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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0452

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A 1.2. Umbettungen

451

sehen."2629 Unterdessen habe ein alter Mann, der „weder für sich noch für die
Welt von großem Nutzen" gewesen sei, durch die Anwesenheit der Feinde um
sein Leben gefürchtet. Um sich zu retten, habe er angeboten, den Körper des sehr
edlen Königs aufzuzeigen.2630 Daraufhin geht er zu einem bestimmten Haus und
auf seine Anweisung hin wird am Ort der Feuerstelle nach dem Grab gesucht.2631
Zunächst wird nichts gefunden, doch als er auf sein Leben schwört, wird wei-
tergegraben. Schließlich entdecken sie Balken in Form eines Kreuzes.2632 Unter
diesen kommt ein kleines Grab zum Vorschein, das den Leichnam Wilhelms
enthält.2633 Diese Entdeckung verbreitet Freude im Heer, erneuert aber auch den
Schmerz über den Tod des Königs.2634 Letztendlich sei durch das Neuauffinden
des königlichen Körpers der Zorn entfacht und der Geist beleidigt worden, so
dass der Feind mit Feuer und Schwert verwüstet wurde.2635
Etwaige Zweifel an dieser Geschichte möchte Wilhelm von Egmond zu-
rückweisen: Die Geheimhaltung erklärt der Chronist mit dem einfachen Gemüt
der Friesen, die befürchtet hätten, nachdem sie ihren eigenen König erschlagen
hätten, des Hochverrats beschuldigt zu werden und so in Ewigkeit verdammt zu
sein.2636 Um nicht mit der Beweislast des Körpers konfrontiert zu werden, hätten
sie geschworen, niemandem das Grab zu zeigen. Dies sei jedoch von dem be-
sagtem Friesen aus Todesangst gebrochen worden. So habe Graf Floris den Sieg
über die Friesen errungen, sei mit dem Körper seines Vaters heimgekehrt und
habe diesen in Middelburg in königlicher Weise bestattet.2637
Die Schilderung gleicht in ihren wesentlichen Punkten der des Melis Stoke,
nur dass sich hier nicht vier Friesen, sondern das gesamte Volk zur Geheim-
haltung verschworen haben. Darüber hinaus wird das Auffinden, besonders im
Schluss, mit dem Sieg Floris' V. über die Friesen verknüpft, was an hagiogra-
phische Schriften erinnert. Ein weiteres Indiz hierfür sind die Balken, die in Form
eines Kreuzes aufeinander lagen und vor den Gebeinen Wilhelms zu Tage ge-
treten sein sollen. In der Tat zeigt die Schilderung Ähnlichkeiten mit der Legende
von der Auffindung des Heiligen Kreuzes durch die heilige Helena, die in just
dieser Zeit durch die Legenda Aurea weite Verbreitung erfuhr: Wie die Friesen laut
Melis Stoke und Wilhelm von Egmond, sollen sich die Juden Jerusalems laut der
Legenda Aurea geschworen haben, dass keiner das Versteck verraten solle.2638 Aus
Angst um sein Leben habe jedoch einer der Juden, nachdem er sieben Tage in
einen Brunnen gesperrt wurde, diesen Schwur gebrochen.2639 Melis Stoke und

2629 Willem Procurator, Kroniek, S. 166: ceduntur plurimi capiuntur ut pauci. quasi in vindictam regis
Alemannie principis decorati.
2630 Ebd.
2631 Ebd., S. 168.
2632 Ebd.: quasdam trabes sibi invicem in modum crucis colligatas inveniunt.
2633 Ebd.
2634 Ebd.
2635 Ebd.
2636 Ebd.
2637 Ebd.: que tarnen protestatio mortis timore per dictum Frisonem divine pietatis gratia violatur.
2638 Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, Bd. 1, cap. 68, S. 952.
2639 Ebd.
 
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