Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

DOI Artikel:
Gronau, Georg: Die Ausstellung alter Kunst in Perugia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0235

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
45i

Die Ausstellung alter Kunst in Perugia

452

den Pilastern, vollsigniert und datiert 1403 5. Mai;
aus dem Palazzo Municipale von Pietralunga.

Alles, was diese anmutreiche umbrische Landschaft
an Herbheit aufzubringen imstande gewesen ist, scheint
in dem einen Niccolö da Foligno konzentriert zu sein.
Seinem reichen, weit verstreuten Schaffen war der
große Hauptsaal der Ausstellung eingeräumt: man
hatte die Mühe nicht gescheut, zwei seiner kolossalsten,
vielgliedrigen Altarwerke im originalen, reichen Rahmen-
werk hinzuschaffen. Es ist ein stattlicher Anblick,
zumal die Mitte des Raumes eine geräumige Vitrine
mit kostbaren Reliquiarien einnimmt, und eine Fülle
herrlicher Antependien in altem Sammet und Brokat
und mit schimmernden Stickereien gezierte Kirchen-
gewänder dem Auge Abwechslung bieten.

Zur Ergänzung und Erläuterung aber dienten in
diesem Saal einmal eine entzückende kleine »Ver-
mählung der heiligen Katharina«, ein vollsigniertes
Werk Gozzolis von 1466, von einer fast unglaublichen
Schönheit der Erhaltung (Pinakothek von Terni) —
von Gozzoli ferner in einem anderen Saale eine
große Verkündigung, eng sich in den Formen an
Fra Angelico anschließend, dieses Bild jedoch sehr
mitgenommen (Terni, Municipio) — und eine Madonna
mit zwei Heiligen von Alunnos angeblichem ersten
Lehrer Bartolommeo di Tommaso von Foligno (aus
der Chiesa San Salvatore daselbst).

Die Kunst Niccolos selbst war in allen ihren
Phasen ausgezeichnet durch bekannte Hauptwerke
dargestellt, über deren Einzelheiten man alles Not-
wendige bei Crowe und Cavalcaselle (IV, Seite 137 ff.)
verzeichnet findet. Daher mag es mit einer trockenen
Aufzählung genug sein: die Verehrung des Kindes
durch Engel und die Heiligen Bernhardin und Fran-
ziskus ausDeruta von 1458, von ebendaher die beider-
seitig bemalte Kirchenfahne, das gewaltige Gebäude
der Polyptychons aus Gualdo Tadino von 1471, das
vielteilige Altarbild der Kathedrale von Nocera von
1482 oder 1483 (die letzte Zahl nicht genau zu
unterscheiden), von 1482 eine Madonna zwischen
Johannes und Sebastian (S. Giovanni in Cannara;
fehlt bei Crowe und Cavalcaselle), endlich das Po-
lyptychon, wiederum von ganz ungewöhnlichen Di-
mensionen, aus Santa Croce in La Bastia, von 1499.
Dazu kommen die undatierten Stücke: Maria und
Johannes zu Füßen des in Holz geschnitzten Kruzi-
fixes, mit merkwürdiger impressionistischer Land-
schaft (Foligno, Dom), das durch abstoßende Häß-
lichkeit grotesk wirkende Martyrium des heiligen
Bartolomäus (Chiesa di S. Bartolommeo bei Foligno)
und die Krönung Mariä aus San Niccolö von Foligno,
wo der links knieende heilige Antonius geradezu von
Bartolommeo della Gatta entlehnt zu sein scheint
(vergleiche dessen Bild in Cortona).

Eine dritte der umbrischen Lokalschulen repräsen-
tierten die Werke des Matteo da Gualdo. Von diesem
hat die Munizipalsammlung seiner Vaterstadt zwei
signierte Altarwerke der Madonna mit Heiligen, von
1462 und 1471, gesandt, wozu eine recht interessante,
crivelleske Verkündigung (ebendaher), ein Triptychon
aus San Pietro zu Assisi, ein anderes mit der Himmel-

fahrt aus dem Arcivescovado von Spoleto, ein Stamm-
baum Mariens, aus Adam emporwachsend, der Con-
fraternitä di Santa Maria in Gualdo, ein abgenommenes
Fresko und anderes kamen. Man lernte hier die
weitere Ausbildung und Entartung des von Boccati
da Camerino inaugurierten Stiles kennen.

Dahingegen fehlte die Schule von San Severino
so gut wie ganz, denn die merkwürdig großzügige,
herbe »Krönung Mariä« (Besitzer Galli-Dun, Rom)
konnte dem Lorenzo II nur dubitativ gegeben werden.

Gehen wir nun zur Kunst der Hauptstadt selbst
über, so wird hier zunächst das Interesse durch eine
Art kleiner Sonderausstellung einer umbrischen Spe-
zialität, der Pestgonfaloni, in Anspruch genommen.
Sie zeigen mit einigen Varianten die typische Form,
daß die Jungfrau Maria die Einwohner einer Stadt
vor dem Zorn und der Strafe Gottes beschirmt, für
sie interveniert und die tödlichen Pfeile unschädlich
macht. Unten im Vordergrund stets das Konterfei
des betreffenden Ortes mit den ragenden Türmen.
Diese Bilder sind, mit Temperafarben auf dünner
Leinwand gemalt, durchgängig stark beschädigt, aber
kulturgeschichtlich äußerst interessant und zum Teil
von guten Meistern, wie von Bonfigli oder wenigstens
in seiner Werkstatt gemalt. Wer sich über diese be-
sondere Gruppe unterrichten will, sei auf den instruk-
tiven Aufsatz von Walter Bombe, des um die Aus-
stellung vielfältig verdienten, besten deutschen Kenners
umbrischer Malerei, verwiesen, »Gonfaloni Umbri«,
der im ersten Heft des zweiten Jahrgangs der Zeit-
schrift »Augusta Perusia« (1907) publiziert worden
ist (auch als Separatabdruck erschienen).

Für eine Aufklärung der schwierigen Fragen, die
mit dem Namen des Fiorenzo di Lorenzo verknüpft
sind, bot die Ausstellung kein Material. Denn der
heilige Hieronymus des Meisters, der zu sehen war,
einer Figur des gleichen Heiligen auf einem seiner
Bilder in der Pinakothek eng verwandt, war so ver-
rieben, daß nur noch die kraftvolle Zeichnung wirk-
sam zutage trat. Ein phantastischer Felsaufbau, wie
bei einem der Bernhardinsbilder der Pinakothek (Be-
sitzer Möns. Nazzareno Mazzolini, Perugia). Zwischen
Fiorenzo und Perugino stand eines der merkwürdig-
sten Bilder der Schau, ein kreuztragender Christus,
nahezu lebensgroß, hauptsächlich nur gezeichnet auf
ein grobes Gewebe, allein der Oberteil, besonders der
Kopf in Farben durchgeführt (Monastero delle Co-
lombe, Perugia). Die öffentliche Meinung schien
geneigt, das Werk für Perugino in Anspruch zu
nehmen: ich vermag sie nicht zu teilen.

Dafür trat Perugino mit einer Predella hervor,
so anmutsvoll im Ganzen und Einzelnen, und so
herrlich erhalten, wenn man von dem bräunlich dar-
auf lagernden Schmutz absieht, der unschwer zu ent-
fernen gewesen wäre, daß man für dieses eine Stück
viele seiner großen Tafeln gern hinzugeben gewillt war.
Es ist die längst bekannte und gewürdigte Predella
aus Santa Maria Nuova in Fano von 1497 mit fünf
Szenen aus dem Marienleben; in Technik und Form-
gebung ganz wie Raffaels Jugendwerk, die Predella
im Vatikan. Eine Zeichnung zu einer der Figuren
 
Annotationen