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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Januarheft
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Schmidt, Robert: Die Gläserausstellung des Österreichischen Museums und ihr Katalog
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0228

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sischen kunstgewerblichen Gebiet. In fast 200 Exem-
plaren rollte sich das ganze Schaffen dieses unendlich
fruchtbaren Meisters vor uns ab; die Ansichten — meist
aus Wien und seiner Umgebung — die Porträts, die
Tierfiguren, Blumen, Kalender, Spielkarten, die rein
ornamentalen und figürlichen Darstellungen: alle waren
sie in vielfältigsten Variationen aufgereiht. Weitere
Transparentmalereien von Schülern und Nachahmern
Mohns und Kothgassers schlossen sich an.

Über das Sondergebiet der „eingeglasten Pasten“
führte die Ausstellung dann zu den Werken des Glas-
schnitts, die von den zierlichen Arbeiten des Louis
XVI.-Stiles bis in die Mitte des Jahrhunderts überblickt
werden konnten. Die meisten Künstler jener Zeit sind
für uns noch anonym, nur einzelne kennen wir dem
Namen nach; so ist uns durch die Ausstellung der Glas-
schneider Fr. Gottstein, der vornehmlich in Gutenbrunn
tätig war, als ein wirklich hervorragender Meister
seines Fachs bekannt geworden. Aber auch unter den
anonymen Werken konnten mehrere ausgezeichnete
Gruppen zusammengestellt werden. Dem sehr reichen
Arbeitsfeld des Glasschleifers war genügender Raum
bewilligt worden, um alle Spezialitäten der in der
I. Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders beliebten
Technik des Glasschliffs kennen zu lernen.

Der dritte Schwerpunkt der Ausstellung aber lag
dann in den farbigen Gläsern, deren technische Sonder-
heiten klar geschieden und eindringlich vorgeführt
wurden. Wer sich viel mit diesen Dingen befaßt hat,
weiß, wie schwierig die teclinische Unterscheidung
dieser mannigfachen Spielarten oft ist. Wir können liier
nicht auf Einzelheiten eingehen; es rnöge genügen zu
konstatieren, daß die verschiedenen Gruppen der in der
Masse gefärbten Gläser, der Überfanggläser, der Gläser
mit Silbergelb- und Rubinätze, der „gestricherten“ Glä-
ser und endlich der Hyalith-, Lithyalin- und Steingläser
klar und überzeugend herausgearbeitet waren und über
die staunenswerte Viclseitigkeit des farbigen Dekors
höchst erwünschten Aufschluß gaben. Und daß auch
die einzelnen Farbnüancen innerhalb der angeführten
Gruppen wieder systematisch getrennt und ftir sich bc-

handelt waren, soll hier nur erwähnt werden. Fast
350 derartige Farbgläser unterrichteten über den Er-
findungsreichtum der böhmischen Hüttenmeister, voran
Fr. Egermann in Blottendorf-Haida und die Techniker
der gräflich Bouquoischen Hütten in Gratzen, Georgen-
thal und Silberberg.

Neben der Farbigkeit und dem Schliff- und Schnitt-
dekor kam natiirlich in der Ausstellung auch der große
Fonnreichtum der Biedermeierzeit zu beredtem Aus-
druck. Alle die Pokale, Becher, C.läser, Teller, Flaschen,
Krüge und Flakons zeigen trotz ihrer geringen Gliede-
rung und — vielfach plumpen — Untersetztheit docli
eine enorme Mannigfaltigkeit formaler Erfindungsgabe,
wie sie bei der Zerstreutheit der einzelnen Objekte
sonst niemals in solcher Bequemlichkeit studiert wer-
den konnten.

Alle diese Dinge sind nun wieder auseinandergeris-
sen und in die Vitrinen der Privatsammlungen und Mu-
seen zurtickgekehrt. Die Not der Zeit gestattete es
nicht, ein großes zusammenfassendes Werk mit reichen
Abbildungstafeln als Quintessenz der Ausstellung her-
auszugeben, wie wir das von früheren Ausstellungs-
unternelimungen des Museutns am Stubenring gewöhnt
waren. Als Ersatz dafür, aber als ein ausgezeichneter
Ersatz, liegt uns der Katalog vor, den Trenkwald in
langer Arbeit mit peinlichster Sorgfalt verfaßt hat. Auf
fast 350 Seiten verzeichnet er Stück für Stück der aus-
gestellten Objekte und gibt in einer klar geschriebenen,
sachlich-gedrängten Einleitung alles Wissenswerte,
was zum Verständnis und zur historischen wie techni-
schen Bewertung der iiber 1000 Gegenstände nötig ist.

Neununddreißig Abbildungen, darunter vier far-
bige, tun ein Übriges, um diesen Katalog nicht nur zu
einer ausgezeichneten Erinnerung an die Ausstellung,
sondern einfach zu einem fiir jeden Fachmann, Sammler
und Liebhaber unentbehrlichen Handbuch zu machen.
Wir wünschen diesem meisterlichen Katalog weiteste
Verbreitung; wenn auch sein Preis in Kronen ausge-
drückt, eine relativ hohe Ziffer aufweist, so ist er als
Leistung bei weitem damit nicht bezahlt.

Joseph Pennel
Carnegies Works Homestead
Radierung

Aus dem Katalog:
Sammler-Graphik der
Kunsthandlung Heinrich Trittler
Frankfurt a. M.

192
 
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