derholen. Fiir Hans Lindner - Löbau liaben dic
Oberflächenreize des zufälligen Naturausschnitts kein
Interesse. Seine landschaftlichen Motive müssen sich
durch Abstraktion und Einfühlung eine völlige Umwer-
tung gefallen lassen. Eintönig graues Land, darüber
schwerer Himmel, von Wolken verhangen, wird ihm
zur „Melancholie“ schlechthin. Die „Abendrhythmen“
leben vom wohllautenden Zusammenklang entlebendig-
ter Wolken und Baumsilhouetten. Alle Natur ist fort-
stilisiert, die Farbe vergraut und entnervt. Die Gefahr
allzugroßer Gleichförmigkeit droht, doch erstreckt sie
sich nicht auf seine Radierungen, unter denen die
„Brücke“ einen Ausschnitt aus der „guten alten Zeit“
mit all ihrer Verträumtheit iiberzeugend zu geben weiß.
Daneben iiberrascht Otto Engelhardt-Kyff-
liäuser (Görlitz) gerade durch die Mannigfaltigkeit
seines Wesens. „Die Heiligen von Lagnicourt“, ein
seltsam literarisches, romantisch gefärbtes Historien-
bild, scheinen viel eher ins verflossene Jahrhundert zu
gehören. Uns heute, die wir vor allem fordern, „Ein
Maler soll malen“, erscheint das Motiv zu rätselvoll, das
Ganze zu farblos. Seine „Sirenen“, die als schlanke
Dreieinheit dem Meere entwachsen, sind formal gewiß
eine elegante Lösung zu nennen. Jedoch das Haften
am Zeichnerischen, die geistreiche Konstruktion als
solche, kurzum die Absichtlichkeit drängt sich überall
zu stark in den Vordergrund und läßt den Beschauer
nicht warm werden. Ebenso geht es ihm vor der
„Schlangentänzerin“, um die der Hintergrund schwe-
felig-grünliche'-Räder schlägt. Man wird an Stuck er-
innert, doch fehlt die strenge Tektonik des Münchner
Meisters. Man denkt an Degas, vermißt aber den wir-
belnden Rausch von Farben, Licht und Duft seiner flim-
mernden Theaterwelt. In einigen Radierungen gibt sicli
Engelhardt unkonventionell und natürlich. So in dem
Blatt „Beim Dreschen“, wo im duftigen Sprühregen der
Körner und Stäubchen die kleinen Figuren geschäftigter
Menschen untertauchen; so auch in der Radierung ,.Die
Bettler“, wo alles Berechnend-Formelle von ihm ab-
fällt und reine Menschlichkeit in großer Auffassung her-
vortritt; oder im „Totentanz“, wo sich formale Bega-
bung mit Schlichtheit des Gedankens am glücklichsten
verbindet. Engelhardts Bilder könnten eine Sammlung
aller Kräfte auf eine enger umgrenzte aber ureigene
Welt an Tiefe und Ursprünglichkeit nur gewinnen. —
Ganz und gar bodenständig, voll Saft und Kraft, zeigt
sich Hans Langer, Niederoderwitz. Vor jedem seiner
Bilder kann man sagen, das ist „eigenes Gewächs“!
Seine Landschaft atmet Breite und Behaglichkeit in
Farben und Formen. Seine Bauerntypen sind von
schwerem, gemütlichen Schlage, voll treffsicherer, hu-
moristischer Charakteristik, die durch den flotten
Schwung seiner Umrißlinie Simplizissimus-Karikaturen
streift. Mit Hans Fritz W e r n e r , einem Albiker-
schüler, kommt auch die Plastik zu Worte, durch kleine
Majoliken, in denen sich neckisch-naives Wesen mit-
unter zu liebenswürdiger Koketterie steigert. Mit
diesem zierlichen Schnörkel klingen die Darbietungen
des „Bundes“ aus. Nun zur „Künstlervereinigung“!
Während beim „Bunde“ die Begabungen rnannig-
faltig, aber doch mehr oder weniger koordiniert neben-
einander standen, springen hier die beiden Eckpfeiler
Kurth und Heinike, von denen die „Vereinigung“ ganz
sichtlich getragen wird, sofort energisch in die Augen.
Es will nicht recht gelingen, Künstler wie Berthold
Hunger, Georg Neugebauer u. a. vermittelnd zwi-
schen ihnen einzuschälten. Georg Neugebauer
z. B. mit seinem ruhig-breiten Impressionismus, seiner
Vorliebe für Liclrt- und Schattenspiel, für Hell-in-Hell-
malerei und kühler, meist auf Blau und Grün gestimm-
ten Farbigkeit, ließe sich viel eher unter entsprechende
Vertreter des „Künstlerbundes“ einreihen. Auch Hun-
gers zeichnerisch und farbig wohlabgewogener Natu-
ralismus würde hier nicht aus detn Rahmen fallen. Paul
W i c k e s koloristisch fein empfundene Pastelle
wecken Erinnerungen an Liebermanns holländische
Periode. Die Kunst Fritz K u r t h s dagegen steht auf
einem völlig andern Blatt. Sein großer Christus „Am
Kreuz“ ist nicht von dieser Welt der körperhaft ge-
bundenen Materie. Er wird vielmehr zum Kampfplatz
zweier starker, übersinnlicher Gewalten, die verzwei-
felt miteinander ringen; Schmerz, Todesnot, Fülle des
Leidens auf der einen und eine allmählich erstarkende
Erlösungszuversicht auf der andern Seite. Zum aus-
schließlichen Träger beider wird die Farbe: Sie steht
in fahler Blässe an Stelle des überwundenen Körpers,
der kein Körper mehr ist; sie schreit im Rot des ge-
öffneten Mundes die des Blau, als hellschimmerndes
Rot, von weißiichen Lichtern durchzuckt, versöhnend
und lebensbejahend aus den Tiefen auf; und wo sie als
weißglühender Heiligenschein das gebrochene Schmer-
zenshaupt, den Kulminationspunkt des Leidens, um-
fließt, prallen Lebens- und Todesgedanke hart aufein-
ander.
Wie Kurth arbeitet, wenn er an die Form gebunden
ist, zeigt sein Bildnis des Domdekan S. Die Einstel-
lung auf die Farbe ist im Grunde dieselbe. Sorgfältig
ist mit ihrer IJilfe die Tektonik des Kopfes bewältigt, in
Akzenten wird sie am Gewande, im Hintergrund aus-
gespielt, stets paßt sie sicli der vornehmen Zurückhal-
tung an, die für das Wesen des Dargestellten bezeich-
nend ist. Größere Freiheit zeigt dagegen die Bildnis-
zeichnung eines weiblichen Kopfes, der den seltsam-
spliinxartig.cn Zug eines menschlichen Wesens packend
herausholt und auf eine ausdrucksgesättigte Linien-
formel bringt. — Was aus diesen wenigen Beispielen
spricht, ist Persönlichkeit, Reife und Können. In seinen
freien Schöpfungen bekennt sich der junge Künstler zu
einem kraftvollen Farben-Expressionismus in der Art
Noldes, doch tragen seine Schöpfungen bereits den
Steinpel starker Eigenart an der Stirne. — Georg Karl
H e i n i k e geht in seinen Holzschnitten mit einer Ge-
radheit und Frische aufs Ziel los, die etwas Herzhaftes,
Befreiendes hat. Im Zickzack holperiger Gassen, in
verwunschenen Winkeln spiegelt sich Alt-Bautzen in
gesunder Tageslichtromantik wieder. Das Schwarz-
Weiß seiner Schnitte „sitzt“ mit Sicherheit, wie der
auf nur wenige Ausdruckslinien eingestellte „Christus-
270
Oberflächenreize des zufälligen Naturausschnitts kein
Interesse. Seine landschaftlichen Motive müssen sich
durch Abstraktion und Einfühlung eine völlige Umwer-
tung gefallen lassen. Eintönig graues Land, darüber
schwerer Himmel, von Wolken verhangen, wird ihm
zur „Melancholie“ schlechthin. Die „Abendrhythmen“
leben vom wohllautenden Zusammenklang entlebendig-
ter Wolken und Baumsilhouetten. Alle Natur ist fort-
stilisiert, die Farbe vergraut und entnervt. Die Gefahr
allzugroßer Gleichförmigkeit droht, doch erstreckt sie
sich nicht auf seine Radierungen, unter denen die
„Brücke“ einen Ausschnitt aus der „guten alten Zeit“
mit all ihrer Verträumtheit iiberzeugend zu geben weiß.
Daneben iiberrascht Otto Engelhardt-Kyff-
liäuser (Görlitz) gerade durch die Mannigfaltigkeit
seines Wesens. „Die Heiligen von Lagnicourt“, ein
seltsam literarisches, romantisch gefärbtes Historien-
bild, scheinen viel eher ins verflossene Jahrhundert zu
gehören. Uns heute, die wir vor allem fordern, „Ein
Maler soll malen“, erscheint das Motiv zu rätselvoll, das
Ganze zu farblos. Seine „Sirenen“, die als schlanke
Dreieinheit dem Meere entwachsen, sind formal gewiß
eine elegante Lösung zu nennen. Jedoch das Haften
am Zeichnerischen, die geistreiche Konstruktion als
solche, kurzum die Absichtlichkeit drängt sich überall
zu stark in den Vordergrund und läßt den Beschauer
nicht warm werden. Ebenso geht es ihm vor der
„Schlangentänzerin“, um die der Hintergrund schwe-
felig-grünliche'-Räder schlägt. Man wird an Stuck er-
innert, doch fehlt die strenge Tektonik des Münchner
Meisters. Man denkt an Degas, vermißt aber den wir-
belnden Rausch von Farben, Licht und Duft seiner flim-
mernden Theaterwelt. In einigen Radierungen gibt sicli
Engelhardt unkonventionell und natürlich. So in dem
Blatt „Beim Dreschen“, wo im duftigen Sprühregen der
Körner und Stäubchen die kleinen Figuren geschäftigter
Menschen untertauchen; so auch in der Radierung ,.Die
Bettler“, wo alles Berechnend-Formelle von ihm ab-
fällt und reine Menschlichkeit in großer Auffassung her-
vortritt; oder im „Totentanz“, wo sich formale Bega-
bung mit Schlichtheit des Gedankens am glücklichsten
verbindet. Engelhardts Bilder könnten eine Sammlung
aller Kräfte auf eine enger umgrenzte aber ureigene
Welt an Tiefe und Ursprünglichkeit nur gewinnen. —
Ganz und gar bodenständig, voll Saft und Kraft, zeigt
sich Hans Langer, Niederoderwitz. Vor jedem seiner
Bilder kann man sagen, das ist „eigenes Gewächs“!
Seine Landschaft atmet Breite und Behaglichkeit in
Farben und Formen. Seine Bauerntypen sind von
schwerem, gemütlichen Schlage, voll treffsicherer, hu-
moristischer Charakteristik, die durch den flotten
Schwung seiner Umrißlinie Simplizissimus-Karikaturen
streift. Mit Hans Fritz W e r n e r , einem Albiker-
schüler, kommt auch die Plastik zu Worte, durch kleine
Majoliken, in denen sich neckisch-naives Wesen mit-
unter zu liebenswürdiger Koketterie steigert. Mit
diesem zierlichen Schnörkel klingen die Darbietungen
des „Bundes“ aus. Nun zur „Künstlervereinigung“!
Während beim „Bunde“ die Begabungen rnannig-
faltig, aber doch mehr oder weniger koordiniert neben-
einander standen, springen hier die beiden Eckpfeiler
Kurth und Heinike, von denen die „Vereinigung“ ganz
sichtlich getragen wird, sofort energisch in die Augen.
Es will nicht recht gelingen, Künstler wie Berthold
Hunger, Georg Neugebauer u. a. vermittelnd zwi-
schen ihnen einzuschälten. Georg Neugebauer
z. B. mit seinem ruhig-breiten Impressionismus, seiner
Vorliebe für Liclrt- und Schattenspiel, für Hell-in-Hell-
malerei und kühler, meist auf Blau und Grün gestimm-
ten Farbigkeit, ließe sich viel eher unter entsprechende
Vertreter des „Künstlerbundes“ einreihen. Auch Hun-
gers zeichnerisch und farbig wohlabgewogener Natu-
ralismus würde hier nicht aus detn Rahmen fallen. Paul
W i c k e s koloristisch fein empfundene Pastelle
wecken Erinnerungen an Liebermanns holländische
Periode. Die Kunst Fritz K u r t h s dagegen steht auf
einem völlig andern Blatt. Sein großer Christus „Am
Kreuz“ ist nicht von dieser Welt der körperhaft ge-
bundenen Materie. Er wird vielmehr zum Kampfplatz
zweier starker, übersinnlicher Gewalten, die verzwei-
felt miteinander ringen; Schmerz, Todesnot, Fülle des
Leidens auf der einen und eine allmählich erstarkende
Erlösungszuversicht auf der andern Seite. Zum aus-
schließlichen Träger beider wird die Farbe: Sie steht
in fahler Blässe an Stelle des überwundenen Körpers,
der kein Körper mehr ist; sie schreit im Rot des ge-
öffneten Mundes die des Blau, als hellschimmerndes
Rot, von weißiichen Lichtern durchzuckt, versöhnend
und lebensbejahend aus den Tiefen auf; und wo sie als
weißglühender Heiligenschein das gebrochene Schmer-
zenshaupt, den Kulminationspunkt des Leidens, um-
fließt, prallen Lebens- und Todesgedanke hart aufein-
ander.
Wie Kurth arbeitet, wenn er an die Form gebunden
ist, zeigt sein Bildnis des Domdekan S. Die Einstel-
lung auf die Farbe ist im Grunde dieselbe. Sorgfältig
ist mit ihrer IJilfe die Tektonik des Kopfes bewältigt, in
Akzenten wird sie am Gewande, im Hintergrund aus-
gespielt, stets paßt sie sicli der vornehmen Zurückhal-
tung an, die für das Wesen des Dargestellten bezeich-
nend ist. Größere Freiheit zeigt dagegen die Bildnis-
zeichnung eines weiblichen Kopfes, der den seltsam-
spliinxartig.cn Zug eines menschlichen Wesens packend
herausholt und auf eine ausdrucksgesättigte Linien-
formel bringt. — Was aus diesen wenigen Beispielen
spricht, ist Persönlichkeit, Reife und Können. In seinen
freien Schöpfungen bekennt sich der junge Künstler zu
einem kraftvollen Farben-Expressionismus in der Art
Noldes, doch tragen seine Schöpfungen bereits den
Steinpel starker Eigenart an der Stirne. — Georg Karl
H e i n i k e geht in seinen Holzschnitten mit einer Ge-
radheit und Frische aufs Ziel los, die etwas Herzhaftes,
Befreiendes hat. Im Zickzack holperiger Gassen, in
verwunschenen Winkeln spiegelt sich Alt-Bautzen in
gesunder Tageslichtromantik wieder. Das Schwarz-
Weiß seiner Schnitte „sitzt“ mit Sicherheit, wie der
auf nur wenige Ausdruckslinien eingestellte „Christus-
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