Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
1./2. Augustheft
DOI Artikel:
Bülow, Joachim von: Die Siedlung als Rettung der Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0569

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mittelt. Er bekommt für eine ganz außerhalb der Kunst
liegende Leistung eine laufende Entschädigung und
zahlt den Preis für diese Yermittlung in Kunstwerken,
unter Verzicht auf die mögliche, aber nicht unbedingt
sichere Erzielung hoher Preise.

Daß Künstler Nebenberufe haben, ist an sich nichts
Neues, im Gegenteil, es war früher etwas sehr Häufiges.
Schon im Mittelalter bekamen sie aus Anerkennung für
ihre Leistungen irgend ein Pöstchen, von dem sie leben
konnten, ohne sich zu überanstrengen.

Es gäbe auch heut noch solche Posten. Museums-
direktoren in kleinen Städten, Standesbeamte, Amts-
anwälte, Lotterieeinehmer, Postagenten, Schleusen-
meister, das alles könnten Künstler werden, ohne daß
die geforderte Amtsarbeit sie am eignen Schaffen
wesentlich hemmte. Es käme nur darauf an, das zu
organisieren und wirtschaftlich zu rechtfertigen eben
durch jenen Gedanken der Verbilligung des Kunst-
werkes. Natürlich könnte der ernennende Staat nicht
aus dem Verkauf der Kunstwerke, die der Kunstfreund
übernahm, Ersatz für das Gehalt verlangen, aber er
kann sich durch den Nutzen für die Allgemeinheit und
durch die immerhin geleistete Arbeit als entschädigt
betrachten.

Es gibt aber noch einen Weg, wie der angestrebte
Zweck o h n e den Staat erreicht werden kann, und
darum ist er der bessere:

Der Kunstfreund verhilft dem Künstler, der mit ihm
gehen will, zu einer Siedlung. Aus einer solchen kann,
wenn sie nur in der rechten Weise, Größe, Form und
Lage gewählt wird und der Siedler tüchtig
i s t, neben einem Hauptberuf so viel herausgeholt
werden, daß der notwendige Lebensunterhalt ge-
deckt ist.

Auch das ist an sich nichts Neues. Wir haben in
Deutschland Künstler, die sich ansiedelten, die Worps-
weder, Kalkreuth, Pottner, Paul Ernst. Sie alle haben
aus der Siedlung nicht nur wirtschaftliche, sondern auch
künstlerische Werte geschöpft.

Neu ist die Verbindung mit den Zielen des Kunst-
freundes. Dieser gibt den Künstlern die Siedlung und
das Betriebskapital gegen eine Hypothek, die jener ver-
zinsen muß und die durch den Erlös der abgelieferten
Werke allmählich getilgt wird.

Durch dies Verfahren wird der Vorschlag zum
reinen Handelsgeschäft, das sich in geschickten Händen
auch lukrativ gestalten kann, vor allem, wenn damit
noch die Materialbeschaffung für den Künstler ver-
bunden wird, und der Nutzen aus dem Aufbau der Sied-
lungen und dem Vertrieb der dort über den Eigen-
bedarf hinaus erzielten Erzeugnisse einbezogen wird.

Das wesentliche Moment bei der Sache ist die Eig-
nung des Siedlers zu dieser Tätigkeit. Sie bringt den
Geaanken in Verbindung mit dem von mir an anderer
Stelle bereits angeregten Siedlungsstudium. (Berliner
Tageblatt vom 2. Juni 1923).

Wie ich schon sagte, wird sich der alte Künstler
selten mit dem Gedanken der Verbilligung seiner
Werke befreunden, vor allem wenn er schon einen

Preis erreicht hat. Denn weitere Verkäufe müssen ihn
ja auch für die zurückliegenden Aufwendungen ent-
schädigen. Wir müssen deshalb zur Jugend gehen.
Diese hat ja als Träger der Zukunft überhaupt Anspruch
auf unser größtes Interesse. Ihr müssen wir helfen und
unter dem Gesichtspunkt der Jugendpflege gewinnt der
ganze Vorschlag doppelte Bedeutung. Er wird deshalb
auch das Interesse solcher Stellen finden, die der Kunst-
politik fern stehen.

Der Gedanke des Siedlungsstudiums sei hier kurz
referiert:

Siedlungslustige junge Leute einerlei welchen Be-
rufes gehen während der Sommermonate auf das Land,
zunächst auf ein Lehrgut für Siedlungszwecke, dann,
angelernt, als landwirtschaftliche Arbeiter in Privat-
betriebe, erhalten während der Lehrzeit für produktive
Arbeit, die sie leisten, Lohn, ev. mit Unterstützung der
produktiven Erwerbslosenfürsorge des Staates. Der
Verdienst muß genügen, um sie im Winter über Wasser
zu halten, wenn sie ihrem eigentlichen Brotberuf (der
auch die Landwirtschaft selber sein kann) nachgehen.
Nach dreijähriger Lehrzeit sind sie auf ihre Siedlungs-
fähigkeit zu prüfen und dann anzusiedeln, sei es als
Halbsiedler mit einem Hauptberuf z. B. als bildende
Künstler, sei es als Vollsiedler, als Bauern.

Der Nutzen des Siedlungsstudiums für den Künstler
ist ein doppelter: Einmal ist er während der Ausbil-
dungszeit als Siedler wirtschaftlich sicher gestellt, ohne
daß er dabei seine künstlerische Lehre zu unterbrechen
genötigt ist, Freistunden bleiben für Landschaftstudien
ja immer, die Siedlung selbst gibt ihm dann das un-
bedingt nötige fürs Leben, die Rente. Dann aber hat er
eine weitere Sicherung für den Fall, daß ihm der künst-
lerische Erfolg versagt bleibt: er kann dank seinen er-
worbenen Kenntnissen jetzt jederzeit Landmann, Bauer,
Vollsiedler werden, als solcher seinen Unterhalt ge-
winnen, ohne daß ihm das die Möglichkeit nähme,
wieder zur Kunst zurückzukehren, wenn ihn die innere
Notwendigkeit treibt. Der Kunstfreund, der ihm die
Halbsiedlung verschaffte, kann ihm auch die Voll-
siedlung besorgen, denn er hat, ebenso wie die All-
gemeinheit, ein Interesse daran, daß unfähige Künstler
in andere Berufe gehen.

Der gesunde Gedanke des Siedlungsstudiums liegt
nächst der Ausnützung bleibender Werte unseres
Volksvermögens in der Rückführung der Kunst aus der
Kaffeehausatmosphäre in die gesunde Luft der Wirk-
lichkeit. Frei von dem verheerenden Einfluß der
Großstadt, der Clique mit ihrem Beweihräuchersystem
auf Gegenseitigkeit (die nicht etwa durch Künstler-
kolonien neu geschaffen werden darf) wird es gelingen,
die Künstler zu einem Schaffen zu bringen, das zugleich
hochsteht und den Wünschen der Käufer entgegen-
kommt.

Es ist jetzt nur erforderlich, diesen Kunstfreund
zu finden, der mit dem rechten Verständnis in der
Mitte zwischen dem Künstler und der Kunst selbst
steht und diese beiden feindlichen Elemente zum
Nutzen der Allgemeinheit zu vereinen weiß.

481
 
Annotationen