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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Märzheft
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Leporini, Heinrich: Das Rembrandtwerk in Albertina
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0340

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Nachtstück der Verkündigung an die Hirteu (B. 44).
Der prachtvolle Abdruck des II. Zustandes (nur noch im
British Museum) und des III. Zustandes zeigen dieses
Meisterwerk Rembrandts in seinem ganzen reichen
Stimmungsinhalt. Das herrliche Blatt mit dcni Tod der
Maria (B. 99) ist in wundervollen frühen Drucken mit
feiner Gratwirkung der Kaltnadelstriche vertreten. Von
Radierungen der 30 er Jahre müssen Adam und Eva
(B 28) im I. Zustand (nur noch im British Musenrn), die
große Judenbraut (B. 340) im unvollendeten I. Abdruck,
und der kleine Pole mit dem Federbarett (B. 142) als
große Seltenheiten Erwähnung finden. Voir Blättern
der 40 er Jahre ist das scliöne besonders intim aufge-
faßte Selbstporträt, Rembrandt am Fenster zeichnend,
(B. 22) in allen Zuständen vorhanden. Der unvollendete
erste mit dem starken Plattengrat, der in dunklen
Schattenstrichen zusammenfließt, gehört zu den größten
Seltenheiten und zeigt die Gharakterisierung im Ge-
sichtsausdruck des in der Reife seiner Entwicklung
stehenden Künstlers noch viel klarer als die spätern
ebenfalls prächtigen Abdrücke.

Von den Landschaftsradierungen ist die großartige
Stimmungslandschaft „die drei Bäume“ (B. 212) gleich
in zwei prachtvollen frühen Abdrücken mit reicher
Gratwirkung vorhanden. Besonders reich ist auch die
Spätzeit, die reifste Schaffensperiode des Künstlers, in
seltenen Drucken-vertreten. Das Eccehomo im Quer-
format im I. Zustand auf Japanpapier (B. 76) mit wun-
dervoller Gratwirkung kam mit drei andern Zuständen
vor und einem nach der Entfernung der Vordergrund-
figuren aus der Raiserlichen Sammlung in die Albertina.
Die ergreifende Darstellung „Die drei Kreuze“ (B. 78)
ist in den äußerst seltenen ersten drei Zuständen und
dem gleichfalls sehr seltenen vierten Zustand — mit der
veränderten Zeichnung — zu sehen, der heil. Franzis-
cus (B. 107) in einem prächtigen ersten Abdruck auf
Japan mit schöner Gratwirkung, der Zeichner nach dem
Modell (B. 192) in dem wirkungsvollen ersten (nur noch
im British Museum) und einer ganzen Reihe späterer
Abdrücke.

Dem wundervollen Radierwerk schließen sich eine
Reihe von Handzeichnungen aus dem Besitze der alten

Albertina an — nicht viel aber von hervorragender
Qualität. Hofstede de Groot führt in seinem Katalog
102 Blatt (1395—1497) an. Ungefähr ein Drittel davon
kann auch der strengsten, in vernünftigen Grenzen ge-
haltenen Kritik standhalten. Übrigens sind darunter
auch jene Hauptblätter mitgezählt, die außer allem
Zweifel stehen, wahre Prachtstücke, so das berühmte
Gastiglioneporträt, das Rembrandt 1639 während der
Versteigerung einer Kollektion italienischer Bilder nach
dem Original von Raffael skizziert hat; aus den friihen
Dreißiger Jahren mehrere charakteristische Griffone-
ments und Kreidezeichnungen, so die beiden Elephan-
tenstudien (H 1400, 1402), der Entwurf zur Münchner
Kreuzaufrichtung (H. 1423), drei ausgezeichnete Tobias-
darstellungen, (H. 1406—7 und 1409), die Enthauptung
des Johannes (1415), die Prozession des Papstes
Alexander, nach Gentile Bellini kopiert (H. 1429), aus
der Reifezeit der prachtvolle männliche Akt (H. 1463),
Studie zur Radierung B. 194 und zwei der wunder-
vollsten Landschaftszeichnungen in lavierter Feder-
zeichnung (H. 1482 und 1487), die durch illusionistische
Formwirkung mit dem Durchblick durch das offene Tor
besonders fesselnde Dorfstraße und die herrliche Kanal-
landschaft aus den 50 er Jahren, mit wenigen Strichen
ganz malerisch und impressionistisch aufgefaßt.

Durch die Formenklarheit und Treffsicherheit des
künstlerischen Ausdrucks als sicher charakterisierte
Rembrandtzeichnungen sind dann noch zu nennen: C.ott
erscheint dem Abraham (H. 1395), Judas (1421), zwei
Darstellungen aus der Pauluslegende (H. 1424—25),
Merkur und Argus (1428), dann die im Stil der frühen
Griffonements gehaltenen Studien (H. 1400, 1402, 1437,
1441, 1446, 1447, 1451, 1455, 1460, 1481), schließlich noch
die schöne Landschaft im Stil der Radierung „das Land-
gut des Goldwagers“ (H. 1492), der betende Hierony-
mus (H. 1426) und die beiden Darstellungen aus der
Pauluslegende (H. 1424—5) aus der reifen Spätzeit der
fünfziger Jahre.

So bildet die Rembrandtsammlung einen Haupt-
schatz der neuen Albertina und bietet dem Besucher ein
durch die Qualität der Stücke eindrucksvoll abgerun-
detes Bild von Rembrandts Radier- und Zeichenkunst.

Spätsommer

Ölgemälde von
G. J. Kern


28S
 
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