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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1./2. Augustheft
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Brieger, Lothar: Das Alt-Geraer Bildnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0574

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Reinhold, Das Diktat

üblichen Provinzmalers der Zeit hinaushebt. Das hier
abgebildete Werk gibt auch einen guten Begriff davon,
wie ernsthaft er bemüht ist, die Steife seiner Bildregeln,
die ihm voll zum Bewußtsein kommt, durcli belebende
Handlung zu iiberwinden. Die Farbe ist diesem guten
deutschen Pastellmaler natürlich erst noch ein Mittel
der Kolorierung, umso erstaunlicher ist sein Sinn für
ihre Ausgleichung und die Keckheit, mit der er auch
vor der starken Farbe nicht zurückschreckt.

Seine Söhne waren zunächst seine Schüler, Philipp
Reinhold und Heinrich Reinhold. Die von ihnen ge-
schaffenen Bildnisse zeigen ohne besondere eigene Note
den Stil des Vaters. Aber der weltmännische Vater,
der wolil auch empfand, daß in ihnen keine Bildnismaler
heranwuchsen, ließ sie nicht festsitzen. Sie gingen nach
Dresden, nach Paris und schließlich nach Wien, wo sich
ihr Schicksal erfüllen sollte. Denn hier traten sie in
enge freundschaftliche Beziehungen zu Josef Anton
Kocli. Der Katalog dcr Berliner Jahrhunder.taus-
stellung läßt diese Bekanntschaft und diesen Einfluß
erst 1819 in Rom entstehn. Das ist ein Irrtum. Es exi-
stiert eine Radierung Friedrich Philipp Reinholds nach
einer Zeichnung von Klein, die sogenannten „reisenden
Maler“, auf der außer Klein und anderen auch die beiden
Reinholds vorkommen, und die die Unterschrift trägt:
Meinen Reisegefährten gewidmet, gezeichnet 1818.
München 1819. Mithin stammt also die Bekanntschaft
1818 aus Wien und die gemeinsame Reise ging dann
nach Italien. Philipp scheint schließlich nach Gera zu-
rückgekehrt zu sein, während der bedeutendere Bruder
in Italien blieb, sich unter dem Einfluß Kochs zu einem
der besten Landschafter der Zeit entwickelte — er
übertrifft seinen Meister an schlichter Natürlichkeit —
und 1825 in Albano starb.

War es dem alten Reinhold also nicht vergönnt,
einen seiner Söhne als Nachfolger in Gera zu begrüßen,
so hatte er einen um so bedeutenderen Schüler in Frie-
drich Heinrich Fischer, der seinerseits eine Künstler-
familie begründete. Fischers erste Bildnisse zeigen
nocli völlig den Einfluß Reinholds, jedoch nicht ohne
ein gewisses Unbehagen über dessen scharfe, rein
lineare Sprache, die er sich bald bemüht, in breitere
Flächen aufzulösen. Die Entwicklung führt zum Öl-
bilde, das zwar das Pastell nicht völlig verdrängt, aber
doch als im Sinne der Zeit höhere Kunst beherrscht.

Wenn man so einige hundert Bildnisse der beiden
Maler — Fischer war von unbegrenztem Fleiße, ohne
jemals schludrig zu werden — neben einander sieht,
verfolgt man mit Interesse die Frontänderung in einer
Generation. Fischer ist wohl niemals ein großer Rei-
sender gewesen, der Weg dürfte ihn über Dresden und
Leipzig nicht hinausgeführt haben. Aber zu seinem
Gltick entschied sich nunmehr just in diesen Städten
die Entwicklung der deutschen Kunst. Ein Bild wie das
hier erstmalig abgebildete Bildnis seines in Dresden
studierenden Sohns und späteren Nachfolgers Theodor
Fischer zeigt deutlich, daß die Leipziger Schule Oesers
für ihn die Entscheidung brachte. Er geht völlig und
mit größtein Glück in das Lager der neuen, klassi-
zistisch gebildeten Einfachheit über. Ohne daß er die
alte Reinholdsche Ironie je ganz verliert, steht er
seinem Modell mit herzlicher, schlichter Anteilnahme
gegenüber. Seine Charakterisierungskraft ist umso
stärker, als sie die Betonung scheut, und als seine Liebe
für die rein malerischen Einzelheiten utid für die Ton-
werte des Bildes bei aller Zurückhaltung ihn zu einem
der besten deutschen Bildnismaler der ganzen Zeit
werden läßt. Was ihm die Verhältnisse auf Reisen zu
lernen nicht erlaubten, hat er für sich in aller Stille zu

Friedrich Heinrich Fischer, Bildnis seines Sohnes

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