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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Aprilheft
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Kirchner, Joachim: Die Federzeichnungen der Berliner Magelonehandschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0413

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Zeit zu entstammen, und doch ist es nur ein Menschen-
alter, das jene französischen Holzschnitte von den deut-
schen Federzeichnungen trennt. Zugegeben, daß die
Holzschnittechnik ganz von selbst zur strengeren Form
führt, daß eine Gegenüberstellung von Holzschnitten
und Federzeichnungen infolge der Yerschiedenheit der

Einritt Peters zum Turnier
Franz. Druck: Lyon 1489

technischen Bedingungen nur in beschränktem Maße
gerechtfertigt erscheint, so bleibt es doch einer stilisti-
schen Analyse unbenommen, beide Illustrationszyklen

Aus der Berliner Handschrift
Magelone steigt vom Baume, auf dem
sie die Nacht iiber geschlafen hat

einmal zu konfrontieren, um hier an einem Musterbei-
spiel sich des grundsätzlichen Unterschiedes in der
Formengebung des Gotikers und des Renaissance-
künstlers bewußt zu werden. Man erkennt auf den
ersten Blick die Abhängigkeit des Holzschneiders von
der gotischen Miniaturmalerei, die gerade für die fran-
zösischen Buchillustratoren des 15. Jahrh. ganz beson-

ders charakteristisch ist. Die Figuren sind im Sinne
mittelalterlicher Miniaturen in schematischer Weise hin-
gezirkelt, von einer organischen Beherrschung der Kör-
performen, einem Herausarbeiten seelischer Ausdrucks-
momente ist nichts zu entdecken. Wo mehrere Figuren
auf einem Bilde erscheinen, da ist nichts getan, um sie

Abschied Peters von seinen Eltern
(Zugleich am Schluß für die Wiedererkennungsszene benutzt)
Franz. Druck: Lyon 1489

mit einander in Beziehung zu setzen. Die floskelhaft
wirkende Typisierung geht so weit, daß Jung und Alt
garnicht, männlich und weiblich nur durch die abwei-

Aus der Berliner Magelone-Handschrift.
Blick auf Maguelonne

chende Haartracht eine Unterscheidung ermöglichen.
Alles drängt zu einer schnörkelhaften Schematisierung
hin, die in den Miniaturen der Handschrift, z. B. in der
Manessischen Liederhandschrift, durch die bunte Aus-
malung an Reiz gewinnt, aber im Schwarzweiß des
Holzschnitts unbedingt an Leben verliert. Der kali-
graphische Charakter tritt noch deutlicher bei der Dar-

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