Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Januarheft
DOI Artikel:
Schweinfurth, Philipp: Das unsterbliche Griechenland, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0260

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tragen. Die Resultate dieser Expedition finden sich
veröffentlicht in: Koraku, a prehistoric settlement near
Corinth, by Carl W. Blegen. Boston 1921. (4°, 134 S.
Vli. Taf.). Das gesamte System der vormykenischen
und der auf dieselbe folgenden mykenischen Festland-
keramik umfaßt einen Zeitraum der vom frühen Bronze-
zeitalter bis zum Ende der spätminoischen Periode auf
Kreta (Third Late Minoan) reicht. Für die Kulturent-
wicklung des Peloponnes und des östlichen und zen-
tralen Griechenland sind hierdurch wichtige Anhalts-
punkte gegeben, die mit Phylakopi und Knossos, mit den
Kulturstufen der Cykladen und denen von Kreta, in
Parallele gestellt werden können. Bisher sind die drei
wesentlichen Stufen der vormykenischen Festland-
keramik die Urfirnisgruppe, die Minysche Gruppe und
die Gruppe der Mattmalerei gewesen. Jetzt soll statt
Urfirnis „Frühhelladisch“ (Early Helladic) gebraucht
werden, womit angedeutet ist, daß der spezifische Furt-
waengler’sche Urfirnis von Orchomenos nur eine Art
der betreffenden Gruppe darstellt. Die Minysche Gruppe
und die Mattmalerei sollen fortan als , Mittelhelladisch“
(Middle Helladic) zusammengefaßt werden, während die
letzte, „Späthellenische“ Stufe (Late Hclladic) durch die
mykenische Keramik charakterisiert wird.

Wie man sieht, ist die eigentliche prae-mykenische
Festlandkeramik in die Gruppen des Early Helladic nnd
des Middle Helladic eingeschlossen. In der letzten
Gruppe kommt dem in seinem Ursprung noch nicht auf-
geklärten Minyan eine besondere Bedcutung zu. In
Mykene selbst gehört das früheste, sechste Schacht-
grab noch dem Ende des Middle Helladic an, die tibrigen
Schachtgräber falleri in den Beginn des Late Helladic,
in dessen weiterem Verlauf die Zeit der Kuppel- und
Kammergräber sowie der Erbauung des Löwentors, des
erweiterten Mauerrings und des neuen Palasts statt-
findet (um 1400 vor Chr.). Itn Ganzen gewinnen wir
nach den Ausführungen im Annual XXII folgendes Bild:
Im Anfang besteht das primitive Early Helladic, in der
frühen Bronzezeit noch ein Sammelbegriff ftir das Fest-
land, die Cykladen und das vorminoische Kreta. Dieses
letzere verselbständigt sich bald und erzeugt, vielleicht
unter ägyptischem Einfluß, die eigentliche minoische
Kultur. Auf dem Festlande taucht währenddessen in
dem anbrechenden Middle Helladic ein neuer Kerami-
scher Typus auf, deu sich vom Early Hehadic grund-
sätzlich unterscheidet, Indes seinerseits nicht von
Kreta stammt; eben das Miuyan. Es sind prächtige,
auf der Scheibe hergestellte graue, gelbe uud rote Ge-
fäße, unbemalt bis auf die späte Abart des sogenannten
hphyrean, hier und da mit eingeritzten Ornamenten
versehen, meist in der Form von großen Bechern, deren
Füße mit Ringen belegt sind, und die Metallgerät zu imi-
tieren scheinen. Ob dieses Minyau auf dem Festlande

entstanden oder vielleicht aus Kleinasien kam, ist un-
gewiß. Wichtig ist aber, daß es sich bis in das Late
Helladic hinein erhält, bis in die Zeit der stärksten Be-
einflussung des Festlandes durch das minoische Kreta.
Wahrscheinlich ist überhaupt die hohe Qualität des
bodenständigen Minyan die Ursache davon gewesen,
daß das Late Minoan sich auf dem Festlande zum Myce-
naean verwandelt hat. In letzteres geht das Minyan
schließlich über. Ferner ist wichtig, daß zwischen dem
Early Helladic und dem Minyan des Middle Helladic ein
prinzipieller Unterschied besteht, während durch das-
selbe Minyau das Middle Helladic in genetischen Zu-
sammenhang zum Late Helladic gebracht wird.

Das neuentdeckte Kuppelgrab, der Tholos des
„Aegisthos“, ist das achte seiner Art in Mykene. Es
liegt unmittelbar neben dem Tholos der „Klytämnestra“,
quer über dessen Dromos librigens schon Tsuntas Reste
eines hellenischen Theaters entdeckt hat, von dem jetzt
Spuren der unterste'n Stufenreihe und der Orchestra
zutagegetreten sind. Daß ich mich während eines kur-
zen eintägigen Besuchs auf den Stätten der Grabungen
und im Magazin der Funde (die in das Museum von
Nauplia gelangen sollen) orientieren konnte, verdanke
ich dem Entgegenkommen der Herren Wace, Hartley
und de Jong, die inmitten ihrer Arbeit in liebenswürdig-
ster Weise Zeit fanden, mir wertvolle Hinweise zu
geben. Zusammen mit ihnen war in Mykene noch Miß
Eldridge vom amerikanischen Institut tätig.

Daß man die Urheber der Kultur von Mykene mehr
ahnt als kennt, verleiht dem Eindruck dieser mächtigen
Stätte besondere Gewalt. Das Geschlecht, das diese
Stadt- und Grabbauten gefügt, das den Mauerkreis des-
heiligen Bezirks gezogen, es war nicht nur der erste
kühne Vorläufer des wunderbaren Volkes, das nach ihm
gekommen, sondern die Werke jener Tage sind über-
haupt die grundlegenden Vorstufen der europäischen
Gesittung bis auf den heutigen Tag. Wir fühlen, wie
wir selber auf ihnen ruhen. Dem Besuch von Mykene
folgten die Eindrücke von Tiryns, Nauplia und Epidau-
ros. Bald darauf verließ ich Griechenland. Die Lichter
von Patras verschwanden in der Nacht; am nächsten
Morgen schon folgte auf die Stille der griechischen
Landschaft das Gewühl der Ewigen Stadt. Doch der
mächtige, alles bezwingende römische Schein läßt die
Wahrheit von Athen umso ergreifender hervortreten.
Auch Italien gegenüber ist der Boden von höherer Art,
auf dem man eben noch stand. Und ein unsterblicher
Hauch dringt herüber aus der Sonnensphäre jenes Lan-
des, wo der hellenische Genius, göttlich und sichtbar zu-
gleich, heute wie vor alters in der Harmonie von Him-
mel, Meer und Erde lebt.

„Dort steigt ihm eiu ewiger Päan hervor.“

QpnpQüqpqo

□möiöBonDoöDiD

220
 
Annotationen