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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 15 (1. Maiheft 1907)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0178

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etwas aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Nun ist jedermann be-
sorgt um sie: der Mann, die Freundin, und Onkel Lhilo, ein „Lebens-
künstler", dessen Worten Annemarie entzückt lauscht. K^j

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Als Felix und sein Schwiegervater in das blaue Zimmer nachkamen,
saß Thilo bereits zwischen Annemarie und der Malten und erzählte mit
seiner leisen, singenden Stimme. Die beiden Frauen hingen an seinen
Lippen und schauten auf, als die Herren eintraten, als würden sie in
einer Andacht gestört. Die Exzellenz begann eine Patience zu legen.
Felix setzte sich ein wenig abseits. Eine unbehagliche Verstimmung quälte
ihn. „Aun, und deine Reise?" fragte ihn Thilo. „O! sehr hübsch", er-
widerte Felix. Ietzt wollte er erzählen: „Gerade um diese Zeit voriges
Iahr in Lapri. Vollmond von der einen Seite, aus der anderen der
Vesuv mit einem riesigen Feuerbusch auf dem Kops, das Meer, Neapel
mit den Lichtern — unglaublich."

„Capri", sagte Thilo, „ist eine Theaterloge. Was wir von da aus
sehn, kommt uns nicht wirklich vor."

„Sehr gut" — flüsterte Frau von Malten.

„Amalsi ist mir auch lieber", fuhr Felix fort. Er wollte sich seine
Erzählung nicht fortnehmen lassen.

„Nach Amalfi solltest du mit deiner Frau reisen", unterbrach ihn
Lhilo. „Als ich auf der Hotelterrasse saß — fehlte Annemarie geradezu,
sie gehört da hinein, das ist ihr Hintergrund, das blauseidene Meer —
und so —"

„Nur des Hintergrundes wegen?" fragte Felix spöttisch.

„Warum nicht?" meinte Thilo. „Wenn man seiner Frau eine
Toilette kauft, die ihr steht, kann man auch eine Reise machen, um ihr
den rechten Hintergrund zu schaffen. Ich habe dich dort sehr vermißt —"
wandte er sich an Annemarie, die leicht errötete.

„Weiber sind ja genug dort", murmelte Felix, mit dem deutlichen
Bewußtsein, etwas Anpassendes zu sagen. Thilo zog die Augenbrauen
empor. „Gott! ja! Wenn ich diese Damen da sah, dachte ich, die wagen
denn doch ein wenig zu viel, wenn sie sich dort hinstellen!"

Felix lehnte sich in seinen Sessel zurück und sog an seiner Zigarre.
Sut! wenn Thilo doch alles besser wußte und sagte, sollte er sprechen.
Die Malten meldete die Nachtigall, und nun hörte man zn. Die Ex-
zcllenz klatschte zuweilen in die Hände und sagte: „Brava — brava!"

„Eine merkwürdige NachLigall" — errlärte Thilo, „die singt, als
hätte sie einen Konflikt hinter sich."

„Ehekonflikt", kicherte die Exzellenz. Felix lachte so laut auf, daß
ihn alle ansahn.

„Ich denke," sagte er, „daß es gut ist, daß wir nicht nach Ehe-
konflikten in den Fliederbusch steigen müssen und die Nacht durch singen."
Wirklich herzlich lachte nur Mila darüber. „Mich rührt sie", sagte
Annemarie. „Sie singt — als ob sie sich fürchtete — vor etwas, das
kommen könnte, wenn alles still und dunkel und sie allein ift." „Leisten
wir ihr deshalb Gesellschaft?" fragte die Exzellenz.

Felix lachte spöttisch: „Ia, wir sind hier so weichherzig, daß wir

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Kunstwart XX, ^
 
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