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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 8.1904

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Heft 9
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Schmidtbonn, Wilhelm: Der Knecht, [1]: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.19988#0135

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Dcr Knccht.

sich nur hier und da in einem plätzlichen Hierhin-
oder Dorthinlenken des Blickes erkennbar machte,
die Tür zu dem Häuschen hinten geösfnet. Durch
die Tür sah man in ein winziges Zimmer, in dem
nichts Platz hatte, als ein Bett, ein Tisch, ein
Herd. Eleichwohl führte in der hinteren lVand
eine kleine Tür zu einem zweiten Zimmerchen, von
dem aus wieder eine Tür auf die andere Beite
des Bchisfes hinausging. Nit einem Ztolz, der
sein Eesicht mit einem Nale zu einem Leuchten
brachte, ließ der Rlte die junge Krau, die den
tkopf beugen mußte, eintreten. Lr hatte die
Bretter des vorderen Zimmers abwechselnd mit
weißer und blauer Sarde srisch gestrichen, hatte
über den Tisch ein weißes Tuch gebreitet und ein
Glas mit Blumen darauf gestellt.

Die ßrau stand auch wirklich überrascht und
lachte dann erfreut und beglückt aus. Hinter ihr
her kam das Nütterchen, überrascht wie die
Zchwiegertochter, drehse sich nach dem Rnecht um
und sagte: „Dat hat Ühr jod jemaht — do sollen
die zwei wahl jlöcklich wäde." llnd plötzlich hatte
sie helle Tränen in den Augen, während ihr Nund
dazu lachte.

Der Alte trat von dem Häuschen zurück, in
das er den Aops mit hineingesteckt hatte, stellte
sich wieder gerade, so daß die Ringe in seinen
Vhren klangen, und suchte mit den kleinen scharsen
Augen nach dem neuen Herrn. Als er dann, ohne
etwas von ihm wahrgenommen zu haben, zum
Bteuer zurückging, traf er ihn gerade, wie er die
Holztreppe, die zu dem dunklen, mit Zteinen ge-
süllten Bauch des Achisfes hinabführte, heraus-
gestiegen kam.

„Da ist noch mancher Raum auszunützen," sagte
der Iunge in einem steifen sremdartigen Hoch-
deutsch, ohne den Alten anzusehen und gleich
weitergehend.

Der Alte, durch den Alang der Alorte nun
auch zu einer Art Verwunderung gebracht, blieb
einen Augenblick stehen und wollte dem andern,
der einen Aopf kleiner als er war, ins Tesicht
sehen. Dann ging auch er, ohne ein Wort zu er-
widern, weiter, in entgegengesetzter Richtung wie
der Lchiffer, nahm den weißgestrichenen Balken
des Zteuers in die Hand, lehnte sich mit der Hüste
dagegen und sah über die Länge des Lchiffs und
die ausragenden Bteinhaufen weg aus den Ztrom
hinaus, der ewig bewegt vor dem spitzen Mnkel
des Bugs mit dem Horizont verschwamm. Dabei
gingen seine Augen hin und wieder und immer
häusiger zu dem Iungen hinüber, und seine Ver-
wunderung, die die Züge seines Tesichts langsam
in öie Länge zog, nahm immer zu. Der andere
ging mit kurzen sesten Zchritten, die ganz anders
aus den Brettern klangen als die langsamen, sich
an das Holz hestenden des Alten, über das Zchiff
hin, richtete hier einen Btein, der von seinem
Platz gewichen, trat dort mit dem ßuß gegen einen
Aagel im Holz des Bodens, der hervorstand, maß
die Länge und Breite des Lchiffes, erst mit den

Augen, dann mit langgesetzten gleichmäßigen
Zchritten. Als er einmal auf seinem Tange wie
von ungesähr in die Nähe des Nannes am Iteuer
kam, machte er unversehens Halt, sah nun dem
Alten zum erstenmal ins Tesicht und sagte: „Troß
ist der Aasten nicht, neu auch nicht, aber
Ihr habt ihn ganz sauber in Vrdnung gehalten."

Nun sah der Nnecht den Iüngeren, dessen dichtes
schwarzes Haar in der Hähe seines weißen Ninn-
bartes stand, gleichsalls an mit immer größerer
Verwunderung; er öffnete sogar den Nund, als
ob er etwas sagen wolle, es kam aber kein
Laut heraus.

Der Iunge sband noch einen Augenblick, reckte
seine Brust, streckte die Arme aus, so als ob er
sich so recht behaglich sühle und von der Luft des
Zchiffes, das nun ihm gehörte, mit einem tiesen
Atemzug Besitz nehmen wolle. Dann ging er
zurück, bückte sich und verschwand in dem Häuschen,
indem er die Tür behutsam öffnete, um seine ßrau
im Zcherz zu überraschen.

Der Alte blieb allein am Iteuer stehen und stand
bewegungslos da, den Blick seiner Tewohnheit
nach unausgesetzt nach vorn gerichtet, während
hinter ihm die Tipfel der Berge immer niedriger
wurden und endlich hinter dem grünen Atrich des
Iandes verschwanden. Lr hielt den Nund ge-
öffnet, wie um zu sprechen, immer noch in seinem
Ztaunen über den neuen fremden Ichritt, der
über das Ichiff ging, über die neue sremde
Iprache, die zwischen Zteuer und Nast erklang,
die Lchritt und Ltimme des Alten verschluckten,
die allein noch da waren in einer trotzigen Be-
tonung ihrer Ztärke, so als wollten sie sagen: wir
herrschen hier, was will der langsame Zchritt und
die leise Ztimme des alten Nannes noch bei uns?

Der Alte zog Achuhe und Itrümpse aus, die
er zur ßeier der Ztunde angelegt hatte, und stand
mit verbrannten nackten Hüßen da wie sonst.
Immer den Blick starr nach vorn gerichtet, ffng
er an die Lippen zu bewegen, ohne daß ein Laut
entstand, mit sich selber sprechend. Lr dämpfte
die Unruhe, das Aittern, das ganz unten in ihm
entstanden war, deckte den Abgrund, der ihm in
einer plötzlichen Lrscheinung unmittelbar vor dem
Lchiff ausgetaucht schien, mit sanften breiten Te-
danken zu: war alles, was geschah, nicht natür-
lich? Aonnte er erwarten, daß der neue Herr in
sein Häuschen krieche, sich da verborgen halte und
nur hin und wieder, um nach dem Wetter zu sehen,
den Aopf herausstrecke? Der Iunge war der
Herr — er durste aus seinem Zchiff herumgehen,
wie und wohin er wollte; er wird alles einrichten,
wie er es für gut hält, und er, der Alte, der
Anecht, dars nichts tun, als an seinem Lteuer
stehen und den Dingen zusehen: das alles ist natür-
lich und in der Vrdnung; es ist nichts dabei, was
einen unruhig machen kännte.

Ls war die Tewohnheit des Alten, aus diese
Art mit sich selber zu sprechen, lautlos im Ansang,
dann leise worte zwischen den Aähnen heraus-

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