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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0238

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Archäologisches — Ausstellungen

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weit zurückgesetzt in einer Pose, als hielte die Gestalt im
feierlichen Schreiten inne. Es ist keine Priesterin, deren
Abzeichen durchaus fehlen; ein opferndes Mädchen sehen
wir vor uns, die auf dem Opferteller eine Tänie, die ge-
rollt ist wie eine Papyrusrolle — so daß Amelung an eine
ihr gekröntes Werk darbringende Dichterin denken wollte —
einen Lorbeerzweig und wohl ein Räuchergeiäß trug, zu
dem die erhaltene kleine Löwentatze gehört hat. Die
Statue aus bestem griechischen Marmor ist vorzüglich er-
halten; nur Nasenspitze, der rechte Unterarm und ein Teil
des linken fehlen und von den Händen sind nur zwei
Finger der rechten Hand erhalten; einige Haarlocken und
das Kinn sind bestoßen. Die italienische Regierung hat
mit dem opfernden Mädchen von Porto d'Anzio ein griechi-
sches Originalwerk ersten Ranges erworben, das eine
allererste Stelle in den Staatsmuseen einzunehmen bestimmt
sein wird. m.

An der unteren Lippe, 20 km von Xanten entfernt,
ist ein neues Römerlager aufgedeckt worden.

An drei Stellen spricht Johann Winckelmann von der
großen Bronzequadriga von Herkulaneum, am aus-
führlichsten über ihre Entdeckung und Mißhandlung in
dem »Sendschreiben von den herkulanischen Entdeckun-
gen« an den Reichsgrafen von Brühl. Die berühmte Bronze-
gruppe ist seitdem so gut wie verschwunden; nur von
einem großen Bronzepferd im Neapeler Museum nahm
man bis jetzt an, daß es ein Teil derselben sei. Ettore
Gabrici, ein junger Gelehrter, scheint jetzt so glücklich ge-
wesen zu sein, eine Anzahl disjecta membra der Bronze-
gruppe aufgefunden zu haben. Als Resultat langer auf
den ganzen Bronzebestand des Neapeler Museums — in
Sälen und Magazinen — verwandter Studien und nach sorg-
fältiger Prüfung der auf die Ausgrabung der herkulaneischen
Bronzen bezüglichen Ausgrabungsberichte war Gabrici in
der Lage, eine Anzahl Stücke als unbedingt zu dem gleichen
Bronzemonument und zwar zur Quadriga gehörig zu identi-
fizieren. Das wichtigste Stück ist die Statue eines Wagen-
lenkers, deren Stellung und Armhaltung den Wagenlenker
unbedingt erkennen läßt. Außerdem kommen verschiedene
Teile des Wagens, der Deichsel, der Räder, des Jochs,
zwei dekorative Statuetten des Wagenrandes und viele
Fragmente der Pferde in Betracht, mit welchen an eine
Gesamtrekonstruktion der kolossalen Bronzeviergespannes
gedacht werden kann. m.

Verona. In der Kirche der Heiligen Fermo e Rustico
sind bei dem Grabe von Barnaba de' Morani Fresken
zum Vorschein gekommen, welche von Sachverständigen
dem Stefano da Zevio zugeschrieben werden. — Da man aus
den gewöhnlichen Verkehrsgründen vorhatte, die alten
Häuser zwischen der römischen Brücke auf dem Adige
und der Kirche von San Giorgio abzutragen, haben die
in Venedig zur Eröffnung der Ausstellung zusammen-
gekommenen Künstler ein Gesuch an die Behörden ein-
gereicht, damit dieses nicht geschehe. f. h.

Paestum. Bei den neuen Ausgrabungen ist man auf
eine vorgeschichtliche Ansiedelung gestoßen und hat eine
große Anzahl von Waffen und Gefäßen gefunden, f. h.

ARCHÄOLOGISCHES
Archäologisches aus Cyrene. Über seine Ausgra-
bungen in der alten Cyrenaika hat Mr. de Mathusieulx
einen Vorbericht im Pariser »Figaro* erstattet, der ein
helles Licht auf die unbegrenzten Möglichkeiten griechi-
scher antiker Funde in diesem noch so wenig erforschten
Gebiete wirft. De Mathusieulx . erhielt diesmal "weniger
Förderung von der türkischen Regierung als während
seiner vorhergegangenen drei Reisen in Tripolis, und die
Furcht ist nicht abzuweisen, daß die Ruinen der kultur-

reichen Pentapolis in gewisser Zeit vom Sand der libyschen
Wüste verdeckt werden. Aber es ist schon etwas, auf der
Akropolis von Cyrene gestanden zu haben, der Stadt der
Tempel und Paläste, wo schon Herodot eine berühmte
Medizinschule vorgefunden hatte, und von ihrer Höhe längs
der afrikanischen Mittelmeerküste hinschauend die vier
alten Hafenstädte identifiziert zu haben, die durch den
Handel mit Gold, Elfenbein und aus dem Sudan kommen-
den Straußenfedern reich geworden sind: Apollonia, wo
Plautus seinen »Rudens« spielen läßt, von deren ko-
nischer Felsenhöhe mit Marmorsäulen geschmücktem
Venustempelchen vierzig Treppenstufen zu den Uferbauten
hinabführten; Ptolemai's mit aus Porphyr aufgerichteten
Bauten innerhalb ihrer vier bis fünf Kilometer umfassen-
den Stadtmauer; Arsinoe auf der Höhe eines Hügels
zum Meere hinabschauend, und Berenike mit einem
berühmten Garten der Hesperiden, der sich im stillen
Tritonsee spiegelt. Aus Barca, der Rivalin von Cyrene,
hat Ludwig XIV. von Frankreich die farbigen Marmor-
arten holen lassen, die heute Schloß Trianon in Versailles
noch schmücken. m.

AUSSTELLUNGEN

Seit einigen Tagen sind in der Großen Berliner
Kunstausstellung die von Bruno Paul geschaffenen
Innenräume eröffnet worden. Die Ausstellung besteht
aus einer ungemein prächtigen Vorhalle, aus verschie-
denen Zimmern, teils für einfachere, teils für sehr vornehme
Verhältnisse, und aus einem Rauchsalon für einen Lloyd-
dampfer. Man kann von der Veranstaltung nur mit den
Worten des höchsten Lobes sprechen, und es wird schwer
möglich sein, einem einzelnen Teile etwa den Preis zu
geben. Mit Entzücken sieht man einige der schon in Dresden
gezeigten Räume hier aufs neue, und mit dem gleichen
Gefühl begrüßt man das für die diesmalige Ausstellung
eigens Geschaffene. Was Paul hier geleistet hat, wirkt
nicht »sensationell«:, man ist nicht »starr vor Staunen«, son-
dern im Gegenteil, man hat etwa das Gefühl: so und nicht
anders waren diese Aufgaben zu lösen. Die Berliner können
sich beglückwünschen, daß es ihnen gelungen ist, diese
reife Kraft sich zu verbinden.

Die Nachlaßausstellung von Karl Gussow', die,
wie wir schon meldeten, gegenwärtig im Münchener Kunst-
verein stattfindet, wirkt als große Überraschung, da die
Skizzen und Studien des Künstlers aus seiner früheren
Zeit eine Feinheit und Stärke der Qualität haben, hinter
der seine an die große Öffentlichkeit getretenen »Meister-
werke« weit zurückbleiben. — Aus den Zeitungen erfährt
man, daß Karl Gussow noch kurz vor seinem Tode eine
Abhandlung über seine farbentechnischen Erfahrungen ver-
faßt hat, die der Öffentlichkeit übergeben werden soll.
Gussow hat sich mit dem Wesen und der Verwendbarkeit
der Malfarben viel gemüht, so daß seiner Arbeit im voraus
Bedeutung zugesprochen werden darf.

Karlsruher Kunst. Unter den Karlsruher Radierern
erscheint Adolf Schinnerer als die ausgesprochenste Per-
sönlichkeit, und jedenfalls als derjenige, dessen Kunst am
meisten aus dem Wesen der Radierung selbst hervorgeht.
Die Kollektivausstellung, die der Karlsruher Verein für
Originalradierung im hiesigen Kunstverein veranstaltet hat,
hat das wieder bewiesen. Das Poetisch-Inhaltliche bildet
eine wesentliche Seite seiner künstlerischen Gestaltungs-
gabe: schon darin zeigt sich der richtige Vertreter der
»Griffelkunst«, deren volle Ausdrucksfähigkeit sich ja erst
in Sujets von erzählend-gedanklichem Charakter erschöpft.
Bezeichnend dafür ist auch seine Vorliebe für Zyklen (Die
Reise des jungen Tobias). Aber der künstlerische Aus-
druck deckt sich bei ihm, trotz mancher augenfälligen
 
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