wird es entdecken. Es ist der Geist eines
sriedlichen, sreundlichen PastoraleS, der
Wagenbauers besten Schöpsungen eigen
und sie unS liebenswert macht.
I- Pp-
enn rnan gezwungen wäre, die Be-
deutung Hans PsitznerS in
einem einzigen Satz auszudrücken, in einer
kurzen Formel, die das Wesentliche die-
ses Meisrers zwar sehr allgemein, aber
so deurlich ausspräche, daß sie von jedem
sciner Werle, dem tleinsten wie dem größ-
ren, abgeleitet sein könnte, so würde man
nach Prusung und Verwersung sehr wir-
kungsvoller Möglichkeiten wohl bei der
schlichten Wendung bleiben, Psitzners
Musik sei rvie keine zweite nach Beet-
hoven durch die vollkommene Ununter-
scheidbarkeit von Form und Einsall, von
„Ersindung und Gestaltung" ausgezeich-
net. Warum diese Formel stimmt, und
wie weit sie reicht, soll noch einmal aus-
sührlich erörtert werden. Für heute möge
der Leser die leichte Mühe aus sich neh-
men, das in diesem Heft abgedruckte
Psitznersche Lied „Der Gärtner" nur dar-
aufhin anzusehen, mit welchen musikali-
schen Milteln hier das Wesentliche jedec
Strophe ausgesprochen wirö, und ob es
möglich ist, -abei das Formale in der
Betrachtung zu isolieren.
Wie Psitzner sich unmerklich von der Me-
lodie der ersten Strophe entfernt und
dennoch nicht nur durch motivische Be-
ziehungen, sondern vor allem durch die
Stimmung selbst die innere Einheit
wahrt, das ist aufs höchste zu bewundern.
Am deullichsten wirken Parallelismus wie
Steigerung beim Vergleich der zweiten
und vierten Strophe. Wundervoll über-
raschend ist der Ansang der öritten: „Jhr
darf ich keinen reichen" mit seiner beinahe
rezitativischen Deklamation und dem
Stocken der gehenden Begleitungsrhyth-
mik. Man sieht ihn förmlich, wie er ver-
zagt stehen bleibt (nämlich den Eichen-
öorssschen Daugenichts, denn er ist es,
der da singt). Nun könnte der Musiker,
der uns bis hierher zugehört hat, ohne
sich das Lied anzusehen, die Frage stel-
len, was denn nun eigentlich mit der
ersten Strophe sei; vier Strophen habe
das Gedicht, die Musik sei imter sie auf-
geteilt, aber wo sei noch ein Platz ge-
lassen sür die Wiederkehr der e r st e n
Melodie, aus die doch nicht verzichtet
werden könne? Wer so sragt, wird über
den Schluß unseres Liedes in Entzücken
geraten. Pfitzner wiederholt nämlich wirk-
lich die erste Melodie, aber wie! Die er-
sten drei Zeilen sind dem Pianissimo des
Klaviers allein überlassen, erst mit der
vierten setzt wieder die Singstimme ein.
Die künstlerische Wirkung dieser Stelle
läßt sich erst auS dem Zusammenhang
begreifen. Man muß sühlen, wie
das MeloS nach der schlicht volkslieder-
hasten ersten Strophe sich immer mehr
und ganz allmählich subjektiviert, ja wie
am Änfang der dritten und im Verlauf
der vierten Strophe daS Lied sehr diskret,
aber doch unverkennbar zur imaginärcn
Szene wird. Freilich ist es eine reine
Landschast der Seele, in der sie sich ab-
spielt, aber wir sehen ihn, den Eichen-
dorssschen Helden, wie er geht, stehen-
bleibt, wie er gräbt und gräbt. Und nun
kommt die besondere Pfitznersche Feinheik,
mit der sich die Szene sortspinnt. Denn
es ist wahrhastig keine Wiederholung,
was noch solgt, sondern ein ganz phan-
kastischer Einsall: die Diückkehr zur ersten
Strophe ist durch ihre poetische Moki-
vierung etwaö Neues geworden, sozu-
sagen eine hinzugedichtete sünfte Strophe,
in der sich öie Verzweislung der vierten
zur sansten Träumerei zurücksindet. Jm
Jnnern unseres Helden klingt leise unv
von sern herübergeweht die alte Melo-
die, und siehe da, schon sängt er selber an
zu singen und eö wird noch alles gut.
Der Leser möge sich durch diese kurzen
Andeukungen zu der Betrachtungsweise
führen lassen, mit der allein der Erschei-
nung Psitzners näherzukommen ist, d. h.
sich daran gewöhnen, daß daö wahr-
hast Schöpferische durch Formaleö nicht
gehemmt, sondern dazu beseuert wird,
gerade dieses Formale schöpserisch zu le-
gimitieren und zu verklären.
Alexander Berrsche
Verlag von Georg D. W. Callwey, Druck von KasinerL Callweyin München. — Derantwortlirh:
Dr. Herrnann Rinn, München. Jn Osterreich verantwortlich: Paul Sonnenseld, Wien IX., Liechtenstein-
straße i6. — Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siernens, XV 57, Kurfürstenstraße 6; Geschästsstelle für Wien:
Goethe-Buchhandlung, IX., Liechtensteinstraße 16
Sendungen für den Te^t nur nach vorberiger Dereinbarung, da sonst keine Derantwortung übernomrnen werden
kann, an den Kunstwart-Derlag Georg D. W. Callwey in München Z2, Lrieffach
sriedlichen, sreundlichen PastoraleS, der
Wagenbauers besten Schöpsungen eigen
und sie unS liebenswert macht.
I- Pp-
enn rnan gezwungen wäre, die Be-
deutung Hans PsitznerS in
einem einzigen Satz auszudrücken, in einer
kurzen Formel, die das Wesentliche die-
ses Meisrers zwar sehr allgemein, aber
so deurlich ausspräche, daß sie von jedem
sciner Werle, dem tleinsten wie dem größ-
ren, abgeleitet sein könnte, so würde man
nach Prusung und Verwersung sehr wir-
kungsvoller Möglichkeiten wohl bei der
schlichten Wendung bleiben, Psitzners
Musik sei rvie keine zweite nach Beet-
hoven durch die vollkommene Ununter-
scheidbarkeit von Form und Einsall, von
„Ersindung und Gestaltung" ausgezeich-
net. Warum diese Formel stimmt, und
wie weit sie reicht, soll noch einmal aus-
sührlich erörtert werden. Für heute möge
der Leser die leichte Mühe aus sich neh-
men, das in diesem Heft abgedruckte
Psitznersche Lied „Der Gärtner" nur dar-
aufhin anzusehen, mit welchen musikali-
schen Milteln hier das Wesentliche jedec
Strophe ausgesprochen wirö, und ob es
möglich ist, -abei das Formale in der
Betrachtung zu isolieren.
Wie Psitzner sich unmerklich von der Me-
lodie der ersten Strophe entfernt und
dennoch nicht nur durch motivische Be-
ziehungen, sondern vor allem durch die
Stimmung selbst die innere Einheit
wahrt, das ist aufs höchste zu bewundern.
Am deullichsten wirken Parallelismus wie
Steigerung beim Vergleich der zweiten
und vierten Strophe. Wundervoll über-
raschend ist der Ansang der öritten: „Jhr
darf ich keinen reichen" mit seiner beinahe
rezitativischen Deklamation und dem
Stocken der gehenden Begleitungsrhyth-
mik. Man sieht ihn förmlich, wie er ver-
zagt stehen bleibt (nämlich den Eichen-
öorssschen Daugenichts, denn er ist es,
der da singt). Nun könnte der Musiker,
der uns bis hierher zugehört hat, ohne
sich das Lied anzusehen, die Frage stel-
len, was denn nun eigentlich mit der
ersten Strophe sei; vier Strophen habe
das Gedicht, die Musik sei imter sie auf-
geteilt, aber wo sei noch ein Platz ge-
lassen sür die Wiederkehr der e r st e n
Melodie, aus die doch nicht verzichtet
werden könne? Wer so sragt, wird über
den Schluß unseres Liedes in Entzücken
geraten. Pfitzner wiederholt nämlich wirk-
lich die erste Melodie, aber wie! Die er-
sten drei Zeilen sind dem Pianissimo des
Klaviers allein überlassen, erst mit der
vierten setzt wieder die Singstimme ein.
Die künstlerische Wirkung dieser Stelle
läßt sich erst auS dem Zusammenhang
begreifen. Man muß sühlen, wie
das MeloS nach der schlicht volkslieder-
hasten ersten Strophe sich immer mehr
und ganz allmählich subjektiviert, ja wie
am Änfang der dritten und im Verlauf
der vierten Strophe daS Lied sehr diskret,
aber doch unverkennbar zur imaginärcn
Szene wird. Freilich ist es eine reine
Landschast der Seele, in der sie sich ab-
spielt, aber wir sehen ihn, den Eichen-
dorssschen Helden, wie er geht, stehen-
bleibt, wie er gräbt und gräbt. Und nun
kommt die besondere Pfitznersche Feinheik,
mit der sich die Szene sortspinnt. Denn
es ist wahrhastig keine Wiederholung,
was noch solgt, sondern ein ganz phan-
kastischer Einsall: die Diückkehr zur ersten
Strophe ist durch ihre poetische Moki-
vierung etwaö Neues geworden, sozu-
sagen eine hinzugedichtete sünfte Strophe,
in der sich öie Verzweislung der vierten
zur sansten Träumerei zurücksindet. Jm
Jnnern unseres Helden klingt leise unv
von sern herübergeweht die alte Melo-
die, und siehe da, schon sängt er selber an
zu singen und eö wird noch alles gut.
Der Leser möge sich durch diese kurzen
Andeukungen zu der Betrachtungsweise
führen lassen, mit der allein der Erschei-
nung Psitzners näherzukommen ist, d. h.
sich daran gewöhnen, daß daö wahr-
hast Schöpferische durch Formaleö nicht
gehemmt, sondern dazu beseuert wird,
gerade dieses Formale schöpserisch zu le-
gimitieren und zu verklären.
Alexander Berrsche
Verlag von Georg D. W. Callwey, Druck von KasinerL Callweyin München. — Derantwortlirh:
Dr. Herrnann Rinn, München. Jn Osterreich verantwortlich: Paul Sonnenseld, Wien IX., Liechtenstein-
straße i6. — Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siernens, XV 57, Kurfürstenstraße 6; Geschästsstelle für Wien:
Goethe-Buchhandlung, IX., Liechtensteinstraße 16
Sendungen für den Te^t nur nach vorberiger Dereinbarung, da sonst keine Derantwortung übernomrnen werden
kann, an den Kunstwart-Derlag Georg D. W. Callwey in München Z2, Lrieffach