Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0204

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PENELOPE

„ und Ziegen einige abschlachten, immerfort herrlich und in Freuden leben und
„ meine Speise-Kammern und Keller braf ausleeren. Und also muss ich das mei-
„ nige verschwenden lauen, dieweil kein Mann, wie Urysses, allhier ist, welcher
„ dieser Plage steuren konte; ich aber noch nicht im Stande bin , mich zu wieder-
„ setzen, dieweil ich noch nicht habe lernen die Waffen fuhren. Allein es wird
„ eine Zeit kommen, dass sie sich wohl noch vor mir furchten sollen, es ist in-
„ zwischen nicht zu ertragen, wie es bey mir hergehet, und mein Haus gehet all-
„ zu schandlich zu Grunde. Fasset doch also hierüber einen gerechten Unwillen;
„ traget doch einigen Scheu vor den benachbarten Volkern, einmahl damit sie
„ euch nicht eure Schande vorzuwerfen haben; vor allen Dingen aber so furchtet
„ euch vor den Zorn der Gotter, damit selbige nicht über so viele unanständige
„ Thaten entbrennen und euch nach Verdienste bestrafen. Ich bitte euch um des
„ Olympischen Jupiter willen, und um der Gottin Themis willen, welche über
„ die Raths-Versamlungen zu gebiethen hat, und die Rathschlage der Menschen
„ entweder gelingen oder zu Schande werden läsTet; ö meine Freunde, wieder-
„ setzet euch doch diesen Ungerechtigkeiten, damit ich nichts zu verrichten haben
„ möge, als allein dem Schmerze nachzuhangen, den mir der Verlust meines Va-
„ ters machet. Solte euch der Vortrefliche Ulysses ja einmahl mit Vorsatz etwas
„ zu leide gethan haben, so rächet es an mir, ich will mich eurem Hals aufop-
„ fern; ja reitzet denn diese tollkühnen noch mehr an und machet es eben so arg
„ als wie sie. Es wurde mir weit besfer seyn , wenn ihr meine Giicer und meine
„ Heerden und was mir nur lieb und werth ist, wegnähmet, so konte ich doch
„ hosfen, dass ich mich heute oder morgen meines Schadens erhohlen konte: denn
„ ich durfte ja nur durch rdie Stadt hindurch gehen, das mir angethane Unrecht
„ vorsteilen und meine Guter so lange wiederfodern, biss ich wieder zu dem Mei-
„ nigen gelanget wäre. Alleine so stürzet ihr mich nun in ein solches Unglück,
„ welches nimmermehr kan wieder gut gemachet werden.
Solche Reden trieb ihm der Eyfer aus, wobey ihm die Thranen über die Backen
ssößen; das Zepter aber warf er aus Ungedult wieder die Erde. Alles Volk wur-
de ganz mitleidig. Alle Fürsten verstummeten und unterstunden sich nicht ein
Wort darauf zu sagen. Der einzige Antinous hatte das Herze, folgendes darauf
zu antworten:
„ Was wilst du uns doch, 6 Telemachus, vor eine Schande aufbürden, da
du mit so viel Stolz und Kühnheit gegen uns sprichst ? Es ist, als wenn du einen
„ unausloschlichen Vorwurf auf uns bringen woltest. Wisse aber, dass nicht die
„ Liebhaber der Königin deiner Mutter, an deinem Unglücke Schuld haben; son-
„ dern der Konigin selbst hast du es beyzumesTen , welche einen Vorwand und
„ listigen Rank nach dem andern hervor suchet. Es sind nun schon drey Jahre
„ und das vierte ist auch bald verstrichen, dass sie alle Anwerbungen der Griechen
„ fruchtlos ablaufen lässet; sie machet allen von uns Hofnung und denket doch
„ ganz das Gegentheil von dem, was sie verspricht. Man bedenke nur den aller-
„ lezten Streich, den sie gemachet hat. Sie hat in ihrem Gemach an^efan^en,
„ an einem sehr feinen und ungemein grosen Gewebe 3 zu arbeiten , und dabey
„ zu uns allen gesaget: Ihr Herren und Prinzjen, die ihr mich fo gerne zjur Frau
„ haben wollet, weil doch der theurefie Ulyßes nicht mehr am Leben iß, fo erhöret
„ nun
ANMERKUNGEN.

3- Gewebe.] Oder Tuche. Denn das Griehische Wort Pha-
ro* beym Homerus bemerket (a) den kostlichen Zeug, welchen
Furstinnen und andere Vornehme Frauen in Vorrath machten
und machen liesen, und solchen hernachmahls zur Pracht bey

Begrabnissen ihrer Geliebten oder Verwandten anwendeten.
Sonst hat man auch das Tuch oder Gewebe der Fenelope zum
Sprichworte gemacht, eine sehr langweilige Arbeit, die vielleicht
niemahls fertig werden wird, damit anzuzeigen.

(«) V. Mad. Dacier sür Ie z. Lir. de l'Odyss".
 
Annotationen