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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1./2. Augustheft
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Schneider, Friedrich: Italienische Eindrücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0576

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Venedig zum Ruhme und Heile seiner Geschichte zu
erfreuen geeignet ist. Nur wenige Fremde störten das
venezianische idyll. Die Mönche von San Lazzaro
beten weiter auf ihrer Insel und ihre Gedanken schwei-
fen wohl manchmal nach ihrer fernen armenischen Hei-
mat. In zwei großen und nahezu zweihundert kleinen
Kanälen teilen die Gondeln das Wasser und nur Eines
fällt dem Kenner des einst billigsten Landes Europas
schon in Vendig auf: der Staat Italien spart! Der
italienische Finanzminister ist hinter dem Kultus-
minister her und macht diesem in seinem Haushaltplan
Abstriche über Abstriche!

Aber dieses staatsmännisch edle Unterfangen, das
auf die wissenschaftlichen Anstalten und deren Beamten
drückt, vermag doch den ewig heiteren Lebensrythmus
dieses Volkes nicht zu stören. Mitten in den politischen
Unruhen, den Gegensätzen sondergleichen ein hinge-
worfenes Scherzwort, ein Witz und die Lage ist ge-
rettet. Und wird einer irgendwo gehenkt, so macht,
wie schon Goethe meldete, niemand viel Aufhebens
davon. Die Italiener sind in den meisten Fällen von
großem Entgegenkommen, die Vertreter der wertvoll-
sten Kreise häufig von treuer Anhänglichkeit für
Deutschland erfüllt, besoldete Meinungsmacher zählen
für uns moralisch nicht. Auf meinen Schreibtisch
flattern nach der Heimkehr immer häufiger Abhand-
lungen über die Kriegsschuldfrage, die für das arme
belogene und betrogene Deutschland eintreten. Italien
hat für die Zukunft vorgearbeitet, um dem Deutschen
Reiche wieder näher zu treten. Eine ernsthafte gegen-
seitige Annäherung würde besonders auf künstle-
rischem und wissenschaftlichem Gebiet von gar nicht
abzuschätzender Wirkung sein! Denn es muß immer
wieder mit allero Nachdruck ausgesprochen und in den
deutschen Kultusministerien auch vernominen werden,
daß wir in einigen Jahren einfach verbauert sein
werden, wenn wir den Anschluß an die großen inter-
nationalen Institute nicht aufrecht erhalten können. In
bescheidenem Maße kann die Verbindung mit der Welt
der Völker auch heute und in Zukunft noch aufrecht er-
halten werden, die sich besonders in Rom und Athen
ein Stelldichein gibt. Man muß nur unterrichtet sein
über die staunenswerte Großzügigkeit, mit der die
Amerikaner sicli staatlich auf dem römischen Janiculus
ansiedeln, um ihren Stipendiaten den Aufenthalt so an-
genehm und ertragreich wie möglich zu machen. Im
deutschen archäologischen Institut in Athen finden die
deutschen Gelehrten vom Facli Unterkunft, in Rom sind
sie obdachlos. Sollen sie auch geistig obdachlos
werden?

In Rom flutet und braust und verläuft sich das
Leben diesseits und jenseits der Engelsbrücke in ge-
wohnter Weise, die Schwarzen und Weißen sind allent-
halben auf dem Plan. Mit tiefer Wehmut betritt der
Wanderer, nicht nur der Deutsche, das Kapitol, auf dem
einst der Palazzo C'affarelli, zuletzt als Sitz der Deut-
schen Botschaft das römische Häusermeer überragte.
Ein römischer Archäologe hat den Palast zertrümmert,
um ehrgeizigerweise unter seinen Mauern die Spuren

eines Jupitertempels zu finden. Der Palast, mit dem
ein Stück römisch-deutsche-r und europäischer Kultur
verknüpft war, ist als Ruine ein klagender Beweis für
die Richtigkeit des Mommsen’schen Wortes von dem
Grundsatz der Archäologen, vorzugsweise nach dem
zu forschen, was weder wißbar noch wissenswert ist
(Römische Geschichte Bd. I 119). Tüchtige und ertrag-
reiche Arbeit wird dagegen für die frühchristliche Zeit
geliefert. Der deutsche Monsignore Wilpert hat seinen
Namen auch äußerlich durch das Prachtwerk über die
Malereien in den Katakomben für immer mit diesen
Forschungen verknüpft. Bekanntlich waren die rö-
mischen Katakomben, die bis zum 9. Jahrhundert ein
Gegenstand der Verehrung für die Pilger gewesen
waren, seitdem beinahe aus dem Gesichtskreis der
Römer und Romfahrer verschwunden und, man vermag
es kaum zu glauben, fast völliger Vergessenheit an-
heimgefallen. Ludwig von Pastor belehrt uns soeben in
seiner bewundernswerten Geschichte des Pontifikates
Gregors XIII. (1572—1585), das man bis zum 15. Jahr-
hundert von dieser verschütteten Welt fast nur die
engen Gräberstraßen unter einigen Basiliken, wie S.
Sebastino und S. Pancrazio, kannte. Zwar hat die
römische Welt der Renaissance vielfach eifrige Nach-
forschungen nach heidnischen Altertümern veran-
staltet, aber merkwürdigerweise die Katakomben voll-
ständig unberührt gelassen. Es war die Zeit der Be-
geisterung für die Antike! Da der hervorragende
römische Archäologe, Giovanni Battista de Rossi, der
der Welt das berühmte Werk über das unterirdische
Rom schenkte, am 23. Februar 1922 seinen hundertsten
Geburtstag von der dankbaren Nachwelt feiern lassen
konnte, haben diese ganzen bedeutenden Studien immer
wieder inneren Antrieb erhalten. Welche Bedeutung
sie haben, geht aus Mommsens Nachruf für den großen
Gelehrten hervor, dessen siebzigstes Geburtsfest sich
nach den Worten des genannten deutschen Gelehrten
zu einem internationalen Triumphfest gestaltete! Wo
sind diese Zeiten hin! Die berühmte und leidenschaft-
lich umkämpfte Frage, ob die Apostel Petrus und Paulus
in Rom gewesen seien, sorgt übrigens für eine dauernde
Belebung dieser Studien, an der sich die verschieden-
sten Konfessionen und Völker, Angehörige der katho-
lischen Welt und deren Feinde, beteiligen.

In der Stadt selbst wäre noch die Umwandlung des
mächtig beherrschend hervortretenden Palazzo di Ve-
nezia, vor dem Kriege der vielbeneidete Sitz der K. und
K. Botschaft, zu einer stadtrömischen Kunststätte zu
erwähnen. Das neue Botschaftsgebäude des Deutschen
Reiches, die Villa Wolkonsky, liegt in einem sehr ein-
fachen Viertel außerhalb des eigentlichen römischeti
Lebens. Da es aber darauf ankommt, was der Bot-
schafter leistet, nicht wo er zunächst wohnt, wollen wir
uns auf die Leistungen der Bewohner der Villa Wol-
konsky verlassen. Ein Besuch des derzeitigen Ver-
treters des Deutschen Reiches mit seiner Gemahlin im
Marcellustheater, in dem einst der preußische Gesandte
und Geschichtsschreiber Niebuhr wohnte, verfehlte
seinen Eindruck auf den Hausmeister nicht, dem offen-
 
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