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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Oktoberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0068

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dies bei anderen Zeitgenossen möglich ist °). Anton
Simm, dessen Jugend-Kleinbildnis von Wenzel Dwor-
zaczek aus Cudowa vom 7. September 1823 ebenfalls
im Nachlaßinventar vorhanden ist (Abb. 10), wurde als
der Sohn des Cdasschleifers Wenzel Simm in Kukan
(No. 7) bei Gablonz am 3. Juni 1799 geboren und starb
in Gablonz No. 462 an chronischem Lungenkatarrh am
17. Mai 1873 * * * * * * 7 8). Als er sich mit Karoline Kießwetter
aus Grünwald am 20. September 1842 verheiraten will,
wohnt er Gablonz No. 532 und richtet an den zuständi-
gen Herrschaftsbesitzer I. C. Roemisch (von Kleinskal)
ein Gesuch um Nachsiclit der vorgeschriebenen „Inn-
manns-Kauzion“, da er kein Wohnhaus besitze und sein
kleines Vermögen zum Fortbetriebe seines Gewerbes
benötige. Aber später finden wir ihn wieder in dem
väterlichen Hause von Kukan, nämlich gelegentlich der
Ausstellung seines Heimatscheines vom 6. Juli 1863, wo
als seine Kennzeichen mittlere Statur, braune Haare,
blaue Augen und „spricht deutsch“ angeführt werden.
Da er keine andere Sprachen beherrscht, wird wolil
auch die Annahme, daß er weite Reisen unternommen
habe, kaum gerechtfertigt sein; die vielen Prospekt-
zeichnungen auch aus den entlegensten Gegenden
wären natürlich kein Beweis für seine Reiselust; der-
artige Ansichten zeichnete er sich aus verschiedenen
Büchern oder Zeitschriften zusainmen oder bekam sie
von den betreffenden Bestellern s) geliefert. Tatsächlich
findet sich in Simms Rechnungsbuch nur ein Aufenthalt

e) Bürgermeister Karl R. F i s c h e r in Gablonz, der eigent-
liche Schöpfer und Leiter des von ihm musterhaft aufgestellten und

geordneten städtischen Museums und Verfasser verschiedener, fiir

die Kunstgewerbe- und fndustriegeschichte seiner Gegend selrr
wichtiger Schriften und Abhandlungen, hatte das Gliick, das
ganze, staunenswert reichhaltige Material geschlossen zu erwer-

ben, und die große Liebenswürdigkeit, es mir in selbstloser Weise

in Gablonz zugänglich zu machen und zur VerÖffentlichung zur
Verftigung zu steüen, wofür ich ihm meinen verbindlichsten Dank
zum Ausdrucke bringe, desgleichen für die mir noch nacliträglich

übermittelten Auskünfte und einzelne Photographien.

7) Gablonzer Kirchenbücher: Taufmatrik VIII f. 129 und
Sterbematrik III. f. 115.

8) Unter den Bestellern wird nur ein Arzt Merbach (183ü)
genannt, sonst lediglich Glashändler, wie Johann Weiß in Gablonz

(z. B. für Panoramengläser von Liebwerda und Haindorf mit bei-
gefügten Vorlagen) oder Johann Hauk in Liebenau (1868).

in Teplitz (Oktober 1839) verzeichnet, der mit Bestel-
lungen von Badegläsern oder einem Verwandtenbesuch
zusammenhängen dürfte. In Teplitz hatte ja kurz vor-
her— wenn sich Walchers9) Behauptung bestätigt —
ein Namensvetter aus dem anderen nordböhmischen
Glasgebiet, nämlich der (um 1836) „beste Glasschneider
von Falkenau“, Franz Simm, zugleich mit dem Glas-
maler Josef Kittel die erste „Butike“ (Verkaufsstand,
manchmal mit Arbeitsraum) für Glas, wie sie damals in
allen Kur- und Badeorten eingeführt wurden, errichtet.
Tatsächlich finden wir unter den zahlreichen P r o -
spekt-Zeichnungen im Nachlasse auch solche
von 7'eplitz, aber ebenso von Liebwerda und Haindorf,
Friedland, Großskal Kulm, Braunau, Nachod, Prag
(Pulverturm), Karlsbad, Brandeis, Saaz, Krummau,
Podiebrad, dann von Brünn und Kremsier, von Wien
(Theater an der Wien, Schwarzenbergdenkmal) Schön-
brunn und Ischl, von Melk, Gran, Komorn, Pest, Pist-
yan, Temeswar und Klausenburg, aber auch von Flins-
berg, Zittau, Oybin, sogar von Breslau und von der
Josephinenhütte — also ein Hinübergreifen in das Ge-
biet der Konkurrenz von Warmbrunn-Schreiberhau —,
ferner von Berlin, Swinemünde oder von Rheinland-
schaften, ja selbst von Venedig und Palermo, Amster-
dam (Kgl. Palast), Madrid, Lissabon und Oporto,
Betlehem, Londcn und Philadelphia u. a. — Es waren
das eben Zeiclmungen, wie er sie für seine „Gläser mit
Prospekten“ brauchte, die er um 16—17 Kreuzer (1836),
bei größerer Arbeit auch um 26 Kreuzer für das Stück
meist Dutzendweise fiir den Handel lieferte; die Un-
terschriften sind gewöhnlich in kleiner Antiqua- oder
lateinischer Kursivschrift beigefügt, die Zeichnung
meist schon für den — möglichst raschen — Schnitt
vereinfacht.

(Fortsetzung folgt)

°) Walcher von Molthein, a. a. O. S. 30. — Eine Nachprüfung
in Nordböhmen war vorläufig erfolglos. Bis jetzt läßt sich — nach
einer freundlichen, durch F. F. Palme in Steinschönau gütigst
vermittelte Auskunft des Pfarrers F. Mai in Falkenau — nur fest-
stellen, daß dort ein Franz Stephan Josef als Sohn des Glas-
schneiders Josef Simm und seiner Frau Klara, geb. Kaiser am
25. Dezember 1810 geboren wurde; ein Todesdatum dieses Franz
Simm enthalten die Pfarrbücher von Falkenau nicht.

Abb. 10

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