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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0065

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64

4. Der gute und der schlechte Tod in Altertum und Mittelalter

Schreiber hinzu, der Kaiser selbst habe nichts auf diese Vorzeichen gegeben oder
sich zumindest so verhalten.284
Auch wenn sich aus den Vorlagen ein gewisser ,Vorrat' an verwendbaren
Vorzeichen, Visionen und Zeichen bildete, darf keinesfalls von exklusiv für einen
Herrschertod verwendeten Motiven ausgegangen werden. Vielmehr werden
diese Phänomene zunächst Ereignissen einer gewissen Größenordnung zuge-
schrieben.285 Gregor von Tours führte dies explizit aus: „Es erschienen Zeichen,
die entweder den Tod eines Königs oder Unheil für ein gesamtes Gebiet an-
zeigten/'286 Ähnliches notierte Widukind von Corvey 400 Jahre später: „In die-
sem Jahr erschienen auch einige Zeichen, nämlich Kometen. [...]. Viele Menschen
wurden durch ihr Erscheinen erschreckt und befürchteten entweder eine
furchtbare Seuche oder zumindest einen Herrschaftswechsel, denn auch vor
König Heinrichs [L] Tod hatten sich viele Wunder gezeigt [.. .]."287 Diese beiden
Stellen belegen, dass sich zumindest einige mittelalterliche Chronisten dieser
Ambivalenz durchaus bewusst waren.288
Als Anzeichen eines guten Todes werden diese Motive durch zweierlei
narrative Strategien instrumentalisiert: Vorzeichen und Visionen lassen den Tod
angekündigt erscheinen und nehmen ihm somit die Plötzlichkeit, die als An-
zeichen eines schlechten Todes gedeutet werden kann. Darüber hinaus verwei-
sen sie auf den Tod zum richtigen Zeitpunkt und/oder am richtigen Ort.
Gleichzeitige, verkündende Zeichen und Visionen zeigen ebenfalls, dass der
Todeszeitpunkt dem Willen Gottes entsprach.
Testamente
Mit dem christlichen Glauben kamen Testamente ins Sterbebrauchtum der
germanischen Stämme.289 Die erneute Rezeption des römischen Rechts im
12. Jahrhundert führte zu einer weiten Verbreitung, so dass zum Ende des Mit-
telalters hin eine breite Masse an Testamenten von Fürsten, Geistlichen und auch
Bürgern überliefert ist.290 Die Kirche setzte ihr Monopol auf Testaments-

284 Einhardus, Vita Karoli Magni, cap. 32, S. 36 f.

285 Ähnlich bereits Becher, Mantik, S. 169: „[Vorzeichen werden gesehen als] Hinweise auf ein
Unglück, und der Tod eines Königs war das größte Unglück."

286 Gregor von Tours, Libri historiarum X, lib. IX, cap. 5, S. 416: Et multa alia signa apparuerunt, quae
aut regis obitum adnunciare solent aut regiones excidium.

287 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, lib. II, cap. 32, S. 93: Eo anno et portenta quaedam
apparuere, scilicet cometae. [...] Quibus visis multi mortales territi aut nimiam pestilentiam vel certe
regni mutationem metuebant; quoniam quidem ante regis Heinrici excessum multa prodigia monstrata
sunt [...]. Übersetzung nach: Widukinds Sachsengeschichte, übers. Bauer/Rau, S. 117.

288 Zur Ambivalenz in der Einordnung von Himmelsphänomenen durch mittelalterliche Chro-
nisten siehe auch Lehner, Prophetie, S. 196-201. Beispiele von Prophezeiungen auf königliche
Tode aus der englischen Historiographie bietet Plassmann, Prophezeiungen, S. 42-44.

289 Michl, Art. „Testament"; Ogris, Art. „Testament"; Babendererde, Sterben, S. 27-29. Spezifisch zu
Herrschertestameten: Schlögl, Bemerkungen; Heimann, Testament. Allgemeiner Forschungs-
überblick: Guzzetti, Testamentsforschung.

290 Klassisch hierzu Brandt, Bürgertestamente. Aktuell: Pajcic, Frauenstimmen sowie Michaud,
Wills.
 
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