Der Briefwechsel zwischen Th. Ltorm und T. Reller.
schrnerzliche letzte Lindruck auf das Wiedererleben
einer tiefen, tragischen Wahrheit hinaus, nicht aus
Äußerlichkeiten oder gar auf eine „Lchuld". Achuld
hat weder Ztorm noch Reller. Worüber wir
weinen möchten, das sind nicht Mßverständnisse
und Rleinigkeiten, vielmehr ist es die Lrsahrung,
daß es zwischen Nenschen, sie seien groß oder klein,
so wenig Brücken gibt und daß, wo die einzige
einmal versehlt ist, auch die edelsten Tesinnungen
und die schönsten Worte zu keinem inneren Ver-
stehen und Hreundwerden sühren. Awei herrliche,
einzigartige Leelen begegnen sich, lächeln einander zu,
sinden das erschließende Zauberwort nicht und gehen
stille auseinander. Umsoschmerzlicher, da beideTreise
sind und wenig Hoffnungen mehr vor sich haben.
Aber wieviel Röstliches steckt in dem Luch,
das ein so schmerzliches Lrgebnis hat! Ls ist
Herbst, und die Bäume hängen voll; kein A)ind
mag daran rühren, so sallen süße, reise ßrüchte
ab. Während die beiden Alten ihre Wege gehen,
die sich benachbarn und kreuzen und wieder aus-
einanderlausen, sprechen sie viel gute, krästige
Worte, und sür einen, der nicht ins Tiesere sehen
will, mag ihr Tespräch bis zum Lnde erbaulich
und unterhaltsam, sogar lustig sein. Der Husumer
tadelt den Zürcher wegen eines, wie ihm scheint,
zu schars gesalzenen Lchelmenstreichs in einer Lr-
zählung, und der Zürcher schweigt, räuspert sich
und ivartet aus den Augenblick, da er stch bei dem
Husumer boshast lächelnd dasür bedanken kann,
daß sich der eine noch saftigere Aühnheit in seinem
neuesten Vpus geleistet hat. Daneben leicht hin-
geschriebene, aber ties erlebte Wahrheiten, plötzlich
Mv Lv^81'-
^R.VLII' IN VIV^81'L VL8
Vk^R.irHII^.8. VortraZ von Lrot. IVl. Seli^er.
Wir ^sben liisr einsn ^tus^u^ aris elnsirr Vortrs^, Usri
ttsrr Uroksssor Selixsr, Oirsktor Usr Oeipzj^sr KiiristLlcÄ-
Usmis, irn U.sipLiAsr Verlcelirsvsrsin kielt, wsil wir iii Uisssn
^nsfükrnNASn insdr sls sins itnrsAnn^ iür üis Vsrlcslirs-
vsrsins ssdsn. In üisssr Isiüensciiiiitliclisn Itsüs wirü 80
nisinlicli sllss scdln^woitinLSsiA ^sssAt, WLS ^ssclislisn rnnss,
nrn üsr Xunst wisüsr Wnrrsln iin Vollcsboüsn 2N Asbsn.
Osr ^LN2S Vortro^ ist sls Srosckürs voin I.sip2i§er Vsr-
Icsbrsversin 2N bsriebsn. ILr WLIS sins IVlasssnsobriit
sonüsr^Isicben. O. lisü.
*
In cten folZenäeri ^VnäentnnAen will ick
seiiiläerii veisaLtieii, wis icti inir aiiser
I-,et>ei> mit cter dilclelicleli I^nnst wänsclie. Icli
bin cles Qlanbens, äab clabei äie biläencle Lnnst
Zsr Lntwicb1nn§ cles Vsrllebrslebens nnel äer
äamit verbnnäenen wirtsckaltlicksn LrstarllnnZ
einen Arollen Oienst tnn bann.
Oie Lnnst im Oienste äes ^nsebens nnä
Hanäels äer Stääts 2N seben, ist nickts bleues.
Ick erinnere an Veneäi§ nnä HnrnberA. Wis
äis Lnnst eine Llnte äer Lnltnr ist, so ist sie nncb
ein vor^nZIicbes IVlittel, äie Lnltnr 211 löräern.
ausglänzende Prachtsätze, zarte Allnke, noch zartere
Verschweigungen. Wir können — trotz allem —
von Herzen sroh und dankbar sein, daß die beiden
Neister ein paar Dutzend Lriese „aus der ßerne
hin und wieder" an einander geschrieben haben.
Aber wie es nun eben bei Brieswechseln ist,
sie werden nicht von selber zu Vüchern, sondern
müssen erst „herausgegeben" werden. Lchon als
Bächtold zum erstenmal Rellersche Briese heraus-
gab, geschah unter den Atillen im Lande da und
dort ein leises Leuszen. Laut durste es nicht
werden, denn Bächtold war ein Eewaltiger und
Anansechtbarer, und wenn er Böcke schoß, war es
seine Lache. Der Herausgeber der Ltorm-Aeller-
briese schießt keine Böcke, er ist äußerst zuverlässtg;
aber wo etwas „herausgegeben" wird, pflegt es
auch versalzen zu werden. Lo erhielten wir die
köstlichen Briese denn auch nicht in ruhiger Aus-
einandersolge, sondern verbrämt und unterbrochen
und geschwänzt von einem Rommentar, der nicht
übel ist, aber doch nicht nätig war. Und da
Briefschreiben schließlich doch nur ein Vergnügen,
Ldieren und Lrklären aber eine ernste Arbeit und
wichtige Lache ist, sind die Briese selbst eng und
klein, der Rommentar aber weit, schön und groß
gedruckt worden. Ls kann dies ja sreilich eine
Bescheidenheit sein, indem der Lrklärer annahm,
man werde die Briese auch in enger Zchrist lesen,
nicht aber den Aommentar. Iedoch auch diese
Bescheidenheit war unnötig. — Aber das sollte, im
Lrnst, weder unsere Vankbarkeit gegen den sehr ge-
wissenhasten Herausgeber, noch unsere Sreude an dcm
wundervollen Buche überhaupt irgend vermindern.
ILicbesse obli§e bat einer äas tVort iwblesse
obbZs Zewaiiäslt. Oer Reicktam bat aucb äie
Llbcbt, äis Lrmst r:a löräsrii rmä äaäarcb äie
Lultarlormeii böber 2U entwicbelri. Weim es
in ^ntsr QssirmaiiA äarcb LiriliibrrmA äer biläen-
äen Lrmst in nnser Volllsleben Aescbiekt, so
wobnt äem I^eicktnm eine bervorra§snäe er-
^ieberiscbe nnä versöbnenäe ILralt inne. Wenn
äie I^nnst rnit äem Qeäanlren äes Vollles nber-
einstimmt, ist sie eine Mackt. Oas weib am
bssten nnä arn länZsten lkom. Oie llatboliscke
Lircbe ist nnnbertrobene Qekrmeisterin in äer
^nwenännA äer Lnnst irn Qienste äer Lircke,
2nm 2wecb ibrer läerrscbalt, ick möcbte nickt
Zeraäe sa^en — äes Qescbälts. In ibren Qottes-
känsern ist sie IVIeisterin in äer Vereini^nn^
aller ikrer Lecbniben nnä im ^nsammenspiel
äller ikrer Instrnmente ?n einer IVInsil:, äie
immer nocb, nnä wabrscbeinlicb ewi§, ibre
^.n^iebnn^sbralt nbt.
Wo Lnnst ist, äa sammelt sicb äas Volb,
äakin strömt es. Qnä wo äas Volb ist, äa ist
ancb Lanl nnä ^nItraZ, äa blnbt äer Hanäeb
Wer kann in blarsn 2ablen ermessen, was
Italien seine Irüber er^enZten nnä teils äakin
eroberten Lnnstwerbe änrck äen I^remäen-
verbebr lortwäkrenä einbrinZen. Icb Zlanbe
5iS
schrnerzliche letzte Lindruck auf das Wiedererleben
einer tiefen, tragischen Wahrheit hinaus, nicht aus
Äußerlichkeiten oder gar auf eine „Lchuld". Achuld
hat weder Ztorm noch Reller. Worüber wir
weinen möchten, das sind nicht Mßverständnisse
und Rleinigkeiten, vielmehr ist es die Lrsahrung,
daß es zwischen Nenschen, sie seien groß oder klein,
so wenig Brücken gibt und daß, wo die einzige
einmal versehlt ist, auch die edelsten Tesinnungen
und die schönsten Worte zu keinem inneren Ver-
stehen und Hreundwerden sühren. Awei herrliche,
einzigartige Leelen begegnen sich, lächeln einander zu,
sinden das erschließende Zauberwort nicht und gehen
stille auseinander. Umsoschmerzlicher, da beideTreise
sind und wenig Hoffnungen mehr vor sich haben.
Aber wieviel Röstliches steckt in dem Luch,
das ein so schmerzliches Lrgebnis hat! Ls ist
Herbst, und die Bäume hängen voll; kein A)ind
mag daran rühren, so sallen süße, reise ßrüchte
ab. Während die beiden Alten ihre Wege gehen,
die sich benachbarn und kreuzen und wieder aus-
einanderlausen, sprechen sie viel gute, krästige
Worte, und sür einen, der nicht ins Tiesere sehen
will, mag ihr Tespräch bis zum Lnde erbaulich
und unterhaltsam, sogar lustig sein. Der Husumer
tadelt den Zürcher wegen eines, wie ihm scheint,
zu schars gesalzenen Lchelmenstreichs in einer Lr-
zählung, und der Zürcher schweigt, räuspert sich
und ivartet aus den Augenblick, da er stch bei dem
Husumer boshast lächelnd dasür bedanken kann,
daß sich der eine noch saftigere Aühnheit in seinem
neuesten Vpus geleistet hat. Daneben leicht hin-
geschriebene, aber ties erlebte Wahrheiten, plötzlich
Mv Lv^81'-
^R.VLII' IN VIV^81'L VL8
Vk^R.irHII^.8. VortraZ von Lrot. IVl. Seli^er.
Wir ^sben liisr einsn ^tus^u^ aris elnsirr Vortrs^, Usri
ttsrr Uroksssor Selixsr, Oirsktor Usr Oeipzj^sr KiiristLlcÄ-
Usmis, irn U.sipLiAsr Verlcelirsvsrsin kielt, wsil wir iii Uisssn
^nsfükrnNASn insdr sls sins itnrsAnn^ iür üis Vsrlcslirs-
vsrsins ssdsn. In üisssr Isiüensciiiiitliclisn Itsüs wirü 80
nisinlicli sllss scdln^woitinLSsiA ^sssAt, WLS ^ssclislisn rnnss,
nrn üsr Xunst wisüsr Wnrrsln iin Vollcsboüsn 2N Asbsn.
Osr ^LN2S Vortro^ ist sls Srosckürs voin I.sip2i§er Vsr-
Icsbrsversin 2N bsriebsn. ILr WLIS sins IVlasssnsobriit
sonüsr^Isicben. O. lisü.
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äamit verbnnäenen wirtsckaltlicksn LrstarllnnZ
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Oie Lnnst im Oienste äes ^nsebens nnä
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Ick erinnere an Veneäi§ nnä HnrnberA. Wis
äis Lnnst eine Llnte äer Lnltnr ist, so ist sie nncb
ein vor^nZIicbes IVlittel, äie Lnltnr 211 löräern.
ausglänzende Prachtsätze, zarte Allnke, noch zartere
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von Herzen sroh und dankbar sein, daß die beiden
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hin und wieder" an einander geschrieben haben.
Aber wie es nun eben bei Brieswechseln ist,
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Bächtold zum erstenmal Rellersche Briese heraus-
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Anansechtbarer, und wenn er Böcke schoß, war es
seine Lache. Der Herausgeber der Ltorm-Aeller-
briese schießt keine Böcke, er ist äußerst zuverlässtg;
aber wo etwas „herausgegeben" wird, pflegt es
auch versalzen zu werden. Lo erhielten wir die
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einandersolge, sondern verbrämt und unterbrochen
und geschwänzt von einem Rommentar, der nicht
übel ist, aber doch nicht nätig war. Und da
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klein, der Rommentar aber weit, schön und groß
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man werde die Briese auch in enger Zchrist lesen,
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äen Lrmst in nnser Volllsleben Aescbiekt, so
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äie I^nnst rnit äem Qeäanlren äes Vollles nber-
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äller ikrer Instrnmente ?n einer IVInsil:, äie
immer nocb, nnä wabrscbeinlicb ewi§, ibre
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Wo Lnnst ist, äa sammelt sicb äas Volb,
äakin strömt es. Qnä wo äas Volb ist, äa ist
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