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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Märzheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Buchkünstler der Gegenwart und Buchkunstwerkstätten, [2]: die Engel-Drucke
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0370

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Schreibnicister und damit darauf, daß William Morris
Wunsch, die Buchdruckerkunst in lebendiger ständiger
Wechselwirkung mit der Schreiberkunst zu finden, in
den Engeldrucken cine Erfüllung hat. Sie sind immer
als ein buchgewerbliches Ganzes ersonnen und ge-
staltet.

Wenn die Mahnung an den Buchbinder, die Eierr
Engel den Abzügen seiner Pressedrucke in losen Bogen
hinzuzufügen pflegt („Vorsicht beim Abpressen. Bei
dem zarten Büttenpapier sollte der Druck mit dünnem
Seidenpapier durchschossen werden“) Manchem un-
verständlich klingen wird — nötig ist sie trotzdem.
Die Druckfrische, in der sicli die Druckgüte völlig weist,
kann ein unbedachter Buchbinder, der den Buchblock
unter seiner Presse versteinern iäßt, zerstören. (Das
hat Henri Beraldi für die Buchgriffelkunst und gegen die
Einbände, in denen sie getötet wird, schon vor Jahr-
zehnten beklagt. Aber den Buchkunstliebhabern ist
diese Gefahr keineswegs allgemein bekannt geworden.
So erinnere ich mich, daß ein bekannter Berliner Buch-
binder vor eineni Jahrzehnt von einem sonst besser
unterrichteten Sammler einen Einband, der mit Rück-
sicht auf höclist fragile Steindrucke sehr sorgfältig ge-
bunden war, mit der Weisung zurückerhielt, ihn
„fester“ zu machen.) Der Druckschatten in seinen fein-
sten Übergängen, den der Druckmeister an der Hand-
presse aus dem auserlesenen Druckstoffe hervorholt.
ist mit dessen Stoffreiz ein so subtiles Wesen, daß er
sich nicht allein dem harten Zugriff, sondern aucli dem
harten Zusehen entzieiit. Eür ihn gilt, daß seine Be-
trachtung als eine technische Vollkommenheit zu einer
gefühlsmäßig künstlerischen wird, die sich in Beschrei-
bungen eines Druckzustandes lediglich nach äußeren
Merkmalen nicht einfangen läßt. Als erster Engelscher
Handpressendruck ist 1921 in 100 Abzügen eine Aus-
wahl „Aus der jüdischen Sittenlehre“
herausgegeben worden. Die Aufzeichnung dieser
Spruchweisheit durch den Drucker hat, dem Charakter
der Type folgend, durch die Auswertung der weißge-
bliebenen Satzfläche, also des Randes, ein doppeltes er-
reicht (und zwar ohne jede Absichtsbetonung eines
„splendiden“ Satzes.) Einmal, daß das aus Bruchstücken
zusammengestellte Spruchbüchlein den Einzelspruch zur

Geltung kommen läßt, olme das ganze zu zerreißen. So-
dann, daß seine technisch typographische Durcharbei-
tung eine das ganze geschlossen erhaltende Gliederung
ermöglichte, ohne das regelmäßige Satzbild zu stören.
Solche ohne alle Zwangsmittel heranreifende Lösungen
schwieriger Aufgaben sind für den Buchdrucker weder
Augenblickseinfälle noch Proben auf das Exetnpel einer
Vorschrift zum „guten“ Drucken, er muß von Fall zu
Eall denjenigen Weg finden, der der beste, einfachste
ist. Man merkt es den fertigen Engeldrucken nicht an,
das ist vielleicht das schönste an ihnen, daß sie das Er-
gebnis eines häufig sehr langen Mühens sind, daß sie
— die Erklärung iltrer „Qualitätstechnik“ — als durch-
geistigte Werkstücke erarbeitet wurdert. Der in 200 Ab-
zügen ausgegebene 2. Handpressenabdruck: D i e 0 f -
fenbarung d e s J o h a n n e s (1921/22, mit 12 Holz-
schnitten von J o s e f W e i ß ) in seiner feinen Schmal-
form bringt die ausgleichende Lösung einer Aufgabe, an
die sich moderne Bibeldrucker immer von neuem ver-
sucht haben: die Wiedergabe des Bibeltextes in der
Art der uns gewohnten Buchseite eines handlichen Lese-
buches, ohne daß doch die liebgewordene alte Eintei-
lung mit ilirer Versteilung aufgehoben wäre. Erreicht
ist das mit rein typographischer Zierkunst: größere
Initialen beginnen die Kapitel, sonst aber hiift auch der
Initialenwechsel mit seinen beiden Formen des U
weiter. Hier ist eine Ausprägung des schönen Bibel-
druckes für unser Zeitempfinden gewonnen worden. —

Wem die eben andeutend beschriebenen Buch-
druckkostbarkeiten, die fern von allern Tageswesen
entstanden sind, sich allgemach ansammelten, der kann
sie heute noch mit dem gleichen Gefühl für ihre Schön-
heit bewundern, mit dem er die frischen Ankömmlinge
begrüßte. Eine Empfindung, die sich mancher Meister-
leistung der Präzisionsmechanik in der Typographie
kaum nachrühmen läßt und die vielleicht auch als ein
Zeugnis für ihren Wert in Anspruch genommen werden
kann. Ausdrucksformen und Ausdrucksmittel aller
dieser Büchlein sind echt, daher haben sie in ihrer
Schlichtheit eine so hohe unmittelbare Wirkung. Es ist
nichts gemachtes, nichts geschmäcklerisches an ihnen,
sie sind gewachsen, geworden, kein Kunstgewerbe
sondern Werkstattskunst.

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