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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Oktoberheft
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Schweinfurth, Philipp: Das unsterbliche Griechenland, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0092

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Die neuen Funde von der Themistokleischen Mauer

dunkle Jahrhunderte geheimnisvoll durchdringend, stets
aufs neue eine begeisternde Kraft an allen Völkern des
Kulturkreises in sichtbarer Auswirkung offenbaren. —
Der Weg nach Athen wird zur Zeit atn besten iiber
Brindisi genommen. Die kleinc Hafenstadt, landschaft-
liclt in keiner Weie ausgezeichnet, vermittelt in Luft
und Licltt, im Leben und Trciben ihrer Bewohner, der
„famiglia Brindisina“, die Sonnensphärc des vollen
Südens. „Ich liebe Brindisi“, sagte Professor Paul
Arndt, dem icit auf dcr Rtickreise in München von tnei-
nen Eindrücken berichten durfte, und ich pflichte dieser
Äußerung ger-ne bei. Die spätantike Säule mit ihrer
hiibschen Darstellung der Meefgötter mußte mir im
Hafen ins Auge fallen; das kleine, in einer romanischen
Rundkirche eingerichtete Museum sah icli dagegen erst
auf der Rückfahrt, nachdem icli in Atlien darauf arf-
merksam gemacht worden war. Den Besuch des Mu-
seums in Brindisi soll man nicht unterlassen. Kanonikus
Pasquale Camassa, gut bewandert in der großen Ver-
gaugenheit seiner Vaterstadt und die Seele dieser
Sairmlung, tiilft durch seine treffenden Erklärungen
über den Zeitmangel hinweg. Man sieht Stücke am
einer neolithischen Schicht, Vasen der mesapischen Pe-
riode, ein paar schöne, wohlerhaltene rotfigurige 1m-
portstücke attischer Provenienz, die das Auge ebenso
anziehen, wie ein griechischer Frauentorso, außerdem
gut geordnete Münzen, ein paar schöne geschnitten:
Steine, die, auf eine Glasplatte gekittet, einem zu nähe-
rcr BeLachtung in die Haud gegeben werden, und ein;-
ge gute römische Skulpturen. Den Stolz des Museums
bilden die Inschriften, von denen einige von Mommsen
aufgenommen worden sind. Unter ihnen sieht man
solche mit sehr schöner Schrift, Die außerhalb der
Stadt belegene Kirche Santa Maria del Casale di Brin-
disi, mit dem Jüngsten Gericht des Rinaldo da Taranto
und andere I recentofresken konnte von mir in der
kurzen Zeit meines Aufenthalts niclit besucht werden,

Nach der stiirmischen Adria beginnen bei Korfu die
glatten griechischen Gewässer. Die sonnenbeglänzte
Fahrt im Golfe von Korinth führt zu der herrlichen
Isthmoslandschaft, die mit ihren Meeresweiten, Ge-
birgsprofilen und der Stätte des alten Korintli mytfsch
wirkt, und de.ren Anblick tief ergreift. „Hier! durch ein
Wunder, liier in Griechenland!“ Die Fahrt durcli den
Kanal bringt die griechische Erde nahe heran; in der
Höhe strahlen die griechischen Götter. Aegina, Salamis
tauchen auf, langsam fährt der Dampfer an ihnen vor-
bei, und endlich, im Mittagsglast, in einer Ecke der
Landschaft, wird zuerst der Lykabettos sichtbar, dann
leuchten ihm gegenüber die Steine des Philopappos auf
dem gegenüberliegenden Musenhügel auf, und endlich
erfaßt das Auge zwischen ihnen ein drittes schimmern-
des Etwas. Es ist der Athener Tempelhaus. Wenige
Stunden später befindet man sich in wachem Traume
zwischen dem Marmor der Propyläen; noch einige
Schritte weiter — da steht „der ewige Tempel da“.

Die 1912 beendete Aufrichtung der nordöstlichen
jonischen Säule zusammen mit ihrem Kapitäl, dem Ge-
bälk und einem Stück der alten steinernen Kassetten-
deckc im Durchgange der Propyläen, sowie die Zusam-
mensetzung des Gebälks und des Giebels der östliehen
Propyläenrochelle kommen dem Besucher im hohen
Maße zugute. Der Gesamteindruck des Baues wird
durch sie außerordentlich verdeutiicht, und zugleich ist
etwas von dem schwebenden Flalbschatten sichtbar
gemacht, der ursprünglich zwischen den Marmor-
wänden des Propyläendurchgängs herrschte. Dic
durch Reflexlichter aufgeheliten Halbschatten, eines der
großen Lichtwunder des Südens, hat Paolo Veronese
besser als alle anderen gemalt und mit Recht ist ge-
sagt worden, daß „wegen dieser Schatten allein der
Veroneser verdient, in den Himmel gehoben zu wer-
den“. Durch deu Sockel aus blauem eleusinischem
Marmor wurde der im Inneren der Propyläen scliwe-
bende Halbschatten im Ton mit den Wandfl 'chen, iiber
deren Polychromie wir zwar nichts ausragen können,
die aber auf jeden Fall selir hell waren, verbunden.

Der Umstand, daß bei der genannten Restaurierung
die neuerrichtete Säule in ihren oberen Teilen nur äus
ungefähr zueinander passenden Stücken bestehen
konnte, fäilt in Anbetracht der angedeuteten überaus
günstigen Gesamtwirkung bei den Propyläen niclit ins
Gewicht. Anders liegen die Dinge hingegen beim Pär-
thenon, an dessen Nordseite der Versuch gemacht wird,
einige Säulen dcr Peristasis aus den am Boden liegen-
den Teilen wieder zusamrnenzufügen. Da es sich hier
dem Wesen dcr Dinge nach uiclit um die einfache Auf-
richtung zusammengehöriger Trommeln handeln kann,
sondern nur um ein ungefähres Zusammenpassen
heterogener Tcile, sind die Hinwände höchst berechtigt
die von autoritativer Seite gegen eine solche willkür-
liche Zusammensteilung nicht zueinandergehörige;-
Säulentrommeln erhoben werden. Übrigens wird zur
Zeit überhaupt nicht am Parthenon gearbeitet, es stehen
nur die Gerüste und Hebevorrichtungen da. Zusammen
 
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