Ein
Herrensitz mitten im Walde.

In schroffem Gegensatz zu der ruhigen tiefgoldigen
Stimmung dieses feinen Saales steht die Ausstellung
des Hagenbundes. Von blendendem Lichte ist der
silbergrau tapezierte Raum durchflutet mit seinen, alle
gleichmäßig in Silberleisten gefaßten, eigentümlichen
Bildern. Es fällt schwer, das Absonderliche, Unbe-
greifliche zu übergehen, an dem es hier nicht fehlt.
Vor allem zieht das Bildnis in ganzer Figur des
chinesischen Gesandten in Wien durch sein National-
kostüm von L. Graf die Blicke auf sich, sowie die
prächtige tiefgestimmte Landschaft von Raoul Frank.
Wie hier ist in manchem des Ausgestellten Bedeuten-
des erreicht, ja manchmal sind trotz eigensinnigster
Versteifung auf ungewohnte, ja absurde Technik die
feinsten Wirkungen erzielt worden, so z. B. in dem
reizenden Bilde von W. Hampel: der Zwerg und das
Mädchen, wo besonders der Kopf der schönen Nackten
von bezauberndem Reize ist. Aus den drei Bildern
von A. Roth spricht ein edler Künstlergeist bei
schönster Zeichnung trotz der zerzausten, gestreiften
Pinselführung. Ohne diese würden diese so schön
gefühlten Gestalten zu noch viel höherer Wirkung
kommen. Bewundernswert sind die kleinen Holz-
skulpturen von F. Barwig, welcher alles auf das rein
Schematische der Form zurückführt und mit der er-
staunlichsten Sicherheit eine noch nie gesehene
Flächenbehandlung anwendet. Die Pelikangruppe,
die Vagabunden und andere wird man nicht müde
zu betrachten. Es bleibt zu bedauern, daß Österreich
im großen Ganzen die Ausstellung so spärlich be-
schickt hat, denn auch in den Internationalen Sälen
ist wenig; und doch wird auch diese Ausstellung für
Verkäufe ein außergewöhnliches Resultat erzielen. —
Unter allen Ausstellungsobjekten ziehen die sechs
großen Porträts Sargents die meiste Aufmerksamkeit
auf sich. Sie sind der Glanzpunkt des Englischen
Saales.

Die dekorativen Malereien F. Brangwyns, welche
die obere Zone dieses ganz einfach grau gehaltenen
Raumes bedecken, kommen den genannten mächtigen
Frauenbildnissen Sargents ungemein zustatten. Die
wuchtige Klobigkeit ersterer läßt das Hocharistokra-
 
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