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Römischer Brief
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welche neben Originalarbeiten auch Zeichnungen
nach römischen Ruinen ausstellen.
Der Gesamteindruck der kleinen Ausstellung ist
unbefriedigend, besonders weil keines der Werke
dieser jungen Künstler einem so entgegentritt, daß
man, wenn nicht vor dem Können, so doch vor
dem Wollen und Ringen den Hut ziehen müßte.
Ganz anders ist es bei einigen der Künstler, welche
die siebenundsiebzigste Jahresausstellung im Falazzo
delle Belle Arti mit ihren Werken beschickt haben.
Es sind darunter Künstler, die wollen und suchen,
wenn sie auch oft ihr Ziel nicht ganz erreichen.
Wer sich mit moderner italienischer Kunst beschäftigt,
dem wird es auffallen, wie oft aus den Reihen der
jungen Künstler solche heraustreten, denen das Aus-
üben der Kunst wirklich etwas mehr als technisches
Können und Virtuosität ist. Wer noch auf die ver-
gangene Generation der Künstler in Italien zurück-
schaut, dem muß es gleich klar vor die Augen treten,
daß man jetzt in künstlerischen Dingen mit mehr Ernst
ans Werk geht. Wer hätte wohl vor Jahren für
möglich gehalten, daß ein Künstler des leichtlebigen,
sonnigen, singenden Italiens ein Bild malen würde,
wie das, in welchem Pelizza da Volpedo ein Symbol
des vorwärtsstrebenden Proletariats geben will. Ar-
beiter, Frauen und Männer, Alte und Junge gehen
der glänzenden Sonne der Zukunft entgegen und
man schaut allen diesen einfachen Menschen direkt
in die hoffenden Augen. Einer unter ihnen ist blind,
bedarf aber keiner Stütze, denn das innere Licht er-
hellt seinen Geist. Dem Maler ist es nicht gelungen,
das volle Sonnenlicht darzustellen^ die Gestalten sind
schwach gezeichnet und die Bewegungen könnte man
unbeholfen nennen, aber was einen fesselt, ist der
Eindruck, daß der Künstler mit seiner ganzen Seele
bei dem Werke war.
Ebenso ernst wie Pelizza da Volpedo meint es
Umberto Prenclpe mit seiner Kunst. Der junge Maler,
welcher sich seit Jahren in seine Vaterstadt Orvieto
zurückgezogen hat, hat es sich zur Aufgabe gemacht,
durch die Darstellung des eigentümlichen Zaubers,
welcher den Denker und Träumer in der alten stillen
Stadt umgibt, ein Bild des traumhaften, melancholischen
Gehaltes wiederzugeben, den das menschliche Leben
für den Denkenden hat. Dabei ist Prencipe ein
tüchtiger Maler und seine klar und sicher kom-
ponierten Bilder sind gut gezeichnet und gemalt.
Diesen denkenden Künstlern gegenüber erscheint die
Schar der jungen römischen Künstler nichtssagend
und frivol. Gewiß kann man Nocl, Innocenti, Coro-
maldi, Lionne, Mengarint wegen vieler guter Eigen-
schaften manchmal bewundern, aber es ist eine Be-
wunderung, die nicht über das Technische hinausgeht,
weil die meisten dieser Herren von der Frage nach
dem geistigen Inhalt der Bilder überhaupt nie berührt
worden sind. Einigen, wie Innocenti, ist so oft ge-
sagt und wiederholt worden, daß er die keimenden
Hoffnungen der neuesten römischen Malschule in
sich schlösse, daß er als Genie wohl glaubt, auf
Korrektheit der Zeichnung und der Farbe nicht sehen
zu müssen. Seine Trachtenbilder aus Abruzzo sind |
als die richtigsten Produkte einer verwilderten In-
telligenz anzusehen. Eigentümlich, sonderbar, viel-
leicht roh ist statt dessen Balla zu nennen, aber er
ist so urwüchsig kräftig und kernig, daß man von
seiner aparten Kunst gefesselt wird. Wenn er die
Sonne malt, so ist es eben die liebe römische Über-
sonne, welche in seine Bilder hineinleuchtet. Wenn
er einen Schatten mitten in dieser Sonne malt, so
ist der Schatten überzeugend wahr. Von seiner Frau
hat Balla ein Porträt gezeichnet, welches in seiner
einfachen Schwarzweißform wohl das beste der ganzen
Ausstellung ist. Ein interessanter Porträtist ist der
Venezianer Lino Selvatico, dem das römische Aus-
stellungskomitee mit seinem Mitbürger Ferruccio
Scattola einen ganzen Saal eingeräumt hat. Selvatico
liebt es, die Menschen die er darstellt, nicht gerade
in der Freude des Lebens zu konterfeien, und man
sieht seinen Werken sehr wohl an, daß er als ein
Darsteller eher der Seelen als der Körper erscheinen
möchte, und sicher könnte man ihm dieses Lob voll-
kommen gewähren, wenn sich diese Gesichter von
blassen, oft wie von Gewissensbissen gepeinigten
Menschen, nicht gar zu sehr wiederholten und des-
halb als etwas Gesuchtes und Gewolltes erscheinen
müßten. Trotz allem ist es richtig, ihn zu den besten
jungen italienischen Porträtisten zu rechnen, aber man
sucht vergebens nach irgend welchem Band zwischen
ihm und den alten, farbenfreudigen venezianischen
Meistern des Porträts. Ebensowenig venezianisch
nach traditionellem Begriff erscheinen uns die Städte-
bilder von Ferruccio Scattola, der die farbenpräch-
tigsten italienischen Landschaften wie durch einen
grauen, trüben Nebel sieht.
Aus ganz Italien sind dieses Jahr Bilder auf die
römischen Ausstellung geschickt worden und Mariaui,
Marchesi, Rlzzi, Nomelllni, Morbelll, Casclaro, Faltori,
Crema sind gut vertreten. Zu den interessantesten
gehören die abruzzesischen Pastellskizzen des jungen
Cascella. Während sein Vater in kräftigen Stein-
zeichnungen die Sagen und Aberglauben des eigen-
artigen Bergvolkes schildert, hat sich der Sohn mehr
der feinen Wiedergabe von Landschaften gewidmet,
und wieder ist es sein schönes Heimatland, welches
auch ihm Motive und Anregungen bietet.
Anziehend war die Schwarzweißabteilung mit
schönen Radierungen und Zeichnungen von Cam-
bellotti, Stefanorl, Mengarlnl, Bacarisas, B. Laight
Ellen, Prenclpe. Der Florentiner Maler Olola stellte
eine Serie von zwei- und dreifarbigen, ganz in der
Cinquecentotechnik ausgeführten Holzschnitten aus.
Da dieses Jahr der Müllerpreis den italienischen
Bildhauern bestimmt ist, enthielt diese Abteilung der
Ausstellung zahlreiche und mitunter ganz interessante
Kunstwerke. An der Spitze von allen steht Maccag-
nanl, dem auch der Preis zugesprochen worden ist,
mit einigen ganz ausgezeichnet schönen Sachen. Der
römische Bildhauer, welcher jetzt in der Blüte seines
Könnens steht, hat das etwas flüchtige, skizzenhafte
Modellieren, was ihm früher eigen war, beiseite ge-
lassen und zeigt uns Figuren von durchgebildeter
Schönheit. Der Form weniger sicher, aber eigenartig
Römischer Brief
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welche neben Originalarbeiten auch Zeichnungen
nach römischen Ruinen ausstellen.
Der Gesamteindruck der kleinen Ausstellung ist
unbefriedigend, besonders weil keines der Werke
dieser jungen Künstler einem so entgegentritt, daß
man, wenn nicht vor dem Können, so doch vor
dem Wollen und Ringen den Hut ziehen müßte.
Ganz anders ist es bei einigen der Künstler, welche
die siebenundsiebzigste Jahresausstellung im Falazzo
delle Belle Arti mit ihren Werken beschickt haben.
Es sind darunter Künstler, die wollen und suchen,
wenn sie auch oft ihr Ziel nicht ganz erreichen.
Wer sich mit moderner italienischer Kunst beschäftigt,
dem wird es auffallen, wie oft aus den Reihen der
jungen Künstler solche heraustreten, denen das Aus-
üben der Kunst wirklich etwas mehr als technisches
Können und Virtuosität ist. Wer noch auf die ver-
gangene Generation der Künstler in Italien zurück-
schaut, dem muß es gleich klar vor die Augen treten,
daß man jetzt in künstlerischen Dingen mit mehr Ernst
ans Werk geht. Wer hätte wohl vor Jahren für
möglich gehalten, daß ein Künstler des leichtlebigen,
sonnigen, singenden Italiens ein Bild malen würde,
wie das, in welchem Pelizza da Volpedo ein Symbol
des vorwärtsstrebenden Proletariats geben will. Ar-
beiter, Frauen und Männer, Alte und Junge gehen
der glänzenden Sonne der Zukunft entgegen und
man schaut allen diesen einfachen Menschen direkt
in die hoffenden Augen. Einer unter ihnen ist blind,
bedarf aber keiner Stütze, denn das innere Licht er-
hellt seinen Geist. Dem Maler ist es nicht gelungen,
das volle Sonnenlicht darzustellen^ die Gestalten sind
schwach gezeichnet und die Bewegungen könnte man
unbeholfen nennen, aber was einen fesselt, ist der
Eindruck, daß der Künstler mit seiner ganzen Seele
bei dem Werke war.
Ebenso ernst wie Pelizza da Volpedo meint es
Umberto Prenclpe mit seiner Kunst. Der junge Maler,
welcher sich seit Jahren in seine Vaterstadt Orvieto
zurückgezogen hat, hat es sich zur Aufgabe gemacht,
durch die Darstellung des eigentümlichen Zaubers,
welcher den Denker und Träumer in der alten stillen
Stadt umgibt, ein Bild des traumhaften, melancholischen
Gehaltes wiederzugeben, den das menschliche Leben
für den Denkenden hat. Dabei ist Prencipe ein
tüchtiger Maler und seine klar und sicher kom-
ponierten Bilder sind gut gezeichnet und gemalt.
Diesen denkenden Künstlern gegenüber erscheint die
Schar der jungen römischen Künstler nichtssagend
und frivol. Gewiß kann man Nocl, Innocenti, Coro-
maldi, Lionne, Mengarint wegen vieler guter Eigen-
schaften manchmal bewundern, aber es ist eine Be-
wunderung, die nicht über das Technische hinausgeht,
weil die meisten dieser Herren von der Frage nach
dem geistigen Inhalt der Bilder überhaupt nie berührt
worden sind. Einigen, wie Innocenti, ist so oft ge-
sagt und wiederholt worden, daß er die keimenden
Hoffnungen der neuesten römischen Malschule in
sich schlösse, daß er als Genie wohl glaubt, auf
Korrektheit der Zeichnung und der Farbe nicht sehen
zu müssen. Seine Trachtenbilder aus Abruzzo sind |
als die richtigsten Produkte einer verwilderten In-
telligenz anzusehen. Eigentümlich, sonderbar, viel-
leicht roh ist statt dessen Balla zu nennen, aber er
ist so urwüchsig kräftig und kernig, daß man von
seiner aparten Kunst gefesselt wird. Wenn er die
Sonne malt, so ist es eben die liebe römische Über-
sonne, welche in seine Bilder hineinleuchtet. Wenn
er einen Schatten mitten in dieser Sonne malt, so
ist der Schatten überzeugend wahr. Von seiner Frau
hat Balla ein Porträt gezeichnet, welches in seiner
einfachen Schwarzweißform wohl das beste der ganzen
Ausstellung ist. Ein interessanter Porträtist ist der
Venezianer Lino Selvatico, dem das römische Aus-
stellungskomitee mit seinem Mitbürger Ferruccio
Scattola einen ganzen Saal eingeräumt hat. Selvatico
liebt es, die Menschen die er darstellt, nicht gerade
in der Freude des Lebens zu konterfeien, und man
sieht seinen Werken sehr wohl an, daß er als ein
Darsteller eher der Seelen als der Körper erscheinen
möchte, und sicher könnte man ihm dieses Lob voll-
kommen gewähren, wenn sich diese Gesichter von
blassen, oft wie von Gewissensbissen gepeinigten
Menschen, nicht gar zu sehr wiederholten und des-
halb als etwas Gesuchtes und Gewolltes erscheinen
müßten. Trotz allem ist es richtig, ihn zu den besten
jungen italienischen Porträtisten zu rechnen, aber man
sucht vergebens nach irgend welchem Band zwischen
ihm und den alten, farbenfreudigen venezianischen
Meistern des Porträts. Ebensowenig venezianisch
nach traditionellem Begriff erscheinen uns die Städte-
bilder von Ferruccio Scattola, der die farbenpräch-
tigsten italienischen Landschaften wie durch einen
grauen, trüben Nebel sieht.
Aus ganz Italien sind dieses Jahr Bilder auf die
römischen Ausstellung geschickt worden und Mariaui,
Marchesi, Rlzzi, Nomelllni, Morbelll, Casclaro, Faltori,
Crema sind gut vertreten. Zu den interessantesten
gehören die abruzzesischen Pastellskizzen des jungen
Cascella. Während sein Vater in kräftigen Stein-
zeichnungen die Sagen und Aberglauben des eigen-
artigen Bergvolkes schildert, hat sich der Sohn mehr
der feinen Wiedergabe von Landschaften gewidmet,
und wieder ist es sein schönes Heimatland, welches
auch ihm Motive und Anregungen bietet.
Anziehend war die Schwarzweißabteilung mit
schönen Radierungen und Zeichnungen von Cam-
bellotti, Stefanorl, Mengarlnl, Bacarisas, B. Laight
Ellen, Prenclpe. Der Florentiner Maler Olola stellte
eine Serie von zwei- und dreifarbigen, ganz in der
Cinquecentotechnik ausgeführten Holzschnitten aus.
Da dieses Jahr der Müllerpreis den italienischen
Bildhauern bestimmt ist, enthielt diese Abteilung der
Ausstellung zahlreiche und mitunter ganz interessante
Kunstwerke. An der Spitze von allen steht Maccag-
nanl, dem auch der Preis zugesprochen worden ist,
mit einigen ganz ausgezeichnet schönen Sachen. Der
römische Bildhauer, welcher jetzt in der Blüte seines
Könnens steht, hat das etwas flüchtige, skizzenhafte
Modellieren, was ihm früher eigen war, beiseite ge-
lassen und zeigt uns Figuren von durchgebildeter
Schönheit. Der Form weniger sicher, aber eigenartig