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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Oktoberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0066

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chen und Kränzel, alles sehr verwandt den oben ge-
nannten Reichenberger Gläsern von 1805. Ob eine
M a t h i 1 d e R i e d e 1 in Blottendorf, dic um 1810
Namen und Devisen aus Blümchenbuchstaben geschnit-
ten haben soll* * 3), dem noch in der früheren Heimat ver-
bliebenen Teil der genannten Familie angehört, ist frag-
lich. Wenn eines der zahllosen, aus den ersten Jahr-
zelmten des 19. Jahrhunderts stammenden, übrigens
sehr verschiedenartigen Gläser, meist mit dem Worte
„Andenken“, auf eine Mathilde Riedcl zurückgeführt
werden darf, dann wäre es möglicherweise jenes, um
1820 anzusetzende Exemplar, das sich aus alter Fami-
lienerbschaft noch in Reichenberg (bei Wilhelm Riedel;
Abb. 7) erhalten hat. — Nicht mit der Familie Riedel
zusammenhängend, jedoch im Charakter der Iser- uud
Riesengebirgsgläser der Empirezeit ist der schöne
Christophorus-Zylinderbecher der Sammlung A. Ru-
zicka in Prag (Abb. 8), eines der seltenen Gläser, die
eine Künstlersignatur tragen, nämlich die des vorläufig
noch nicht bestimmbaren Monogrammisten
I. R.4); wir werden in ihm wohl einen älteren Genos-
sen des später zu besprechenden A. Simm zu erkennen
haben.

Viel besser sind wir — dank der Forschungen des
derzeitigen Bürgermeisters Karl R. Fischer — tiber die
Glasschneider von G a b 1 o n z unterrichtet, das diese,
wie die Glasschleifer, Glasmaier und Steinschneider des
ganzen Gebietes schon seit 1737 in einer Zunft zu-
sammengefaßt hatte. Im Vordergrunde stehen liier
neben Josef D r ä x 1 e r , dem nacli einem alten Zettel
ein brillantierter Walzenbecher mit den Porträtmedail-
lons des Kaisers Franz I. und seiner Frau Louise Beatrix
im Wiener Technischen Museurn zuzuweisen ist, über
den aber bisher alle Nachrichten fehlen, die Familie
Benda und Anton Simtn. Bei der Familie B e n d a 5)

'") A. Walcher v. Molthein in „Kunst und Kunstwerk“ XIV

(1919) S. 20. — Die Pfarrbiicher von Falkenau, Blottendorf und
Umgebung kennen sie nicht, wie mir F. F. Palme in Stein-

schönau nach Befragung von Pfarrer F. Mai in Falkenau freund-
lichst mitteilt. — Unter dcn Nachkommen von Franz Anton Riedel
ist dieser Name ganz unbekannt, wie mir mündlich versichert
wurde.

4) An Johann Leopold Riedel ist nicht zu denken, da er von
Haus aus Glasmaler, nicht Glasschneider war; der „Glaskönig“
Josef kommt schon der Zeit wegen liicht in Frage, und dessen
Vater, der auch Josef hieß (t 3. Nov. 1845), lebte als Kaufmann in
Haindorf und wird, zum Unterschiede von seinem Bruder Franz
Anton, nirgends als Glasschneider bezeichnet. — Auf einen Glas-
schneider Johann Rößler in Morchenstern (geb. 28. Mai 1785) oder
gar Johann Reckziegel in Wiesenthal (geb. 1809) raten zu wollen,
wäre müßig. Aus den Kirchenbüchern ließen sich gewiß viele
Glasschneider mit passenden Initialen ausfindig machen, die aber
meist nur zur großen Herde der Dutzend-Blümchenschneider ge-
hören werden, während es sich hier um ein sehr tüchtigen Ver-
treter seines Faches handelt, der hoffentlich noch ans Licht wird
gezogen werden können.

5) Karl R. Fischer: „Die Glasschneiderfamilie Benda“ in den
Mitteilungen für Heimatkunde des Jeschken- und Isergaues. XIII.
1919. S. 37 ff. (mit Benutzung des handschriftlichen „Gedenk- und
Familienbuches“ von Eduard Benda, 1876, das zum Teile wörtlich
zitiert wird); neuerdings abgedruckt in der „Isergebirgswoche“,
Beilage zur „Reichenberger Zeitung“ vom 1. August 1922.

handelt es sich sogar um eine fortlaufende Tradition
von fiinf Generationen. Den Anfang machen die
Brüder I g n a z u n d J o s e f B e n d a , beide Glas-
schneider und Wappeustecher, die wir schon 1747
gelegentlich eines Falschmünzerprozesses — Ignaz
hatte einem Falschmünzer einen Prägestempel ange-
fertigt — kennen lernen. Der Sohn von Ignaz, J o s e f
Benda (1757—1841) ist ebenfalls.Glasschneider, des-
gleichen dessen Solm, ebenfalls Josef Benda (geb.
1785, vermählt 1812), der bereits nach Prag zu einem
Meister am Kleinen Ring in die Lehre geht, utn sich
weiter fortzubilden. Unter dessen vier Söhnen D o -
m i n i k , W i 1 h e 1 m , E d u a r d und A n t o n , die
alle wenigstens einen Teil ihres Lebens auch als Glas-
sclmeider tätig waren, brachte es der dritte, nämlich
Eduard Benda (geb. 18. Februar 1819; f 28. Au-
gust 1901) äm weitesten. Schon als Kind in der be-
engten väterlichen Werkstatt tätig, schneidet er, wie
die übrigen Familienmitglieder, die dutzendmäßigen
Namensschilder und Kränzel, aber auch Landschaften,
die er, nachdem er sich 1840 selbständig gemacht,
weiter forsetzt. Daß es sich in der Regel nur um ganz
schlichte Sachen handelt, ist schon aus dem Preis zu
schließen; so bekommt er (noch nach 1840) von dem
Gablonzer Glashändler Johann Weiß, für den er Tan-
nenberg-Landschaften auf Glas schneidet, für ein
Dutzend solcher Gläser nur 25 Kreuzer P. C., später
sogar nur 20 Kreuzer W. W. und noch weniger; auch
auf den Märkten in Reichenberg reichte der Verdienst
nur für den allerbescheidensten Lebensunterhalt. Wenn
hier und da einzelne Stiicke besser bezahlt wurden,
versuchte er sich auch an größeren Aufgaben. Zwei
solche Arbeiten, etwa aus der Mitte des Jahrhunderts,
besitzt das Gablonzer Stadtmuseum, nämlich einen ru-
binierten Becher mit den 14 Nothelfern und besonders
einen schweren, gelbgeätzten Fußkelch mit dem Letz-
ten Abendmahl nach Lionardo (Abb. 9), einem der popu-
lärsten, auch von anderen Glasschneideru immer wie-
derholten Stoffe der Biedermeierzeit. Signaturen
tragen seine Arbeiten nicht. Sein Sohn Adolf
Benda (1845—78) war der letzte Glasschneider in
der Familie; nachdem er 1866 vom Kriege lieimge-
kehrt war, beschäftigte er sich eifrig — wenn auch
nicht gerade kritisch-wissenschaftlich — mit lokalge-
schichtlichen Studien, deren Frucht, das dicke Buch
„Geschichte der Stadt Gablonz und Umgebung“, sehr
viel Material besonders über die Gablonzer Industrie-
Vergangenheit aufgespeichert enthält. —

Der fruchtbarste und gewandteste Glasschneider
des Isergebirges aber war wohl während der Bieder-
meierzeit A n t o n S i m m , und es ist sehr wertvoll,
daß wir gerade über ilm durch zahlreiche, im Zusam-
menhange erhaltene Urkunden, darunter besonders
sein Rechnungsbuch von 1837—47, Briefe, Abklatsche
und Zeichnungen fiir seine Arbeiten uud allerlei aus-
geschnittenes Material, auch an Almanachbildchen und
selbst Apothekeretiketten, das ihm als Vorbild oder
Anregung diente, gründlich unterrichtet sind und einen
tieferen Einblick in seine Werkstatt tun können, als uns

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