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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Maiheft
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Waser, Otto: Der angebliche Marc Aurel der Zürcher Archäologischen Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0460

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Kopf spricht mehr Leidenschaftlichkeit, vornehmlich
aus Stirn, Augen und Mund (dessen Ergänzung zweifel-
los richtig ist, weil durch das Vorhandene eindeutig ge-
geben), eine Leidenschaftlichkeit, die direkt wieder an
das Bildnis des wilden C a r a c a 11 a erinnert, nur daß
dem Ziircher Kopf das Schurkische, Gemeine im Aus-
druck abgeht. Während bei M. Aurel die Augen unter
breiten, mehr flach geschwungenen Lidern, eigentlich
schweren „Augendeckeln“, gelassen blicken, fast ein
wenig schläfrig, sind es bei der Zürcher Biiste im C.e-
gcnsatz dazu aufgerissene, lebhaft blickende, „rollende“
Augen mit schmälern obern Lidern, die von den äußern
Augenwinkeln her in steilem Bogen den Augapfel iibcr-
wölben. Das Eigenartigste aber ist an der Zürcher
Büste die Mundbildung; wie sie sich für das Porträt
M. Aurels schlechterdings nicht belegen läßt: mit Über-
treibung gesagt ist es eine Rüsselbildung, was man bei
uns einen „Schnüfel“, anderswo wohl eine „Schnute“
nennt, die Oberlippe vorgeschoben, zurückweichend das
Kinn, sodaß der Mund wie „gebüschelt“ erscheint, den
Eindruck des Unbeholfenen, Schmollenden erweckt; zu
beachten ist auch, wie der Schnurrbart ungleich ge-
halten ist, die rechte Mundhälfte mehr überschattend.
Diese außergewöhnliche Mundbildung nun findet sich
(sogar mit der Einzelheit der ungleichen Schnurrbart-
hälften) in einem andern römischen Kaiserbildnis
wieder, dem des Septimius Severus (193/211
n. Chr.), s. die Büste des Museo Capitolino, Bernoulli
T. 11, die zu Paris hier Abb. 4 * 3). Und ein Vergleich

Abb. 2. Römische Bildnisbüste in der Zürchcr
Archäol. SaiSnlung, Profilansicht.

Phot. S.chibter, Ziirich

Abb. 1. Römische Bildnisbüste in der Zürcher
Archäol. Sammlung

des Zürcher Kopfes mit dem Bildnis des Sept. Severus
überrascht durch weitere Ubereinstimmungen. So
steht durchaus im Einklang die Art des Haaransatzes:
wie an der Zürcher Büste weicht bei Sept. Severus
beidseitig der Stirn die Haarmasse etwas zuriick und
schieben sich Haarbüschel vor über den 'Schläfen, wo-
gegen bei M. Aurel das Haupthaar die Stirne gleich-
mäßig umrahmt wie ein Kranz. Entsprechend ist die
Formation des breiten, nicht hohen Schädels, der
breiten, eher niederen Stirn mit ausgeprägten Steil-
falten über der Nasenwurzel. Zu Sept. Severus paßt
auch der lange säulenartige Hals der Zürcher Büste, der
frei heraus wächst aus den ebenmäßigen Schultern und
schließen läßt auf den hohen, schlanken Wuchs, wie er
für diesen Kaiser bezeugt ist, wogegen es bei M. Aurel
ein kurzer Hals ist gemäß der kurzen Gestalt. Wenn
der Hinterkopf der Zürcher Büste größere Rundung auf-
weist gegenüber dem steilern Abfall des Schädels bei
der im Louvre (Abb. 4), so läßt sich anderseits ins Feld
führen die besser entsprechende Bildung bei dem einen
(wohl mit Unrecht angezweifelten) capitolinischen Sept.
Severusbildnis (Nr. ,50, Bernoulli T. 11a). Im übrigen

3) Vgl. überhaupt fiir Sept. Severus zumal Bernoulli a. 0. II

3, 21/35 T. 10/15. Anton Hekler, Die Bildniskunst d. Griechen und
Römer T. 297 b (Kopf im Thermenmuseum zu Rom). Stückelberg
a. 0. T. 68 (= Bernoulli T. 13 b), h ier Abb. 4: für den Sept. Severus
im Büstenzimmer des Vatican Amelung, Vat.-Kat. II 486 (T. 64),
291 (= Bernoulli T. 12).

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