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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0451

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450

Anhang: Bestattungen, Grablegen und Gebeine

ihm jedoch wichtiger gewesen als großer Reichtum. Man habe die Knochen
ausgegraben, gewaschen und in einen Schrein gelegt.2622
In der 1311-1314 überarbeiteten Version veränderte Melis Stoke diese
Schilderung stark. Die ursprüngliche Passage wurde gestrichen, dafür zwei neue
hinzugefügt: Nach der Beschreibung von Wilhelms Tod folgt nun ein Abschnitt
mit der Angabe, man habe den König unter einem Haus in Hoogwoud vergra-
ben, was vier Friesen bekannt gewesen sei.2623 Zu 1282 schließlich schrieb der
Dichter Verse hinzu, wie Graf Floris V. auf seinem Feldzug nach Friesland auf
diese vier Männer gestoßen sei. Einer sei im Vorfeld getötet worden, zwei weitere
seien in eine Kirche geflüchtet, aber dennoch von den Kriegern des Grafen ge-
tötet worden. Der vierte habe schließlich, um sein Leben zu retten, angeboten,
das Grab des Königs aufzuzeigen. Es folgt die detaillierte Schilderung, wie der
Leichnam unter einem Haus ausgegraben worden sei. Die Gebeine seien ge-
waschen, in einen Schrein gelegt und schließlich in Middelburg begraben wor-
den.2624 Die Fassung der zweiten Redaktion ist damit eine breiter ausgestaltete
Variante der ersten Fassung.2625 Der Dichter fügte die vier Friesen bereits früh ein
und gestaltete die Schilderung mit mehr Details, die Floris nicht mehr überrascht
über den Fund, sondern zielgerichtet auf diesen hinarbeitend zeigen. Nicht nur
aufgrund der engen Bindung des Dichters an die Verwandten Floris' V.,2626 der
besonders hervorgehoben wird, darf man hier von einer literarischen Verfor-
mung ausgehen. Auf dieser Grundlage lassen sich keine haltbaren Aussagen
über den Hergang treffen. Vielmehr ist die Schilderung des Melis Stoke als erster
bekannter Schritt hin zur Verklärung des Funds und der Umbettung zu sehen.
Eine weitere Variante dieser Schilderung bietet Wilhelm von Egmond in
seiner Chronik.2627 Er beendet seine ausführliche Schilderung von Sterben und
Tod König Wilhelms mit der Feststellung, dass das gesamte Heer des Königs
wieder heimgekehrt sei, nur der König sei allein, unter Barbaren an einem
schrecklichen Ort bestattet, zurückgeblieben. Die Engel mögen seinen Geist
aufnehmen.2628 Zu 1282 berichtet der Chronist nun vom erfolgreichen Feldzug
Floris' V. gegen die Friesen. Auf den Leichnam König Wilhelms kommt er dabei
am Ende einer Schilderungen von den tapferen Kriegern und flüchtenden
Feinden zu sprechen: „Viele wurden getötet, gefangengenommen wurden nur
wenige, aus Rache für den gekrönten Fürsten, den König des Reichs der Deut-

2622 Rijmkroniek van Holland, S. 179, Rez. C, V. 4929-4935.

2623 Ebd., S. 161, Rez. A, V. 4421-4439.

2624 Ebd., S. 1801., Rez. A, V. 4953-5005.

2625 Burgers, Eer an Schande, S. 4 Anm. 7 übergeht die sichtbare Entwicklung in den Textfassungen
und bezeichnet die spätere Fassung aufgrund der Nähe zur Schilderung des später schreibenden
Wilhelm von Egmond als „realistischer". - Ohne die 2004 erschienene kritische Edition als
Grundlage nutzen zu können, wies bereits Bruch, Geraamte, S. 40 auf die Unterschiede hin.

2626 Zu Schreiber und Werk siehe S. 317 Anm. 1869.

2627 Zu Schreiber und Werk siehe S. 319 Anm. 1881.

2628 Willem Procurator, Kroniek, S. 146: Sic itaque totus Hollandie et Zelandie exercitus integer et illesus
revertitur. sed heu solus rex inter barbaros loco turpissimo sepelitur. cuius anima bonorum precibus
angelorum Domino sit accepta.
 
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