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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Ein Bilderbuch aus dem alten Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0740

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EIN BILDERBUCH AUS DEM AUEN WIEN

dich her und zeichn' mich ab!" Und der aber keineswegs, erfüllte mich vielmehr mit
Meister ließ sich in einen mit Rohrgeflecht hoher Befriedigung.

bezogenen Armsessel — er steht heute noch in Hier reiht sich vielleicht am schicklichsten
meinem Atelier — nieder. Ich griff nach an, was ich über den Eindruck sagen möchte,
Papier und Bleistift und begann. Heute sehe den die wenige Jahre später im „Schönbrunner
ich noch die scharfe Silhouette der Figur vor Hause" (Unter den Tuchlauben) vom Kunstverein
mir, die sich von einem hellen Hintergrund veranstaltete Nachlaßausstellung Sch winds auf
als Fenster deutlich abhob und entsinne mich mich, den damals zehnjährigen Knaben, machte,
noch genau der äußerst kindischen Zeichnung, Wie immer, hat sich auch davon einiges mir
die ich in wenigen Minuten hinwarf. Dabei sehr genau eingeprägt, anderes ist mir voll-
befeuchtete ich, im Bestreben, dem harten ständig entschwunden. So weiß ich, daß nahe
Bleistift einige kräftigere Striche zu entlocken, vor der Eingangstür des ersten Saales, dem
die Spitze mit der Zunge, was mir einen Eintretenden zur rechten Hand, der „Ritter Kurl"
Verweis eintrug. „Bleistift abschlecken tun die hing, im zweiten Zimmer, links vom Eingang,
Köchinnen und Naschmarktweiber, verstehst? der „Rübezahl" und die Zwerge, die die große
Daß mir das nicht mehr vorkommt!" Als Zehe der Bavaria finden, ferner oben an der
ich nach kurzer Zeit mein Opus überreichte, gegenüberliegenden Wand das erste, in Oel
auf dem der Umfang des Modells sehr drastisch gemalte Bild (eine Variante!) aus dem Zyklus
dargestellt war, schüttelte sich der Alte vor „Die sieben Raben". Einige Kartons schweben
Lachen, wobei mein Vater, der daneben stand, mir undeutlich vor, wenn mir recht ist, die zu
ihm weidlich sekundierte. Das kränkte mich den Zwickelbildern aus der Loggia der Oper.

Am klarsten sehe ich noch
die „Schöne Melusine" vor
mir, die mich aufs lebhafteste
ergriff und auch fast zum
Weinen brachte. Es störte
mich freilich etwas, daß die
dargestellten Szenen mit der
Erzählung, wie sie mir aus
den deutschen Volkssagen von
Gustav Schwab, einem Buche,
das ich kurz vorher zu Weih-
nachten erhalten hatte und
beinahe auswendig wußte,
nicht recht übereinstimmen
wollten, was ich in meiner
kindischen Denkweise als
einen Fehler des Kunstwerks
ansah; trotzdem war die Wir-
kung dieser wundervollen
Dichtung in Farben eine der
stärksten, die je ein Kunst-
werk auf mich ausgeübt hat.
Anderen Gemälden gegenüber
aber regte sich schon mein
kritisches Gefühl. Das Stili-
sierte daran (z. B. den land-
schaftlichen Hintergrund des
„Rübezahl") fand ich unnatür-
lich ; es war mir unsympathisch,
ja zuwider. Das alt deutsch-
bunte, gotisch - krause über-
einandergetürmte Gewimmel
ohne eigentliche Perspektive
im „Ritter Kurt" wollte mir
gleichfalls nicht behagen, und
die Oelmalereien erschienen

ausstellung der darmstädter künstlerkolonie. kredenz .

entw.: arch. em. jos. marüüld-darmstadt. mir überhaupt zu glatt und bunt.

ausführung der darmstädter möbelfabrik

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