GcKichtcr der Zuschauer! Als gewissenhafte Forscher,
ein jeder nach seinen Kräften und nach seiner Veran-
lagung arbeitend, müssen wir die Sache ernst
n e h m e n und eine Atmosphäre schaffen wie die-
selbe z. B. in dem Kreise derjenigen herrscht, de.nen Sir
Martin Conway in seinem Buche über van Eyck und
dessen Schule (1921) dankt, wo er in der Vorrede sagt:
„Das Revier der Kunst und Kunstliebhaber soll eine
frcundliche und edle Gegend sein. Die gemeinschaft-
liclie Liebe zu einer spezicllen Kunstgattung biidet ein
angenehmes Band zwischen deren Liebhabern. Das
Studium der Bilder, von denen in diesem Buche dic
Rede ist, hat mir viele Freunde gebracht, von denen
die meisten weit begabter und weit besser unterrichtet
sind als der Autor. Dieser gedenke ich, während ich
diese Worte schreibe — Einem jeden ihrer sende ich
einen Gruß.“
So sollte es auch im Kreise der Rembrandtkenner
sein. Rembrandts Größe klar und deutlich darzustellen,
nicht das Aufhäufen von Bildern auf seinen Namen soll
der End-Zweck unserer Spezialforschung sein.
Haag, Mauritshuis, im Mai 1923.
Farbig bemalte
Cchäfergruppe von
J. P. Melchior
Höchst um 1770
Aukticn bei
Math. Lempertz
in Kölu
Aus aev Qemäldegaletne des Kun{fbt(!ot?t{et)en jviufeums
tn Wien
6ctü2t’bungen und JSeuge(ia(tungen 1920—1925
oon
A uch die alten berühmten Wiener Kunstsammlungen
* müssen sich in die seit dem Umsturze entstan-
denen Verhältnisse, ebenso wie die Menschen, erst neu
einleben. Von ihrem Ursprung an ist ihnen ein Zug
von Privatbesitz und Liebhabergeschmack eigen,
dessen sie freilich durch die geringere Anteilnahme der
letzten Mitglieder des Kaiserhauses, besonders vom
Anfange des neunzehnten Jahrhunderts an, ein wenig
entkleidet worden sind. Schon vor dem Zusammen-
bruch konnten sie mit Fug und Recht als öffentlicher
Kunstbesitz gelten, doch waren Hemmungen der ver-
schiedensten Art noch vorhanden. Heute haben sie, da
sie zum Staatseigentum geworden sind, mit dieser ihrer
neuen Eigenschaft auch neue Aufgaben übernommen:
ötück
sie sollen nicht rnehr der Liebhaberei einzelner Per-
sonen, sondern der Kultur der Allgemeinheit dienen.
Von diesem hohen Gesichtspunkte aus ist in der
Einteilung und Bestimmung unsrer Wiener Museen
manches neu geordnet und vor allem manches neu ge-
plant worden. Denn nicht alles läßt sich — wenn man
die schlimme Finanzlage unseres Staates bcdenkt —
auf einmal umschaffen. Aber an verständigen, weit-
blickenden Plänen und an gedeihlichen Anfängen fehlt
es nicht. Auch die Gemäldegalerie des Kunsthistori-
schen Museums, die volkstümlichste uuter allen diesen
Kunstsammlungen, hat sich nicht geweigert, an dem
Umschwunge teilzunehmen und sich mit ihrer jüngeren
Schwester, der von ihrem Ursprung an staatlichen
Österreichischen Galerie, in geeigneter Weise ausein-
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ein jeder nach seinen Kräften und nach seiner Veran-
lagung arbeitend, müssen wir die Sache ernst
n e h m e n und eine Atmosphäre schaffen wie die-
selbe z. B. in dem Kreise derjenigen herrscht, de.nen Sir
Martin Conway in seinem Buche über van Eyck und
dessen Schule (1921) dankt, wo er in der Vorrede sagt:
„Das Revier der Kunst und Kunstliebhaber soll eine
frcundliche und edle Gegend sein. Die gemeinschaft-
liclie Liebe zu einer spezicllen Kunstgattung biidet ein
angenehmes Band zwischen deren Liebhabern. Das
Studium der Bilder, von denen in diesem Buche dic
Rede ist, hat mir viele Freunde gebracht, von denen
die meisten weit begabter und weit besser unterrichtet
sind als der Autor. Dieser gedenke ich, während ich
diese Worte schreibe — Einem jeden ihrer sende ich
einen Gruß.“
So sollte es auch im Kreise der Rembrandtkenner
sein. Rembrandts Größe klar und deutlich darzustellen,
nicht das Aufhäufen von Bildern auf seinen Namen soll
der End-Zweck unserer Spezialforschung sein.
Haag, Mauritshuis, im Mai 1923.
Farbig bemalte
Cchäfergruppe von
J. P. Melchior
Höchst um 1770
Aukticn bei
Math. Lempertz
in Kölu
Aus aev Qemäldegaletne des Kun{fbt(!ot?t{et)en jviufeums
tn Wien
6ctü2t’bungen und JSeuge(ia(tungen 1920—1925
oon
A uch die alten berühmten Wiener Kunstsammlungen
* müssen sich in die seit dem Umsturze entstan-
denen Verhältnisse, ebenso wie die Menschen, erst neu
einleben. Von ihrem Ursprung an ist ihnen ein Zug
von Privatbesitz und Liebhabergeschmack eigen,
dessen sie freilich durch die geringere Anteilnahme der
letzten Mitglieder des Kaiserhauses, besonders vom
Anfange des neunzehnten Jahrhunderts an, ein wenig
entkleidet worden sind. Schon vor dem Zusammen-
bruch konnten sie mit Fug und Recht als öffentlicher
Kunstbesitz gelten, doch waren Hemmungen der ver-
schiedensten Art noch vorhanden. Heute haben sie, da
sie zum Staatseigentum geworden sind, mit dieser ihrer
neuen Eigenschaft auch neue Aufgaben übernommen:
ötück
sie sollen nicht rnehr der Liebhaberei einzelner Per-
sonen, sondern der Kultur der Allgemeinheit dienen.
Von diesem hohen Gesichtspunkte aus ist in der
Einteilung und Bestimmung unsrer Wiener Museen
manches neu geordnet und vor allem manches neu ge-
plant worden. Denn nicht alles läßt sich — wenn man
die schlimme Finanzlage unseres Staates bcdenkt —
auf einmal umschaffen. Aber an verständigen, weit-
blickenden Plänen und an gedeihlichen Anfängen fehlt
es nicht. Auch die Gemäldegalerie des Kunsthistori-
schen Museums, die volkstümlichste uuter allen diesen
Kunstsammlungen, hat sich nicht geweigert, an dem
Umschwunge teilzunehmen und sich mit ihrer jüngeren
Schwester, der von ihrem Ursprung an staatlichen
Österreichischen Galerie, in geeigneter Weise ausein-
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