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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0453

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452

Anhang: Bestattungen, Grablegen und Gebeine

Wilhelm von Egmond berichten gleichermaßen, dass ein Friese nur aus Angst
um sein Leben den Grabort preisgegeben hätte. Um das Heilige Kreutz zu fin-
den, habe Helena schließlich einen Tempel einreißen lassen.2640 Das Grab König
Wilhelms soll beiden Schreibern zufolge unter einem Haus verborgen gewesen
sein.2641 Wilhelm von Egmond betonte die Gemeinsamkeiten noch durch das
Kreuz, welches vor König Wilhelm gefunden worden sei.
Ob es sich bei diesen Gemeinsamkeiten um Indizien für eine Erfindung des
gesamten Funds handelt oder ob sie eine narrative Uberformung einer tatsäch-
lichen Begebenheit anzeigen, ist nicht endgültig zu klären. Festgehalten werden
kann jedoch, dass im Briefwechsel Floris' V. mit Edward I. keine Details be-
züglich der Fundumstände genannt werden. Sämtliche Details entstammen der
späteren Historiographie und weisen Spuren einer narrativen Verformung auf.
Hier ist hinter den Gemeinsamkeiten wohl weniger eine gemeinsame schriftli-
che, denn eine mündliche Vorlage zu vermuten. Floris V. benötigte eine Erklä-
rung, wie er die Gebeine seines Vaters in der Fremde gefunden haben will. Es
kann vermutet werden, dass die bei Melis Stoke und Wilhelm von Egmond
ausgestalteten Schilderungen in ihrem Kern auf die von dem jungen Grafen
propagierte Geschichte zurückgehen. Diese Schilderungen zeigen, wie zwei
Chronisten, die den Grafen von Holland sehr nah standen, Erklärungen für die
vermeintliche Entdeckung der Gebeine des in der Fremde verstorbenen Vaters
aufnahmen und ausgestalteten. Aus diesen Schilderungen können keine de-
taillierten Rückschlüsse auf faktische Begebenheiten, mehr auf den Stellenwert
der Ereignisse in den Augen der Chronisten gezogen werden.
Die Vorgänge lassen sich auch nicht durch naturwissenschaftliche Unter-
suchungen an den vermeintlichen Gebeinen König Wilhelms klären. Die 1817
gefundenen Knochen konnten 2011/2012 mittels aufwendiger Analysen der
gräflichen Familie weder eindeutig zugeordnet noch eine Zugehörigkeit aus-
geschlossen werden. Eine genauere Identifizierung war somit ebenfalls ausge-
schlossen.2642 Die Untersuchungen ergaben lediglich, dass die Knochen über
Jahre in bloßer Erde bestattet waren, bevor sie in den steinernen Sarg gelang-
ten.2643 Unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem Grab um jenes König
Wilhelms handelt, können die Ergebnisse aus den naturwissenschaftlichen Un-

2640 Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, Bd. 1, cap. 68, S. 952.

2641 Für eine solche Bestattungssitte im mittelalterlichen Friesland gibt es keinerlei Hinweise. Einen
Überblick bietet Arnold, Bestattungswesen der Friesen. - Burgers, Eer en Schande, S. 9 erklärt die
Bestattung unter dem Haus damit, dass der Boden des Schlachtfelds gefroren gewesen sei.
Hierfür gibt es keinen Rückhalt in den Quellen. - Ebenso spekulativ ist die Frage bei Schmidt,
Bauernaufstände, S. 442 Anm. 89, ob sich ein friesischer Bauer von den „Segenskräften im
Königskörper Gedeihen für Haus und Familie" versprochen habe.

2642 Dies erfolgte mittels DNA-Vergleich mit sicher zugeordneten Proben der Grafenfamilie. Eine
eindeutige Bestimmung wäre durch den Vergleich mit der DNA seines Sohns Floris V. denkbar
gewesen, doch alle Proben waren zu stark beschädigt, siehe Cordfunke, Willem II, S. 75-80.

2643 Cordfunke, Willem II, S. 61-73. Cordfunke und sein Team sind der Ansicht mit diesem Indiz die
Zugehörigkeit der Gebeine zu König Wilhelm belegen zu können. Aufgrund der wechselhaften
Geschichte der Grablege und den gegen diese Zuordnung sprechenden Befunden ist dieses Indiz
jedoch zu schwach, siehe S. 430 Anm. 2488.
 
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