7ahrgang iQ23
2. Juniticft:
Dte Betüeütung modemet’ Qt?apbtk
üon
Adotpt) Donatf)
J ie wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland
zwingen rnanche von jenen Kunstfreunden, die
bisher für moderne Bilder geschwärmt haben, sich der
modernen Graphik zuzuwenden, für die man noch nicht
so viele Millionen auszugeben braucht wie für die Qua-
litäten der modernen Malerei. Damit möchte ich natür-
lich nicht gesagt haben, daß es keine ktinstlerisch-
starken neuen Bilder mehr im Kunsthandel gibt, die
unter einer Million Mark zu haben wären — denn
nicht alle Sterbliche können sich heute einen Thoma
oder Liebermann oder Corinth oder Ury leisten —
sondern einfach bloß das, daß wir in dem weiten Ge-
biete der neuen Graphik einen umfänglichen Reichtum
von erfrischender Abwechslung sehen. Ich habe dies
schon in meiner „Phychologie des Kunstsammelns“ *)
angedeutet, aber ich möchte an dieser Stelle doch noch
bemerken, daß die Graphik-Liebhaber nicht schlecht
dabei fahren, wenn sie sich rechtzeitig „eindecken“.
Vorausgesetzt, daß es um Qualitäten geht. Und der
Begriff „sich-eindecken“ bezieht sich hier durchaus
nicht auf irgendwelche spekulative Absichten — der
echte Kunstfreund sammelt ja nicht aus Spekulation —
ich meine vielmehr, und auch die Künstler dürften mir
recht geben, daß die Graphik und selbst die der alten
Meister, von der aber nicht die Rede sein soll, heute,
*) Die Bearbeitung der vierten, vermehrten Auflage meines
Buches ,.Ber Kunstsammler. Psychologie des Kunstsammelns“
hatte ich bereits Anfang Juni 1922 beendet und dem Verlag
(Ricliard Carl Schmidt & Co., Berlin) übergeben. Daß diese neue
Aufluge bisher noch iiicht erschienen ist, gibt auch einen Beweis
von der schwierigen Lage des deutschen Buchgewerbes.
bis auf wenige Ausnahmen, weniger kostet als in der
Vorkriegszeit.
Dieses „sich-eindecken“ betrifft also letzten Endes
die Ersparnisse, die der Sammler machen kann
und die zur Erwerbung neuer markanter Blätter aus-
reichen dürften. Der Leiter der Wiener Albertina, Pro-
fessor Dr. Alfred Stix, mag da als nachahmenswertes
Beispiel genannt sein. Er hat nämlich in der jüngsteii
Auktion moderner Graphik bei Paul Graupe in Berlin,
die überhaupt ein vorzügliches Bikl der Bewertung
moderner Graphik gab, sowolil Slevog.t angekauft,
der mit seinen Lithographien - Folgen wie „Leder-
strumpf“ oder „Die Inseln Wak Wak“ der bestbezahlte
unter den deutschen Graphikern ist, als auch Wilhelm
W a g n e r , Erich H e c k e 1, Karl H o f e r , Agnes
v. B ii 1 o w. Freilich kann selbst ein tiichtiger Mu-
seumsleiter irren, aber es ist immerhin dankenswert,
daß er vorsorgt: daß er jiingere Graphiker, die er fiir
talentvoll hält, dessen wiirdig erachtet, daß sie aucli
in einem so großen Kunstinstitut, wie es die Wiener
Albertina ist, ihren Platz finden.
Ja, diese Graphik-Auktion bei Graupe interssierte.
Und ich will gleich zeigen, wie icli das mit den „billigen“
Preisen und das mit den Ausnahmen meine. Als die
Versteigerung vor sich ging, stand der Dollar, im Ver-
hältnis zur Mark, auf rund 80 000. Da aber der Dollar
vor dern Kriege den Wert von 4 Goldmark liatte, die
Graphik eines Liebermann zum Beispiel damals
schon bis auf 1750 Goldmark kam (für „Simson und
Delila“, erste Platte) — ich weise bloß auf die inaß-
gebende Versteigerung der Hamburger Sammluug
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2. Juniticft:
Dte Betüeütung modemet’ Qt?apbtk
üon
Adotpt) Donatf)
J ie wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland
zwingen rnanche von jenen Kunstfreunden, die
bisher für moderne Bilder geschwärmt haben, sich der
modernen Graphik zuzuwenden, für die man noch nicht
so viele Millionen auszugeben braucht wie für die Qua-
litäten der modernen Malerei. Damit möchte ich natür-
lich nicht gesagt haben, daß es keine ktinstlerisch-
starken neuen Bilder mehr im Kunsthandel gibt, die
unter einer Million Mark zu haben wären — denn
nicht alle Sterbliche können sich heute einen Thoma
oder Liebermann oder Corinth oder Ury leisten —
sondern einfach bloß das, daß wir in dem weiten Ge-
biete der neuen Graphik einen umfänglichen Reichtum
von erfrischender Abwechslung sehen. Ich habe dies
schon in meiner „Phychologie des Kunstsammelns“ *)
angedeutet, aber ich möchte an dieser Stelle doch noch
bemerken, daß die Graphik-Liebhaber nicht schlecht
dabei fahren, wenn sie sich rechtzeitig „eindecken“.
Vorausgesetzt, daß es um Qualitäten geht. Und der
Begriff „sich-eindecken“ bezieht sich hier durchaus
nicht auf irgendwelche spekulative Absichten — der
echte Kunstfreund sammelt ja nicht aus Spekulation —
ich meine vielmehr, und auch die Künstler dürften mir
recht geben, daß die Graphik und selbst die der alten
Meister, von der aber nicht die Rede sein soll, heute,
*) Die Bearbeitung der vierten, vermehrten Auflage meines
Buches ,.Ber Kunstsammler. Psychologie des Kunstsammelns“
hatte ich bereits Anfang Juni 1922 beendet und dem Verlag
(Ricliard Carl Schmidt & Co., Berlin) übergeben. Daß diese neue
Aufluge bisher noch iiicht erschienen ist, gibt auch einen Beweis
von der schwierigen Lage des deutschen Buchgewerbes.
bis auf wenige Ausnahmen, weniger kostet als in der
Vorkriegszeit.
Dieses „sich-eindecken“ betrifft also letzten Endes
die Ersparnisse, die der Sammler machen kann
und die zur Erwerbung neuer markanter Blätter aus-
reichen dürften. Der Leiter der Wiener Albertina, Pro-
fessor Dr. Alfred Stix, mag da als nachahmenswertes
Beispiel genannt sein. Er hat nämlich in der jüngsteii
Auktion moderner Graphik bei Paul Graupe in Berlin,
die überhaupt ein vorzügliches Bikl der Bewertung
moderner Graphik gab, sowolil Slevog.t angekauft,
der mit seinen Lithographien - Folgen wie „Leder-
strumpf“ oder „Die Inseln Wak Wak“ der bestbezahlte
unter den deutschen Graphikern ist, als auch Wilhelm
W a g n e r , Erich H e c k e 1, Karl H o f e r , Agnes
v. B ii 1 o w. Freilich kann selbst ein tiichtiger Mu-
seumsleiter irren, aber es ist immerhin dankenswert,
daß er vorsorgt: daß er jiingere Graphiker, die er fiir
talentvoll hält, dessen wiirdig erachtet, daß sie aucli
in einem so großen Kunstinstitut, wie es die Wiener
Albertina ist, ihren Platz finden.
Ja, diese Graphik-Auktion bei Graupe interssierte.
Und ich will gleich zeigen, wie icli das mit den „billigen“
Preisen und das mit den Ausnahmen meine. Als die
Versteigerung vor sich ging, stand der Dollar, im Ver-
hältnis zur Mark, auf rund 80 000. Da aber der Dollar
vor dern Kriege den Wert von 4 Goldmark liatte, die
Graphik eines Liebermann zum Beispiel damals
schon bis auf 1750 Goldmark kam (für „Simson und
Delila“, erste Platte) — ich weise bloß auf die inaß-
gebende Versteigerung der Hamburger Sammluug
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