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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Märzheft
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Kohlhaussen, Heinrich: Das Olderburger Schloßmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0366

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damit künstlerische Notwendigkeiten (vielleicht z. T.
aus Originalitätssucht, die Schule den Meister), über-
steigernde Farbigkeit einer oft von Raum zu Raum
wechselnden Bemalung, kann heute schon die prinzi-
pielie Eröterung eines Berufenen finden. Material (Vor-
bilder und Gegenbeispiele) dafür ist genugsam unter den
Neueinrichtungen der letzten Jahre vorhanden. Zuge-
geben die von Haus zu Haus, von einer zur anderen
Einrichtung durch das jeweils andere Material, die
immer andersgestalteten Räume veränderte Aufgabe,
müssen sich doch künstlerische, sozusagen allgemein-
gütlige Normen finden lassen. Man müßte sich zum
mindesten darüber einig werden können, wo in den
letzten 5 Jahren ein Exempel zu statuieren ist oder eine
Lösung gefunden zu sein scheint. Besondere Stellung
nehmen die Schloßmuseen ein, die oft von Raum zu
Raum Sonderaufgaben stellen.

Man vergegenwärtige sich mittelalterliche monu-
mentale Kunst in kleinen ursprünglich intimen Wohn-
räumen oder intime bürgerliche Spätgotik in pompösen
Hallen! Man erinnere sich der Aufdringlichkeit, durch
die die alte überreiche, meist barocke Innendekoration
des Berliner Schiosses nicht nur die Werke mittelalter-
licher Kunst in ihrer Wirkung zu schädigen sucht.

Anspruchsloser sind die meist schmucklosen Räume
des Karlsruher Schlosses, das nicht zuletzt durcli die
einfühlende Fähigkeit und organisatorische Kraft von
Dr. Rott unter Belassung der Prunkräume und iiber-
zeugender Umgestaltung der anderen zu neuer Einheit,
zu einem Schloßmuseum wurde.

Bis auf wenige Räume ohne künstlerischen Gehalt,
u.nd deshalb am besten zur Veränderung geeignet, war
die über 4 Stockwerke sich erstreckende Folge von
— mit Ausnahme des 1. Obergeschosses — kleinen und
mittelgroßen Räumen des alten Oldenburger Schlosses.
Eine Aufteilung des reichen Besitzes ergab dessen Zu-
sammensetzung. Mittelalterliche Skulpturen und Klein-
kunst, barocke durch nachbarlichen Einfluß von West-
falen und Holland entstandene Biidwerke, Möbel und
Keramik, reiche, in den Einzelbezirken der Landschaft
zu anderen Formen erwachsene Bauernkunst, durch
fiirstliche Liebhaber gekaufte und bestellte Gemälde,
akzentuieren den Bestand und bestimmen die Gliede-
rung. — Der Rundgang durch die in 3 Stockwerken auf-
gestellten kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlun-
gen, läßt zuerst eine mehr zufällig erscheinende kleine
Auswahl ägyptischer und antiker Kleinkunst sehen, die
folgenden sechs, mittelalterlicher Kunst vorbehaltenen,
Räume enthalten neben reichen Proben bäuerlicher
Schnitzkunst wertvolle kiinstlerische Dinge. Frühe
Steinsärge, ein herrlicher, den Geist des 12. Jahrh. be-
wahrender, bärtiger Männerkopf aus Stein, romanische
Elfenbeinschnitzereien, ein messinggegossener Kreuz-
fuß mit der Geburt Christi von der Maas, dem bekann-
teren Stiick im Nürnberger germ. Nationalmuseum ver-
wandt, ein steinernes Taufbecken mit Reliefszenen vor
gerautetem Grund, das durch den Stil der Gewandung,

Haltung, Locken, wie die Grundmusterung den späten
Arbeiten der Reimser Kathedrale nahe steht und das,
wenn heimatliche Schöpfung dann die eines in Nord-
frankreich unmittelbar berührten Geistes aus der Zeit
um 1300 ist. Weiterhin fallen in die Augen eine Bischofs-
figur des 14. und eine Madonna vom frühen 15. Jahrh.,
ein eichengeschnitzter und vergoldeter, mit reliefierten
Gruppen und Gestalten auf Seiten- und Dachflächen ge-
schmückter Schrein aus Wiarden um 1400, der Bremer
Vorbild (Schrein des Cosmas und Damian, jetzt in der
Michaelskirche München) nachgefolgt zu sein scheint.
Die Übersetzung einer, der Goldschmieaekunst vörbe-
haltenen Arbeit, unter Beibehaltung deren Stiles und
Aussehens auf das Holz, mag wohl in der pekuniären
Bedrängnis der Besteller ihren Grund gehabt haben.
Dazwischen ein paar Bildchen sienesisc'ner Herkunft,
eine mit dem Namen des Hausbuchmeisters bedachte
Annaselbdritt, ein Kranachbruchstück, ein Niederländer
des 16. Von den Kreuzigungsdarstellungen überrascht
ein Johannes unter dem Kreuz am meisten durch die
ilun eigene, aus Gei'st und Blut der engeren Landschaft
genährte Formung. Heimatliche Möbel und Skulpturen
der Renaissance- und Barockzeit gruppieren sich um
das in Bruchstücken vorhandene Werk des über Nord-
westdeutschland hinausragenden Schnitzers Ludwig
Münstermann, das vollständig demnächst durch eine
Doktorarbeit von Martha Riesebieter bekannt wird.
Außerhalb des Zusammenhanges erscheinen einige Re-
naissancegobelins, ein prächtiges Buchsmedaillon des
Matthes Gebel, ein Limousinemail. Es folgen hambur-
ger und holländische Fayencen, Möbel und Bilder, nach-
barlichem Einfluß gemäß. Die Fayencesammlung des
durch eine Beauvaistapete nach Berain geschmückten
Saales gipfelt in den Tafelaufsätzen der heimischen
Manufaktur Jever, die zum Teil als Leihgabe aus der
Riesebieterschen Sammlung kommen.

Die Proben späterer Kunsttätigkeit vornehmlich des
Oldenburger Landes in Möbeln, Zunftsachen und Klein-
gerät vermitteln zu den irn Dachgeschoß unterge-
brachten bäuerlichen Trachten, Mobiliar und Hausrat,
die in zeitlich und örtlich fixierten Zimmereinrichtungen
das Flett eines Bauernhauses aus dem 18. Jahrh. um-
schließen. Schmuckformen der unter sich verschie-
derien Landschaften: Wehde, Jeverland, Ostfriesland,
Saterland, Münsterland reihen sicli an. Die mit guten
Bildern durchsctzte Galerie ist noch in Unordnung und
wird nach geglückter Hängung und wissenschaftlicher
Erschließung eigener Besprechung wert sein.

Bemerkenswert ist der mit den Bildern im Ein-
klang stehende, konsequent bis auf Wandekorierung
und Einrichtung mit modernsten Möbeln und Klein-
gerät durchgeführte Versuch zweier Gegenwartsräume,
die Bilder von P. Modersohn, Heckel und Schmitt-Rott-
luff. Daß diese in der Landschaft gemalt haben, recht-
fertigt ihre Änwesenheit im engeren Sinne und sei An-
sporn und Mahnung zugleich.

Die zuin Teil überhastet für den Eröffnungstag vor-
bereitete A u s s t e 11 u n g läßt, zumal die Leistung

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