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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Märzheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Buchkünstler der Gegenwart und Buchkunstwerkstätten, [2]: die Engel-Drucke
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0368

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Geheiitmis des gefüiiivollen Druckers ist. Sie entslelit
aus jenen Besonderheiten, die nicht allein ästhetisch.
die auch psychologisch den Gesamteindruck eines
Buchdruckwerkes hervorbringen, der uns bisweilen
sogar, wie etwa bei einigen altberühmten Buchkunst-
meisterwerken, offenbare Kunstfehler übersehen und
vergessen läßt, sie kommt aus dem lebendigen Kunst-
schaffen, das dem toten Druckwerk die Seele ein-
haucht und sie ist auch von dem Leser zu empfinden,
nicht zu ergründen. Der Versuch einer analysierenden
Beschreibung wtirde hier doch nicht zu einer ausrei-
chenden Synthese führen.

Der Weltkrieg unterbrach die Berufstätigkeit des
Herrn Engel und die Reihe seiner kleinen Drucke der
Technischen Lehranstalten. Wieder zurückgekehrt,
ließ er 1914 FriedrichHölderlin,DerRhein,
E i n Fragment, erscheinen. Das Büchlein erweist,
daß er Manns genug ist, billige Buchpathetik zu ver-
schmähen. Die feingegliederte Schrift, die Randleisten,
die den Satzspiegel ebenso wie den Bildnis-Schatten-
riß des Dichters lialten, ersticken nicht den echten Ton
der Verse, indem sie ihn auf dem Resonanzboden typo-
graphisch auseinandergezogener Seiten überlaut an-
schwellen lassen. Ähnlich andachtsvoll ist des gleichen
Dichters Gesang der Deutschen (1920) ge-
setzt und gedruckt worden. Das Buch atmet, der Dich-
tung folgend, Größe, (mißt sie jedoch nicht durch ein
„monumentales Format“ ab), es versinnlicht sie durch
seine edle Haltung, durch seine schlichte Ruhe. Es
verzerrt sie auch nicht zu einer Zeitanspielung. In dem
Maßhaltenkönnen offenbart sich auch das Druckenkön-
nen, in dem Maßhalten nicht allein beim Druckver-
fahren selbst, sondern auch bei seiner angenommenen
Beziehung auf einen Buchinhalt. Der Druck soll immer
nur ein Wegweiser in das durch ihn verkörperte Werk
bleiben und die Anmaßung des oft getadelten Pracht-
werkstils ist nicht lediglich der unütz vertane Aufwand,
ist sehr viel mehr noch das Bestreben, Bücher der
Bücher wegen und nicht der in ihnen eingeschlossenen
Werke wegen herzustellen. Und auch das verfehlen
manche sonst technisch vorzügliche Druckleistungen,
daß sie von vornherein das Buch dem herantretenden
Leser anders zeigen, als das Werk selbst sich ihm vor-
stellen will. Damit sind dann freilich auch die Grenzen
der Buchdruckerkunst angedeutet. Der Drucker kann
nicht mehr geben als der Verfasser, aber er kann dessen
Gabe verfälschen, wenn er über ihn hinauswill oder ihn
sonstwie in seinen Absichten nicht versteht. Hier sind
die Beschränkungen vorgezeichnet, die sich der
Drucker als Interpret eines Werkes auferlegen muß.
Gut, nämlich reinlich und sorgfältig, kann er stets
drucken, nachfühlend schön erst, wenn ihn die Auf-
gabe und nicht bloß der Auftrag erfüllt. Und die Ver-
einfachung einer Aufgabe wird immer zu ihrer Erkennt-
nis, damit zu einer Verinnerlichung werden, zu einer
verständnisvollen Beschäftigung mit der Druckvorlage.
Der Tod des Sokrates. Ein Bruchstück.
Das 63 bis 66 Kapitel aus Platons Dia-

I o g P h a i d o n o d e r ü b e r d i e U n s t e r b 1 i c h -
keit der Seele (1920) zeigt zum erstenmale den
eigenen Druckvermerk des Herrn Engel. Den gleichen
Druckvermerk führt dann auch: Goethe, Vier
Jahreszeiten (1921), der erste (mit radierten
Bildblättern von L u d w i g E n d e r s ) illustrierte
Engeldruck, ein eleganter Quartant, auf dessen breiten
Seiten die hellen und leichten Schriftzeilen voll aus-
laufen und der durch feine Abstimmung des Buclidruck-
tones zum Kupferplattentiefdruckton auffällt. Diese
Abstimmung ist keineswegs allein durch Druckfarben-
tonübereinstimmung und Papierübereinstimmung vor-
zunehmen, obschon auch das in den meisten mit „Origi-
nalgräphik“ ausgestatteten Büchern übersehen wird.
Der Buchdrucker muß auch die Farbenwirkung des
Satzbildes soweit als möglich der des Bilddruckes an-
passen, um eine gleichmäßige Licht- und Scliattenver-
teilung zwischen den Bild- und Buchdruckseiten zu
erreichen, die einen Ausgleich in den richtigen Verhält-
nissen erstrebt. Er muß weiterhin das alles sehr be-
sinnlich schon in der Schriftwahl überlegeti, denn ge-
rade hier ist der Einfluß der Einzelbuchstabenformen
auf das endgültige Satzbild groß. Das Buchbildkupfer
ist in seinen Hauptzeiten, so in der Epoche des Pariser
Rokokobuches, eher mit Verfallszeiten der Buch-
druckerkunst zusammengetroffen. Daher ist die Schluß-
folgerung, die in ihren technischen Voraussetzungen ja
zutrifft, daß Buchbildkupfer und Buchdruck sich nicht
zusammenstimmen ließen, als einmal gegeben und un-
abänderlich hingenommen worden. Aber es ist gerade
ein bibliotechnisches Problem, um dessen Lösungen
eine wohlverstandene Buchdruckerkunst sich zu miihen
hat, die von einander abweichenden Druckverfahren
möglichst zusammenzustimmen; den jeweilig möglichst
annähernden Lösungen solcher Aufgaben darf sie nicht
aus dem Wege gehen. Ein kleiner Druck der Tech-
nischen Lehranstalten, Goethe, Wanderers
S t u r m 1 i e d (1921), der in ein Büchlein ein einziges
Gedicht schließt, darf als Beispiel für Ähnlichkeiten mu-
sikalischen und typographischen Empfindens angeführt
werden, die naturgemäß bei dem Musterdruck eines
lyrischen Gedichtes in freien Rythmen am schärfsten
hervortritt, bei dem der Buchdruckkünstler schon im
Aufbau des Satzbildes sinnlich den Gang der Rythmi-
sierung zu veranschaulichen vermag. Weil hier nur
wenige Zeilen auf einer Seite stehen, ist auch das epi-
graphische Element, das den Gesamteindruck einer
Seite beim Leser erweckt (und für das die Empfin-
dung beim antiken Leser sehr viel stärker ausgebildet
war als bei dem abendländischen der Gegenwart) hier
spürbarer. Eine Bibeldruckstudie, die ihre Fortführung
in einem gleich zu erwähnenden Handpressendruck er-
hielt, ist ein anderer Druck der technischen Lehran-
stalten von 1921: D i e B e r g p r e d i g t, dessen Zier-
buchstaben und Zierrat Hans Schreiber in Holz
schnitt. Die Art seines rotgedruckten Buchstaben-
schmuckes verweist auch auf das Zusammenarbeiten
des Herrn Engel mit Rudolf Koch, dem Offenbacher

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