^erschiedene Sühner
^ oder wie schön wäre die welt.
Lme moralisierende Teschichte mit überflüssiger
Vorrede. Von Heinrich Lchulte.
(Sortsetzung.)
^bsiclitlicli §ebs icb srst clsr k'ortsetLurlZs bieser ^rbeit
eines bis ciabin urtbekarinteri LrlLäblers eir» Oeleitwort roit.
Oer erste weil batte es kaurn nöti§. 1"rot2 seirier brauseri
-^rt spraob er äurcb äie Liläkolßse seiner Vor§än§e kür sicb
selber. ^.bei mir scbeint äie wertvolle 8eite cbeser 8e§aburißs
ßseracie in üerri persönlicber» Leivverb 211 lieZsen, öas sicb iri
allerlei IVloraItencierl26ii uncl LrwäZsuriZserr ar» clie Oin§e bärr^t.
Wir baben in Oeutscblancl eirr Oenie cbeser ^rt erlebt, ^earr
?an1, warurrr sollerr wir, wo sicb seines Oeistes eirre rreue
8pur 2ei§t, rricbt ein werrißs weitbei2i§ rrrit solcber scbrullißsen
8e1bstZsekä11i^1c6it sein. 2urna1 sie in öieserri k'all eiiierr
sorrclerbarerr We§ rriirrmt. Onsere Li2äb1im§ von cleii ,,ver-
scbieöeiieii tlübnerrr" errtartet riämlicb irr üerri bier fol^enäeii
l'eil völlißs irr eirr Oespräcb über Lbe uricl biebe, urrr erst
irrr 8cb1us8 wieüer rriit eirri^eii Oilüerii üie I^aiiö1im§ auf-
Liißsreifeii. ^.ber icb iriuss ßsestebeii, üass ßseraüe clieses
Oespräcb rriicb airr irreisterr vorr üer 8e§abrrii§ cbeses ^im^eii
IVlarrnes iibei2eii§t bat; es ist 2war iirrrubißserr Oeistes, aber
sebr Iconsec^uerrt arrs 2ie1 ^ebracbt, es Leißst ausserclerrr clerr
Lrzäbler als eirrerr IVlaim, irr üerrr sicb üas Weltbilü acicb
^eüarrblicb üorcbaus aus seiriem Kiopk ^estaltet. Weiirr es
ibm §ebii§t, seirierr ^u^eiicbicberi 8turm eiomal als b-eiclerr-
scbakt 211 §eberr, werüeri wir wobl mit ibm recbrrerr müsseri,
imcl es wirü ims — nocb immer 211 viel irrr 1'art poiir 1'art —
woblturr, üerZsleicbeii 8timmerr 211 börerr. 8.
rs:
A)em 8ott ein Amt gibtz dem gibt er auch
Verstand.
Ia, wem 8 0 tt ein Amt gibt. Nanchem gibt's
leider ein reicher Vater, der eigene Vünkel oder
eine sromme vermögende Lante.
Line sromme Lante verhilft natürlich nur zu
einem „frommen" Amte. Ls ist ein schönes Amt,
für Zeelen zu sorgen, aber ein fchweres, und es
gehört zu ihm eine fchöne reiche Leele — fchöner
als die schönste der anvertrauten, reich an Geist
und Lrfahrung und besonders reich an Demut.
§>b's immer fo ist?
wer wollte es behaupten; wer könnte es ver-
langen? Nenfchen sind die priester auch und ein
Ungerechter der, welcher bei ihnen mehr als den
guten willen fehen will. Unfähigkeit sällt aus
jene zurück, die sie verkannten.
Glücklich aber alle, welche da, wo der Nensch
bei ihnen bloßtritt, auch den Nenschen erkennen.
Ihnen wird es leicht sein, in kritischen Sällen das
heilige schwere Amt von der kleinen armen Person
zu trennen, ja leichter als jencn, welchen aus
Linfalt oder Bosheit das Gewand ein Zeichen sür
alles ist. Me natürliche wahrhastige Mtte ist ja
immer sonniger und erquicklicher zu wandern als
zwischen den Lxtremen des Zchwanzwedelns und
der satanischen Bosheit.
Dem besorgten grübelnden Vater hatte ich
manches verziehen. Aber daß er in dieser natür-
lichen Zache die Hilfe eines Nannes in Anspruch
nahm, über dessen gutgemeinte Ansichten und Taten
er ost in Übereinstimmung mit mir den Uopf
geschüttelt hatte, das ruht auf ihm als schweres
Unrecht.
Der pastor von 8ilmbach war bei stetem
ßrohsinn und allgemeiner Verehrung in seinem
blumengeschmückten pfarrhause grau und müde
geworden. Die praktische Leelsorge lag sast ganz
in den Händen des jungen Vikars. Betrachtete
ich seine Taten und Reden, so kam mir stets der
Gedanke, daß die Gberen gerade Gilmbach sür ihn
ausgesucht hätten: ein in der Luft liegender kirch-
licher Geist, sast patriarchalische Samilienverhält-
uisse und eine nicht häusig über den Durchschnitt
gehende allgemeine Bildung ersorderten keine be-
sondere Urast.
Allerdings war's in den letzten Iahren schon
merklich anders geworden. Desto schlimmer.
Nun etwas Besonderes.
Die menschliche Uatur und ihre Ltärke beurteilte
unser vikar nach den Beobachtungen au seiner
eigenen schwächlichen, skrupulös-unsreien Person; die
Eesellschastsverhältnisse und die in ihr schwebende,
nach seiner intimereu Aufsassung überhaupt nicht
da smende Zeisenblase natürlichen Nenschen-
glücks nach dem engen und engherzigen Ureise, in
welchem er als Uind gespielt und als Ltudent
gefrömmelt hatte. 8ott kannte er nur als Zchöpfer
eines Iammertals und als Vater von Nenschen-
kindern, die nur dann gehen können, wenn der
das Eängelband straffhält, welchem Tott mit dem
Amte auch den Verstand gegeben haben soll. Die
furchtbare Eerechtigkeit Eottes war stets schon
zehnmal donnernd gegen die Uirchwände geprallt,
ehe in seinen ermüdenden Predigten die erbarmende
Liebe und sreudige Nachsicht des himmlischen Vaters
einmal verschämt die liebcn milden Augen ausschlug.
Alles, was sür unsere Verhältnisse wichtig ist,
wird er uns später selbst noch sagen.
Daß der Bauer bei ihm gewesen war, ersuhr
ich am Abend des ersten Ianuar.
Lin kurzes sremdes Rlopsen erscholl an meiner
Lür, und herein trat — Aäthchen.
Zie grüszte mich kurz und sragte mich in derselben
schneidenden Rürze: „Hat tzerr Schnitzler nicht mehr
als jenen ersten kurzen Bries an Lie geschrieben?"
Lchars sah sie mich an.
Ich war durch ihr Benehmen und durch diese
Hrage so überrascht, daß ich erst nichts anderes ver-
mochte, als die Person anzustarren, welche mir so
sremd und srostig gegenüberstand.
Dann: „Räthchen, also so weit ist es gekommen?"
Lraurig kam's heraus. wir standen "uns gegen-
über, Auge in Auge.
Linige Augenblicke. Dann wurde sie plötzlich
rot, ein Zchauer ging durch ihren Aörper.
„Verzeihen Lie!" rief sie dann heiser, und,
indem sie meine Hand ergrifs: „Sprechen Lie, ja,
sprechen Lie doch, - verlassen Lie mich nicht auch,
sprechen Lie — von Heinz, — ja von ihm, —
sprechen Lie. Lchauen Lie nicht so. — Sagen Sie
doch etwas."
Z0Z
^ oder wie schön wäre die welt.
Lme moralisierende Teschichte mit überflüssiger
Vorrede. Von Heinrich Lchulte.
(Sortsetzung.)
^bsiclitlicli §ebs icb srst clsr k'ortsetLurlZs bieser ^rbeit
eines bis ciabin urtbekarinteri LrlLäblers eir» Oeleitwort roit.
Oer erste weil batte es kaurn nöti§. 1"rot2 seirier brauseri
-^rt spraob er äurcb äie Liläkolßse seiner Vor§än§e kür sicb
selber. ^.bei mir scbeint äie wertvolle 8eite cbeser 8e§aburißs
ßseracie in üerri persönlicber» Leivverb 211 lieZsen, öas sicb iri
allerlei IVloraItencierl26ii uncl LrwäZsuriZserr ar» clie Oin§e bärr^t.
Wir baben in Oeutscblancl eirr Oenie cbeser ^rt erlebt, ^earr
?an1, warurrr sollerr wir, wo sicb seines Oeistes eirre rreue
8pur 2ei§t, rricbt ein werrißs weitbei2i§ rrrit solcber scbrullißsen
8e1bstZsekä11i^1c6it sein. 2urna1 sie in öieserri k'all eiiierr
sorrclerbarerr We§ rriirrmt. Onsere Li2äb1im§ von cleii ,,ver-
scbieöeiieii tlübnerrr" errtartet riämlicb irr üerri bier fol^enäeii
l'eil völlißs irr eirr Oespräcb über Lbe uricl biebe, urrr erst
irrr 8cb1us8 wieüer rriit eirri^eii Oilüerii üie I^aiiö1im§ auf-
Liißsreifeii. ^.ber icb iriuss ßsestebeii, üass ßseraüe clieses
Oespräcb rriicb airr irreisterr vorr üer 8e§abrrii§ cbeses ^im^eii
IVlarrnes iibei2eii§t bat; es ist 2war iirrrubißserr Oeistes, aber
sebr Iconsec^uerrt arrs 2ie1 ^ebracbt, es Leißst ausserclerrr clerr
Lrzäbler als eirrerr IVlaim, irr üerrr sicb üas Weltbilü acicb
^eüarrblicb üorcbaus aus seiriem Kiopk ^estaltet. Weiirr es
ibm §ebii§t, seirierr ^u^eiicbicberi 8turm eiomal als b-eiclerr-
scbakt 211 §eberr, werüeri wir wobl mit ibm recbrrerr müsseri,
imcl es wirü ims — nocb immer 211 viel irrr 1'art poiir 1'art —
woblturr, üerZsleicbeii 8timmerr 211 börerr. 8.
rs:
A)em 8ott ein Amt gibtz dem gibt er auch
Verstand.
Ia, wem 8 0 tt ein Amt gibt. Nanchem gibt's
leider ein reicher Vater, der eigene Vünkel oder
eine sromme vermögende Lante.
Line sromme Lante verhilft natürlich nur zu
einem „frommen" Amte. Ls ist ein schönes Amt,
für Zeelen zu sorgen, aber ein fchweres, und es
gehört zu ihm eine fchöne reiche Leele — fchöner
als die schönste der anvertrauten, reich an Geist
und Lrfahrung und besonders reich an Demut.
§>b's immer fo ist?
wer wollte es behaupten; wer könnte es ver-
langen? Nenfchen sind die priester auch und ein
Ungerechter der, welcher bei ihnen mehr als den
guten willen fehen will. Unfähigkeit sällt aus
jene zurück, die sie verkannten.
Glücklich aber alle, welche da, wo der Nensch
bei ihnen bloßtritt, auch den Nenschen erkennen.
Ihnen wird es leicht sein, in kritischen Sällen das
heilige schwere Amt von der kleinen armen Person
zu trennen, ja leichter als jencn, welchen aus
Linfalt oder Bosheit das Gewand ein Zeichen sür
alles ist. Me natürliche wahrhastige Mtte ist ja
immer sonniger und erquicklicher zu wandern als
zwischen den Lxtremen des Zchwanzwedelns und
der satanischen Bosheit.
Dem besorgten grübelnden Vater hatte ich
manches verziehen. Aber daß er in dieser natür-
lichen Zache die Hilfe eines Nannes in Anspruch
nahm, über dessen gutgemeinte Ansichten und Taten
er ost in Übereinstimmung mit mir den Uopf
geschüttelt hatte, das ruht auf ihm als schweres
Unrecht.
Der pastor von 8ilmbach war bei stetem
ßrohsinn und allgemeiner Verehrung in seinem
blumengeschmückten pfarrhause grau und müde
geworden. Die praktische Leelsorge lag sast ganz
in den Händen des jungen Vikars. Betrachtete
ich seine Taten und Reden, so kam mir stets der
Gedanke, daß die Gberen gerade Gilmbach sür ihn
ausgesucht hätten: ein in der Luft liegender kirch-
licher Geist, sast patriarchalische Samilienverhält-
uisse und eine nicht häusig über den Durchschnitt
gehende allgemeine Bildung ersorderten keine be-
sondere Urast.
Allerdings war's in den letzten Iahren schon
merklich anders geworden. Desto schlimmer.
Nun etwas Besonderes.
Die menschliche Uatur und ihre Ltärke beurteilte
unser vikar nach den Beobachtungen au seiner
eigenen schwächlichen, skrupulös-unsreien Person; die
Eesellschastsverhältnisse und die in ihr schwebende,
nach seiner intimereu Aufsassung überhaupt nicht
da smende Zeisenblase natürlichen Nenschen-
glücks nach dem engen und engherzigen Ureise, in
welchem er als Uind gespielt und als Ltudent
gefrömmelt hatte. 8ott kannte er nur als Zchöpfer
eines Iammertals und als Vater von Nenschen-
kindern, die nur dann gehen können, wenn der
das Eängelband straffhält, welchem Tott mit dem
Amte auch den Verstand gegeben haben soll. Die
furchtbare Eerechtigkeit Eottes war stets schon
zehnmal donnernd gegen die Uirchwände geprallt,
ehe in seinen ermüdenden Predigten die erbarmende
Liebe und sreudige Nachsicht des himmlischen Vaters
einmal verschämt die liebcn milden Augen ausschlug.
Alles, was sür unsere Verhältnisse wichtig ist,
wird er uns später selbst noch sagen.
Daß der Bauer bei ihm gewesen war, ersuhr
ich am Abend des ersten Ianuar.
Lin kurzes sremdes Rlopsen erscholl an meiner
Lür, und herein trat — Aäthchen.
Zie grüszte mich kurz und sragte mich in derselben
schneidenden Rürze: „Hat tzerr Schnitzler nicht mehr
als jenen ersten kurzen Bries an Lie geschrieben?"
Lchars sah sie mich an.
Ich war durch ihr Benehmen und durch diese
Hrage so überrascht, daß ich erst nichts anderes ver-
mochte, als die Person anzustarren, welche mir so
sremd und srostig gegenüberstand.
Dann: „Räthchen, also so weit ist es gekommen?"
Lraurig kam's heraus. wir standen "uns gegen-
über, Auge in Auge.
Linige Augenblicke. Dann wurde sie plötzlich
rot, ein Zchauer ging durch ihren Aörper.
„Verzeihen Lie!" rief sie dann heiser, und,
indem sie meine Hand ergrifs: „Sprechen Lie, ja,
sprechen Lie doch, - verlassen Lie mich nicht auch,
sprechen Lie — von Heinz, — ja von ihm, —
sprechen Lie. Lchauen Lie nicht so. — Sagen Sie
doch etwas."
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