Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Maiheft
DOI Artikel:
Sauerlandt, Max: Altberliner Fayencen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0465

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fayencen hoben sich schon vor dem Kriege drei Samm-
lungen eigenen Charakters bedeutsam hervor: die alte
Sammlung Lockner in Würzburg, die Sammlung Dr.
Heiland in Potsdam und die Sammlung Riesebieter in
Oldenburg. Diese Sammlungen waren die Schöpfungen
von Männern, die ein ungewöhnliches, nur irn täglichen
Umgang mit den Dingen zu erreichendes Maß von
Kennerschaft mit feinem Gefiihl fiir die Qualität und
dem ernsthaftesten Streben nach ecliter Wissenschaft-
lichkeit verbinden.

Wir alle sind ihnen für ihre Pionierarbeit zu Dank
verpflichtet, um so mehr als gerade die größeren deut-
schen Museen sich dem in seiner Fülle erdrückenden,
in seiner künstlerischen Erscheinung allzu ungleich-
artigen Stoff gegenüber recht spröde verhielten. Frei-
lich möchten die „deutschen Fayencen'* den an die
höhere Kunst der Erfindung und Zeichnung und an die
kostbarere, saftigere Farbigkeit der italienischen Majo-
liken und der Delfter Fayencen gewölmten Augen
stumpf und allzu handwerklich erscheinen.

Ganz hat es allerdings auch vor dem Kriege an
öffentlichen Sammlungen dieser Dinge nicht gefehlt.
Die meisten von ihnen aber, wie etwa die Münchner,
die Würzburger und andere städtische und provinzielle
Sammlungen in Mittel- und Norddeutschland beschränk-
ten sich zumeist planmäßig auf das engere Heimats-
gebiet und selbst die gewählteste öffentliche Sammlung
deutscher Fayencen, die des Hamburgischen Museums
für Kunst und Gewerbe, die der Sammlerkunst und der
rastlosen Hingabe Justus Brinckmanns an dieser sein
Lieblingsgebiet verdankt wird, gewährte kein lücken-
loses Bild der Produktion. So glänzend in Hamburg
die süddeutschen Fayencen mit Einschluß der Hanau-
Frankfurter Gruppe und die norddeutsch-schleswig-
holsteinischen Manufakturen vertreten waren, so spär-
lich war immer noch die Vertretung des mitteldeutschen
Kerngebietes von Berlin bis Erfurt.

Die Fayencen dieser Mittelzone, die ihre Bliitezeit
in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts ge-
habt haben, ist ja seltsamerweise, trotz der hübschen
Schrift Wilhelm Stieda’s über Zerbst (die, ausgezeich-
net in der Verärbeitung der archivalischen Quellen
leider gleich so vielen anderen Arbeiten der Art die
eigentliche Kennerschaft vermissen läßt und darum
den Tatsachen doch nur lialb gerecht wird) iiberhaupt
erst iu den letzten Jahren vor dem Kriege näher be-
kannt geworden. Auch hier aber kam es vorläufig noch
nicht zu einer systematischen Aufarbeitung des Mate-
rials, es hatte vielmehr bei mehr vom Zufall und der
Gunst einzelner Funde geleiteten Aufsätzen sein Be-
wenden. Hier felilte es so gut wie ganz an zusammen-
hängend erhaltenem Aktenmaterial, das, so wenig es
zumeist an und für sich auch bedeuten mag, am Ende
doch allein die unentbehrlichen Handhaben für die Be-
wältigung des überreich andrängenden Stoffes dai-
bieten konnte.

Daß Berlin für diese zentraldeutschen Fayencen
von hervorragender Bedeutung gewesen ist, mußte

freilich schon früher daraus geschlossen werden, daß
hier schon in den Jahren 1680 und 1699, also kurz nach-
einander zwei Fayencefabriken privilegiert worden
sind, von denen die erste als Kurfürstliche Manufaktur
für „Delftisches Porzellan“ undmittelbar auf die Initia-
tive des Großen Kurfürsten zurückzuführen ist.

Über den Umfatig dieser Betriebe aber gab — da
die Fabrikakten verloren sind — erst die G. Miron ver-
dankte Durchsicht der Berliner Kirchenbücher von
1680—1764 überraschende Auskunft. Und damit ergab
sich für Berlin die Ehrenpflicht, die trockenen Ergeb-
nisse der Kirchenbuchforschung durch ilire Anwendung
auf den erhaltenen Bestand märkischer Fayencen le-
bendig und anschaulich zu machen.

Die imposante Ausstellung, **) die während der
Sommermonate des vergangenen Jahres trotz der Un-
gunst der Zeiten im berliner Schloß veranstaltet werden
konnte, liat mit einem Schlage Berlin mit den vier Fa-
briken von Gerhard Wolbeer, Cornelius Funcke, Jo-
hann Gottlieb Menicus und Carl Fricdrich Lüdicke, die
liier von 1680 an durch ein volles Jahrhundert nacli und
z. T. neben einander gearbeitet haben, in die vorderste
Reihe der deutschen Fayencestädte gerückt, nicht nur
nach der Zeit, sondern ebenso nach dem Umfang und
der Qualität der Produktion.

Otto von Falke hat es unternommen, die wissen-
schaftlichen Resultate der Ausstellung zu verarbeiten
und sein soeben erschienenes Werk iiber „Altberliner
Fayencen“ bedeutet eine außerordentlich wertvolle
Bereicherung unserer keramischen Literatur. Die
sorgsame Ausdeutung des urkundlichen und sachlichen
Materials hat es möglich gemacht, die Anteile der ein-
zelnen berliner Manufakturen festzulegen und in den
Grundzügen gegen einander abzugrenzen.

Mindestens ebenso wertvoll, wie diese Feststellung
des künstlerischen Stils der einzelnen Manufakturen
aber scheint mir zu sein, daß Falke an bestimmten Bei-
spielen die Fernwirkungen verfolgt, die die Berliner
Erzeugnisse auf andere spätere Manufakturen gehabt
haben. Wir erkennen jetzt, daß Berlin wesentliche
Grundzüge des barocken Fayencedekors geschaffen
hat, der über Zerbst und Braunschweig nach Thüringen
hinübergewirkt hat und diese ganze zentraldeutsche
Gruppe so deutlich von den süd- und norddeutschen
Fayencen abhebt.

Mit diesen Bemerkungen Falke’s ist weiteren For-
schungen der Weg gewiesen. Denn nachdem die ge-
samte bisherige Literatur über die deutschen Fayencen
des 18. Jahrhunderts sich so gut wie ohne Ausnahme
auf die isolierte und isolierende Betrachtung der einzel-
nen Manufakturen und ihrer Erzeugnisse beschränkt
hat, ist nun docli wohl die Zeit für eine Darstellung ge-
kommen, die der künstlerischen Stilentwicklung im
Großen gerecht wird.

*») Vergl.: Otto v. Falk'e, Berliner Fayencen. Sonderaus-
stellung im Schloßmuseum. „Der Kunstwanderer“, 1. Septcmber-
lieft 1922.

393
 
Annotationen