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Mannheimer Abendzeitung — 1847

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No. 89 - No. 116 (1. April - 30. April)
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: 1847. Abouneme ut in Mannheim halbjährlich 2
u â L uw : Inserate die gespaltene Zeile in Peiitschrift



! fl. 48 kr., durch die Poft bezogen im ganzen Großherzogthum Baden
halbjährlich 5 fl., im Ausland erhöht fich das Abonnement um den Poftaufſchlag. ;
oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe und Gelder: ſrei einzuseuven.

Douuerſtag, den 1.5. April.

J bendzeitung, k

No. 101.





mi Deeut9ſchland .
" *[J* Heidelberg, 10. aûf Ch Verhandlung des heidelber-
ger Guſtav-Adolphs-Vereins über die Ausschließung des Dok-
tor Rupp. Heute hat endlich auch der heidelberger Zweigverein der Guſtav-
Abolphs-Stiftung sein Urtheil über das „Ketergericht“ in Berlin gesprochen.
r iſt einer der letten, die dieß gethan haben. Bisher war aus nichtsſagen-
î den Gründen eine Versammlung über die rupp'ſche Angelegenheit ſtetsfort ver-
schoben worden. Endlich erfolgte die Ansagung einer solchen, bei der man sich
aber allgemein wunderte, daß dieselbe nur durch eine einmalige Anzeige im
Fieſigen „Journal“ geſchah, und daß gar nichts über die Tagesordnung be-
merkt war. l : ; j
__ Die Versammlung selbſt war von etwa vierzig Mitgliedern be-
sucht. Zuhörer hatten ſich sieben oder acht eingefunden. ~ Die Berathung
wurde von dem Mustertheologen Ullmann geleitet; Profeſſor Dittenber-
g er, der Abgeordnete bei der Hauptversammlung zu Berlin führte das Pro-
'tokoll. Der Theologe Ullmann begann mit einer durchaus unstichhaltigen Aus-
kinandersegung über die Gründe, warum der Verein so spät erst zusammen-
‘komme. Sodann ſprach er belehrende Worte über die Gründung, Ausbildung
und Wirksamkeit des Guſtav-Adolphs-Vereins, zur Aufklärung für „„Manche“,
welche ,vielleicht“ noch nicht die gehörige Kenntniß darüber hätten. Nachdem
er so etwa eine halbe Stunde oder mehr ,die Geduld der Zuhörer“ mißbraucht
hatte, sagte er am Schluß seiner Rede: es seien nun „w o h 1 “ allerhand
Dinge zu besprechen, die sich auf den Guſtav-Adolphs-Verein bezögen. So
sei wohl auch Einiges vielleicht zu verhandeln über den königsberger Abgeord-
neten bei der berliner Versammlung, Doktor . . . . Das Wort „Ru pp" war
nicht zu vernehmen. ;
_ Sofort erhob ſich ein Redner, Dr. Hagen, welcher Herrn Ditten-
berger aufforderte, in Kürze die Gründe seiner Handlungsweise bei
der berliner Verſammlung auseinanderzuſegen, damit der hiesige Verein die-
"ſelbe sofort gutheiße oder mißbillige. Herrn Dittenberger war diese Aufforde-
rung höchſt mißlich. Er drehte und wendete sich und erklärte, er sei hier nur
als Sekretär und nicht als Abgeordneter, man möge seine Person ganz
aus dem Spiel laſſen u. dgl. Man bemerkte ihm, daß seine Perſönlichkeit
weiter gar nicht im Spiele sei; es solle ganz „objektiv über die damalige Ab-
stimmung des Herrn Dittenberger gesprochen werden, wozu er die nöthigen
Erläuterungen geben möge. Herr Dittenberger aber zuckte die Achseln und



ä theilte mit: , sie, das Komite, hätten beſchloſſen, keinen Bericht zu er-
ä latien, da die ganze Verhandlung zu Berlin in allen Zeitblättern sattsſam

durchgeſprochen und wohl Jedem bekannt sei. (Es handelte sich aber nicht um
die „ganze Verhandlung zu Berlin“, sondern um die ſpezielen Gründe des
Mg. Dittenberger!) Jedenfalls, fuhr Dittenberger fort, möge man seine Per-
son auch objektiv aus dem Spiele laſſen. -- Der Antrag, Dittenberger
durch einen Beſchluß zur Angabe seiner Gründe zu zwingen, kam nicht zur
Abstimmung. | U H
t f Ein Vverer Redner stellte nun den Antrag, man solle eine Mißbilli-
ung gegen den Beschluß der Mehrheit zu Berlin aussprechen. Er
fuchte Dieß zu begründen, indem er nach bekannter liberaliſtiſcher Art den Be-
griff „Landeskirchen“ strich und für alle „evangelischen“ ( ? ?) Christen das

s .

Recht in Anspruch nahm, zur evangelisſch-proteſtantiſchen Kirche (?? ) gezählt

zu werden. Die freien Gemeinden wollte er so gut dazu rechnen, als die

waldenſiſchen Sekten und die Altlutheraner. Profeſſor H äußer fügte diesem |

Antrag noch bei, man solle grundsätzlich aussprechen, die nächste Versammlung
zu Darmſtadt möge die Aussſchließkung Ruvp’s verwerfen, und prinzipmäßig
den proteſtanriſchen (?! ) Grundsatz der Glaubensfreiheit, der freien Z ula s-
ſung jedes „evangelischen Chriſten“ (! ) aufſtellen.

Nun erhob ſich der Streiter des Herrn, der sogenannte Philosoph unter

den Theologen, Rothe, der es da über sich nahm, für das Lamm zu zeugen
und die Reinheit der Kirche zu bewatßren. Er that es nicht mit dem Grimm
des Fanatikers, ſondern mit der süßlichen, seufzenden Stimme des glatten
Theologen, der es aber mit der „Welt“ doch nicht verder-
ben möchte. [Rothe, der Kirchenrath, betheuerte, man habe in Berlin
kein „Ketergericht" halten wollen; bei Leibe nicht! lächelte er ſüß
~ Rupp iſt kein „Ketzer.“ Aber, fuhr er fort, ich weiß nicht, warum man
gerade Ursache haben sollte, auf die Landeskirchen schlimm zu sprechen zu sein;
die Landeskirchen sind einmal die hiſtoriſch beſtehenden Kirchen, und, Sie dür-

fen es glauben, die Einheit der protestantischen Kirche liegt in ihnen: es iſt

ein höchſt wohlthuendes Gefühl, sich so Eins und einig beisammen zu sehen
u. s. w. Damit will ich nicht geſagt haben, daß Rupp nicht auch Anspruch
darauf machen könne, ein evangelischer Chriſt zu heißen u. s. w. Auch lag
es durchaus bei der Gründung des Guſtav-Adolphs-Vereins in der Absicht,
derlei Fragen fern zu halten, und das Beſtehen desselben war mit die-
ser Neutralität gewisſermaßen verknüpft. Da aber einmal die
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ſammlung zu Berlin die Ehre gehabt hätte, wie Sie mir Dieß zudachten, Ihr
Vertreter zu sein, ich nicht anders nach meiner redlichen, ehrlichen Ueberzeu-
gung gekonnt hätte – legen Sie mir Das ja nicht als Fanatismus aus !
sondern nehmen sie es (mit der Hand auf der Brust) als meine einfache, ehr-
liche Ueberzeugung — als daß ich mich ebenfalls, zwar mit schmerzlichen Ge-
fühlen, für die Majorität erklärt hätte. Nehmen Sie Das für nichts weiter,
als für eine Ansicht! Ich halte sie für recht und müßte darnach handeln.
Man ſieht nun nicht ein, warum der Guſtav-Adolph-Verein , der nur
durch „Neutralität“ so gut zusammenhielt, nicht auch im einzelnen Falle
vie „Neutralität“ aufrechthalten und sich mit dem Beſehen der Voll-
machten eines Abgeorbneten begnügen sollte. Da nun obendrein Rupp nach
der Meinung Rothe's „kein Ket er“! war, ſo hatte man gar keinen Grund,
ihn auszuschließen. Wäre er aber ein Ketzer, so hätten die liebevollen Theo-
logen feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln sollen durch seine Zulaſſung.

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Dr. Hagen trat wieder auf und ſagte, er für sein Theil sehe die ganze

| Sache als eine Frag e des Freisinns oder der ~ tirchlichkeit an. Aus
der einen Seite stünden die Altgläubigen, auf der andern Diejenigen, welche
mit dem Geiſte der Zeit vorwärts geſchritten seien. Rothe bat sich darauf lä
chelnd eine Privatbeſprechung mit Dr. Hagen aus, weil diese Dinge ~ nicht
hierher gehörten! In gleichem Sinne, wie Hagen, erklärte ſich ein an-

derer Bürger gegen die theologischen Zänkereien. - Darauf erhub ſich ein
neuer Mann Gottes, der pietiſtiſche Kirchengemeinderath W inter, der dem
Doktor Rupp hart zuſezte. Der Kirchengemeinderath Winter zeichnete sich
wunderbarlich aus durch Mangel an jeder Logik und durch die Fülle chriſtli-
chen Eifers. Er wurde ziemlich thöricht vor der Welt. Den Dotktor Rupp
hielt er für einen viel gefährlicheren Ketzer, als es dieser wirklich iſi. Als ihm

Dittenberger nachwies, daß Rupp nur gegen die Verfluchungs formel

des athanaischen Bekenntnisses geeifert habe, blieb der Pietiſt Winter dennoch
dabei, daß Rupp dadurch „an dem Grundſtein der proteſtantiſchen
Kirche gerüttelt," und deßwegen ausgeſchloſſen werden mußte. Winter

wurde häufig durch Zeichen des Unwillens unterbrochenz er sah ſich aber ftets
fanatiſch um nach seinen murrenden Gegnern und suchte einen gewiſſen Ein-

druck auf sie zu machen, indem er von flüſternd leiſer Stimme plöglich zum
Donner des Gerichtes überging, offenbar um zu zeigen, daß der Herr im

Säuſeln des Windes und im Sturme reden könne. Dittenberger ſprach
dann längere Zeit, ohne daß man den Sinn ſeiner Rede hätte kurz krieeen.
können. Er wollte nämlich, seiner erſten Erklärung zuwider, Aufschluß ünen.

die Beweggründe der berliner Versammlung geben, und setzte zu dieſem Zweck
weitſchichtig aus einander, daß man dem Dr. Rupp den Zusammenhang mit
der evangeliſch- proteſtantiſchen Kirche nicht habe ſtreitig machen wollen, daß
ſeine Vollmacht in Ordnung geweſen sei, und daß diplomatiſche Rückſichten

wohl nicht obgewaltet hätten. Aus welchem Grund nun eigentlich Rupp
ausgestoßen wurde, blieb unklar.. Ullmann redete ſchließlich im Sinne ei-
ner Broſchüre, aus der er ein Stück vortrug. :



Auf vielfältiges Rufen nach Abstimmung wurde endlich abgeſtimmt. Die
Gutgläubigen ſträubten sich besonders gegen den namentlichen Aufruf, zu .

| dem es leider auch nicht kam. So wollten sie auch, daß die für Rupp Stim-
menden aufſtehen sollten. Dieß Legtere bewilligte man ihnen nicht. ~ Auf
die Frage, ob die Versammlung zu Berlin Recht gehabt habe, den Doktor

Rupp auszuſchließen, erhoben ſich denn die drei Männer Ullmann, Rothe

und Winter, die den Herrn mitten in dem Feuerofen einer lachenden Mehr-

heit muthig prieſen. Der Antrag Häußers, daß grundſäglich ausgesprochen
werde: jeder „evangelische" Chriſt sei zum Verein zuzulaſſen, fand ebenfalls
nur an den drei Männern und einem Vierten, der ſich dazu gesellte, Wider- .
ſpruch. Rupp hat also in Heidelberg geſieeen. ;

Herrn Dittenberger wurde ſchließlich für ſeine Ufirmuts (in Berlin)
noch gedankt. Ein Mitglied rügte, daß bei der öffentlichen Anzeige der Ver-
sammlung keine Tagesordnung angegeben worden sei. Der Sekretär Ditteu-
berger vertheidigte sich damit: während der Oſterfeiertage habe er eben keine
Zeit gehabt, Dieß zu thun; er habe bei der Dringlichkeit der Sache die An-
zeige so schnell und k urz als möglich in die Druckerei geben müſſen!! Die
öffentliche Meinung glaubt an andere Beweggründe. -. Die Sitzung wurde
tit tur su Rede Ullmann's geschloſſen, welche wie es mir ſchien, eigent-
ich ein Gebet war. : ela ! ] M G
§ +* Frankfurt, 12. April. Dem Vernehmen nach hat. derſelbe. übelbe-
rüchtigte Zirndorfer, welchem man die Verlockung Dronke's nach Coblenz zu-
schreibt, und welcher notorisch die Denunziationen gegen das hieſige Mon-
tags-Kränzchen in die leipziger Allgemeine zu schwärzen wußte, eine großartige
Intrigue gegen die Reformfreunde bei der k. preußiſchen Bundestagsge.andt-
schaft angesſponnen, was dann paolizeiliche Verfügungen gegen mehrere Ver-
einsglieder bewirkt haben soll. Wie man hört, iſt aber bereits Graf Dönhoff
von der Qualität jenes Subjekts unterrichtet worden, und es ſteht daher zu
erwarten, daß die Rachehandlungen des Z., welcher früher aus dem Mon-

tagskränzchen als ein ungebetener Gast ausgewieſen wurde, ohne die beabſinzen.

tigten Folgen bleiben werden. Daß der Denunziant diese seine Entlarvung in
öffentlichen Blättern frech abläugnen werde, möchte kaum zu bezweifeln sein;
vielleicht läßt er sich auch Scheins halben zu einer gerichtlichen Klage bei; al-
lein das iſt es eben, was man zur ewigen Unſchädlichmachung desselben wün-
en muß. su

ſ é. 11. April. (Frankf. J.) Hier iſt ein aus den achtbarſten Perso-
nen zuſsammengesetzttes Generalcomite zur Bildung eines Actienvereins zu
sammengetreten, welcher die Mittel zum Ankauf der nöthigen Saatkartof-

feln für die dürftigſten Gemeinden aufbringen soll. Unser k. Regierungs-

präſident, die Regierungsdirectoren und Regierungsräthe ſtehen an der Spitze

dieſer dringend nothwendigen, allerwärts sehr zu empfehl enden Maß-
"Vt. us Preußen, 8. April. Seit dem Erſcheinen des Simon'ſchen
Buches iſt der Verfasser feſtſtehender Gegenstand der deutſchen Zeitungen, und
während die Einen ihn entfliehen laſſen und zwar nach Sachsen (wohl um
aus dem Regen in die Traufe zu kommen), laſſen Andere ihn längst verhaftet
und wer weiß welcher Verbrechen angeklagt sein. Die Wahrheit iſt, daß Simon
Preußen nicht verlaſſen hat, wohl aber in der letzten Zeit viel gereiſt iſt, um
hier und dort Sinnesgenoſſen zu sprechen. Eine Klaze droht ihm allerdings
jetzt, denn dem Vernehmen nach hat das Staatsminiſterium gegen zwei Stim-
men beschloſſen, gegen dén Verfaſſer der Schrift ; „Annehmen oder Ablehnen :c."
gerichtlich einzuſchreiten und denselben zur Haft zu bringen. Auf die Privat-
benachrichtigung von der einzuleitenden Unterſuchung hat Simon, der während
ſeiner Abwesenheit vcn Breslau jede Gelegenheit zur Kundgebung der vorhan-
denen Sympathien für ihn sorgfältig vermied, dem Breslauer Gerichtshofe so-
fort angezeigt, er werde unverzüglich ſich dem untersuchenden Oberlandesgericht
zu Breslau, als seiner derzeitigen Gerichtsbehörde ſtellen, wogegen er die Ju-
läſſigkeit des Kammergerichtes für diese Sache nicht anerkennen könne. Somit
 
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