ftellung iilllstriert eine amüsante Ge-
ichichte aus dem Nazarener-Kreis, die
Ludivig Richter erzählt: er malte mit zwci
Kameraden in Tivoli eine Lanöschaft, mit
ihnen sest entschlossen, möglichst naturge-
treu zu bleiben; dennoch kamen drei ganz
verschiedene Bilder zustande. Richter zog
hieraus den Schluß, öaß es ein objek-
rives Sehen nicht gibt, öaß Form und
Farbe je nach dem kunstlerischen Tempe-
rament verschieden seien. Zola hat diese
Tatsache gelegentlich des Jmpressionis-
mus zu der verallgemeinernden Formel
geprägt: „Malerei ist Natur, gesehen
durch ein Temperament." Noch schärser
tritt die Verschiedenheit der Künsrlerper-
sönlichkeit bei der Wiedergabe des Nken-
schen hervor. Karl Freiherr vom Stein
(17Z7—i6zi) war damais 6z Jahre alt
unö auf einer Reise nach der Schweiz und
Jtalien begrissen. Er hatte sich schon
181Z von öer Politik zurückgezogen, wid-
mete sich sortan nur mehr der Bewirt-
schastung sciner Güter in Nassau und
Westsalen wie seiner Familie, öer För-
derung von Kunst und Wissenschafr; er
>var öer Begrünöer öer^dlonuiiwnta
dsrrnsniiw bistorioa" (1819). Ein libera
ler Aristokrat, der bei aller herrisch durch-
greisenden Weise die Selbsttätigkeit des
Volkes möglichst zu fördern suchte, hat
er Preußen von dessen tiefster Erniedri-
gung zur Selbstbesinnung gebracht und
zu einem modernen Staar erhoben. Da-
mals prägte sich, wie Treitschke schreibt,
"tausend Herzen das Bild des Reichssrei-
herrn ein — die gedrungene Gestalt mit
öem breiten Nacken, jäh und eckig in
jeder Bewegung, die sunkelnden Augen
und die Eulen-Nase über den sest ge-
schlossenen Lippen — ein Geist von deut-
scher Tiese und Gründlichkeit, hoch ge-
bildet und dennoch schlicht und kernhast,
der seine schwerwiegenden Gedanken oft
in ungelenken Formen, doch mit überzeu-
gender Krast und volkstümlicher Derbheit
ausspricht — ein Mann ohne Menschen-
furcht, vornehm und herrisch und doch
milden Sinnes um die Leiden der kleinen
Leute besorgt — voll Feuers und heiligen
Zorneö, aber ein deniütiger Christ und
klug besonnen inmitten der Aufregung,
unerschütterlich im Glauben an die Zu-
kunst seines Volkes und an das Walten
der Dorsehung — der ganze Mann eine
wunderbare Berbindung von Naturkrast
und Bildung, Tatkraft und Billigkeit, von
glühender Leidenschast und nüchterner Er-
wägung." Fragt man sich darnach, wer
von den beiden Künsriern wohl mehr vvn
alledem gegeben, so wird man zweifellos
Olivier den Preis zuerkennen; obwohl sein
Strich abstrakter, milder und zaghaster,
deS Markes entbehrend. Auch das Un-
tersetzte der Gesamterscheinung kommt
bei ihm klarer zum Ausdruck, ihre ge-
saminelte, verhaltene Energie, das block-
mäßig Unerschütterliche mit seinen Ecken
und Kanten. Schnorr bleibt in allem
mehr in der Gewandtheit, an der Ober-
fiäche, zeigt aber andererseits, wie srisch
öer Freiherr jedensalls noch sein konnte,
wenn ihn etwas bewegte.
Max Joseph Wagenbauer
(177Z—182g), ein Oberbayer, hat vor
allem die Landschaft seiner Heimat wie-
öergegeben und war auch ein vortress-
licher Tiermaler. Jn der Gemäldesamm-
lung des Schlosses Tegernsee ist er am
reichsten vertreten; dort war der Land-
sitz von König Max Joseph, der ihm ein
lebenslängliches Stipendium ausgesetzt.
Dieses ist auch der Grund, warum die
Münchener Graphische Sammlung so
viele Blätter von ihm besitzt; er mußte
alljährlich eine bestimmte Anzahl als Ent-
gelt abliesern. Wagenbauer ist auch einer
öer srühesten, die die Lithographie in
künstlerischem Sinne benützten. Er malte
zuerst ziemlich hölzerne Veduten, spieß-
bürgerlich genau und umständlich, in
denen daS Zeichnerische stark vorherrscht.
Die Beschästigung mit der Aquarellma-
lerei machte seinen Vortrag leichtcr und
gesügiger, zuletzt kam er gerade aus die-
sem Gebiet zu einer dustigen Farbigkeit,
die voll reiner und edler Schönheit ist.
Leider erlauben uns die vorhandenen
Mittel keine sarbige Wiedergabe, aber
auch die Schwarz-Weiß-Reproduktion läßt
die breitslächige, lockere und doch süllige
Behandlung der Form, von Licht und
Schatten deutlich erkennen. Wirksam ver-
festigt ist in der „A u s s i ch t v 0 n F ü r -
st e n st e i n", die unoollendet geblieben,
öie Komposition durch die Boröergrund-
bauten. Zwischen ihnen drängt sich der
Blick über das wellige Terrain nach dem
schwelligen Hügellanö, das die serne
Bergkette bewegt abschließt. Der „Blick
vom Peissenberg" bringt die aus
dem Flachland aufsteigende Kuppe voll
zur Geltung, ihre souveräne Beherrschung
des weiten GebieteS und dessen reiche
Entsaltung. Je mehr sich das Auge ver-
senkt, desto mehr liebevolle Einzelheiten
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ichichte aus dem Nazarener-Kreis, die
Ludivig Richter erzählt: er malte mit zwci
Kameraden in Tivoli eine Lanöschaft, mit
ihnen sest entschlossen, möglichst naturge-
treu zu bleiben; dennoch kamen drei ganz
verschiedene Bilder zustande. Richter zog
hieraus den Schluß, öaß es ein objek-
rives Sehen nicht gibt, öaß Form und
Farbe je nach dem kunstlerischen Tempe-
rament verschieden seien. Zola hat diese
Tatsache gelegentlich des Jmpressionis-
mus zu der verallgemeinernden Formel
geprägt: „Malerei ist Natur, gesehen
durch ein Temperament." Noch schärser
tritt die Verschiedenheit der Künsrlerper-
sönlichkeit bei der Wiedergabe des Nken-
schen hervor. Karl Freiherr vom Stein
(17Z7—i6zi) war damais 6z Jahre alt
unö auf einer Reise nach der Schweiz und
Jtalien begrissen. Er hatte sich schon
181Z von öer Politik zurückgezogen, wid-
mete sich sortan nur mehr der Bewirt-
schastung sciner Güter in Nassau und
Westsalen wie seiner Familie, öer För-
derung von Kunst und Wissenschafr; er
>var öer Begrünöer öer^dlonuiiwnta
dsrrnsniiw bistorioa" (1819). Ein libera
ler Aristokrat, der bei aller herrisch durch-
greisenden Weise die Selbsttätigkeit des
Volkes möglichst zu fördern suchte, hat
er Preußen von dessen tiefster Erniedri-
gung zur Selbstbesinnung gebracht und
zu einem modernen Staar erhoben. Da-
mals prägte sich, wie Treitschke schreibt,
"tausend Herzen das Bild des Reichssrei-
herrn ein — die gedrungene Gestalt mit
öem breiten Nacken, jäh und eckig in
jeder Bewegung, die sunkelnden Augen
und die Eulen-Nase über den sest ge-
schlossenen Lippen — ein Geist von deut-
scher Tiese und Gründlichkeit, hoch ge-
bildet und dennoch schlicht und kernhast,
der seine schwerwiegenden Gedanken oft
in ungelenken Formen, doch mit überzeu-
gender Krast und volkstümlicher Derbheit
ausspricht — ein Mann ohne Menschen-
furcht, vornehm und herrisch und doch
milden Sinnes um die Leiden der kleinen
Leute besorgt — voll Feuers und heiligen
Zorneö, aber ein deniütiger Christ und
klug besonnen inmitten der Aufregung,
unerschütterlich im Glauben an die Zu-
kunst seines Volkes und an das Walten
der Dorsehung — der ganze Mann eine
wunderbare Berbindung von Naturkrast
und Bildung, Tatkraft und Billigkeit, von
glühender Leidenschast und nüchterner Er-
wägung." Fragt man sich darnach, wer
von den beiden Künsriern wohl mehr vvn
alledem gegeben, so wird man zweifellos
Olivier den Preis zuerkennen; obwohl sein
Strich abstrakter, milder und zaghaster,
deS Markes entbehrend. Auch das Un-
tersetzte der Gesamterscheinung kommt
bei ihm klarer zum Ausdruck, ihre ge-
saminelte, verhaltene Energie, das block-
mäßig Unerschütterliche mit seinen Ecken
und Kanten. Schnorr bleibt in allem
mehr in der Gewandtheit, an der Ober-
fiäche, zeigt aber andererseits, wie srisch
öer Freiherr jedensalls noch sein konnte,
wenn ihn etwas bewegte.
Max Joseph Wagenbauer
(177Z—182g), ein Oberbayer, hat vor
allem die Landschaft seiner Heimat wie-
öergegeben und war auch ein vortress-
licher Tiermaler. Jn der Gemäldesamm-
lung des Schlosses Tegernsee ist er am
reichsten vertreten; dort war der Land-
sitz von König Max Joseph, der ihm ein
lebenslängliches Stipendium ausgesetzt.
Dieses ist auch der Grund, warum die
Münchener Graphische Sammlung so
viele Blätter von ihm besitzt; er mußte
alljährlich eine bestimmte Anzahl als Ent-
gelt abliesern. Wagenbauer ist auch einer
öer srühesten, die die Lithographie in
künstlerischem Sinne benützten. Er malte
zuerst ziemlich hölzerne Veduten, spieß-
bürgerlich genau und umständlich, in
denen daS Zeichnerische stark vorherrscht.
Die Beschästigung mit der Aquarellma-
lerei machte seinen Vortrag leichtcr und
gesügiger, zuletzt kam er gerade aus die-
sem Gebiet zu einer dustigen Farbigkeit,
die voll reiner und edler Schönheit ist.
Leider erlauben uns die vorhandenen
Mittel keine sarbige Wiedergabe, aber
auch die Schwarz-Weiß-Reproduktion läßt
die breitslächige, lockere und doch süllige
Behandlung der Form, von Licht und
Schatten deutlich erkennen. Wirksam ver-
festigt ist in der „A u s s i ch t v 0 n F ü r -
st e n st e i n", die unoollendet geblieben,
öie Komposition durch die Boröergrund-
bauten. Zwischen ihnen drängt sich der
Blick über das wellige Terrain nach dem
schwelligen Hügellanö, das die serne
Bergkette bewegt abschließt. Der „Blick
vom Peissenberg" bringt die aus
dem Flachland aufsteigende Kuppe voll
zur Geltung, ihre souveräne Beherrschung
des weiten GebieteS und dessen reiche
Entsaltung. Je mehr sich das Auge ver-
senkt, desto mehr liebevolle Einzelheiten
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