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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Dezemberheft
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Sponagel, Kurt: Über das Kunstsammeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0205

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Wenn wir eine gute Strecke dieses Weges hinter
uns haben, verschwindet Hast und Sammlerwut in dem
Grade, wie wir wissender werden. Mehr denn je
können wir das Glück schatzen, edle Werke der Kunst
um uns zu haben, aber wir hasten nicht mehr nach
ihrem Besitz. So kann es dazu kommen, daß uns Kunst-
werke zum innern Besitz werden, die irgendwo in
einem Museum hängen, ohne daß Verlangen nach
ihrem Besitze unsere Freude trübt, solange wir von Zeit
zu Zeit 71,1 ihnen pilgern können wie zu Heiligtümern.

Darauf also kommt es an, daß wir ii b e r dem Be-
sitze stehen, damit uns selbstverständlich werde, daß
Besitz von Kunstwerken niemals entscheidend ist für
unser Verhältnis zur Kunst, sondern einzig und allein
das Maß, in welchem die Werke uns innerlich zu bewe-
gen und damit unbewußt zu fördern vermögen. Also
auch hier beileibe nicht Verachtung des Besitzes, aber
vor allem sein häßliches Hamstern. Der Besitz erleich-
tert und verkürzt uns den Weg zum Verständnis der
Kunst. „Kunst verstehen“ aber glaube ich ist der Weg,
wie Eindriicke aus Kunstwerken vom anfänglich äußer-
lich sachlichen Interesse nach und nach zu immer tiefe-
rem innerlichem Mitgehen sich entwickeln, bis uns aus
den großen Kunstwerken Ahnungen letzter Lebens-
wahrheiten als Unaussprechliches und doch Allerwirk-
lichstes entgegentreten und uns tief berühren, dies, und
dies allein scheint mir der erstrebenswerte Weg zu
sein, Kunst verstehen zu lernen, den wir als Sammler
gehen sollen.

Solange Kunstwerke in diesem Sinne um uns sind,
bleiben sie nicht toter Besitz, sondern werden im höch-
sten Sinne produktiv für die Gemeinschaft aller und
auf diesem Wege kann die Kunst zu einem Faktor
werden, um die Menschheit aus äußerster Zerfahren-
heit wieder in ruhigere Bahnen zu führen, wo sie sich
nach jenen neuen, bisher als unwirklich verhöhnten
Zielen orientieren wird, die, heute noch nicht Form ge-
worden, undeutlich und traumhaft als Licht des Heils
in der Zukunft aufzutauchen scheinen.

Allzuviel stürmt auf uns ein aus dem Chaos der
Gegenwart und wir haben uns gewöhnt auch iiber

wichtige Dinge hinwegzulesen, hinwegzusehen und hin-
wegzuhören und so scheint in dieser Zeit der schwan-
kenden Werte und gemessen am Kunstbetrieb der Ge-
genwart solch hohe Mission der Kunst Utopie und Zu-
kunftstraum.

Kunst ist lieute Ware geworden, die den Gesetzen
von Angebot und Nachfrage unterliegt. Reklame-Po-
saunen preisen die Kunstwerke an, machen Kunst zu
Mode und trüben das Urteil unsicher gewordener
Sammler, fiir die der Kaufpreis zum Wertmaßstab ge-
worden ist. Um sicli von diesem Treiben ein Bild zu
machen, blicke man auf das Gebiet der Graphik. Ein
Wald von Unzulänglichkeiten wuchert über dem weni-
gen Guten, ungezählte Luxusdrucke und Mappenwerke
mit Raffinement nach reinen Äußerlichkeiten in ver-
schiedene Ausgaben abgestuft reizen die Sammlerwut
und escomptieren in ihren übersetzten Preisen eine
spätere Seltenheit und einen Sammlerwert, den sie nie
erreichen werden. Für den Wert eines Blattes spielt
Nummerierung und Unterschrift oft eine weit größere
Rolie als die wirklichen künstlerischen Qualitäten, für
deren Beurteilung die Fähigkeiten unter diesem Ge-
schäfts-Betriebe verkümmern müssen.

Unser aller Erleben ist in einem heillosen Indivi-
dualismus zersplittert und weil uns nichts zusammen-
liält, ist kein Maßstab mehr da, um all diese Mittel-
mäßigkeit in ihre Schranken zurück zu weisen. Der Tag
der Ernüchterung kann aber nicht all zu ferne sein. Die
Konjunktur auf dem Kunstmarkt wird Luft schaffen
für das wenige Gute, das in dem grausamen Spiele nicht
zu Grunde gegangen ist. Diesem Umschwung werden
tiefgreifende Änderungen auf andern Gebieten parallel
gehen miissen und nach und nach eine neue geistige
Atmosphäre schaffen, die Sammler und Kunstfreund als
Mitarbeiter am Kulturwerk der Menschheit schätzen
wird, wenn sie wieder in stiller, ernster Arbeit Werke
der Kunst auf ihre Qualität zu sichten wissen und damit
den Künstlern zum Förderer und vielen Suchenden zum
Wegweiser werden, wo die reifen und die edlen Früchte
im Garten der Kunst zu finden sind.

Bone

Dogana. Venice

Gutekunst und Klipstein
Bern

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