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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 8.1904

DOI issue:
Heft 11
DOI article:
Hesse, Hermann: Aus Kinderzeiten: Novelle
DOI article:
Schur, Ernst: Deutsche Kunstausstellungen, 1904
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.19988#0222

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Aus Ainderzeiten.

beständig den Zinger am Mind und sah mich
warnend an, der Brosi aber lag mit geschlossenen
Augen leise stähnend da. Ich schaute bang in
sein Tesicht, es war bleich und vom Schmerz ver-
zogen. Und als seine Nutter meine Hand nahm
und sie aus seine legte, machte er die Augen aus
und sah mich eine kleine Weile still an. Zeine
Augen waren groß und verändert, und wie er
mich ansah, war es ein sremder wunderlicher
Blick wie aus einer weiten ßerne her, als kenne
er mich gar nicht und sei über mich verwundert,
habe aber zugleich andere und viel wichtigere 8e-
danken. Aus den Zehen schlich ich nach kurzer
Zeit, da die Nachbarin mahnte, wieder hinaus.

Am Nachmittag aber, während ihm aus seine
Bitte die Nlutter eine schöne Teschichte erzählte,
sank er in einen müden Schlummer, der bis an
den Abend dauerte und währenddessen sein schwacher
Herzschlag langsam einträumte und erlosch.

I / 1904. Vov Lrv8t Lckur.

I.

Wer ull äie Liläer §e8ekeri kut, clie in clie^ern
jsskre uuk äeut8elisv Lur>8tLU88tellur»§eii §e?eiZt
wuräeri, äererr 2ulrl weit äu8 ^eknte ll?uri3enc1
üder8tei§t, erlrült unrrülrerircl eirren LeZrilk von
cler turclrtbnren Öberproclulrtion nuk clie^enr
Qebiet. Lin 80 urnku88en<Zer Öberbliclr 8tinrrnt
unwilllrürlicb pe33irni8ti8ck. Oenn kkuu3encle von
^.rbeiten wieclsrkolen nur >Zu3, wu3 nnclere 8ckon
be38er Iei3teten, §unr: abZe^eken von clen -Vr-
beiten, clie überknupt nickt <lu8 bliveuu erreicken,
clu8 rnun bei ern8ten Icün8tleri3cksn ^rbeiten
eiZentlick vorsu33et2en nruü. ^.rbeiten 8olcker
/Vrt trikkt rnun nrn 2uklreick3ten in cler Oroken
Lerliner Lun8tnu83tellunA nrn Nekrter Luknkok.
lvluck einern ^nlsuk, cler 8s38erun§ ?u verksiken
8ckien, kekrte rnnn in clie^ern ^skre uin 80
reuiZsr 2u clen nlten Qöttern surück.

L8 wircl bei LrörterunZ 8olcker k'rsZen von
§e§neri8cksr Leite iinrner cler Ver^uck Aernsckt,
clis 8ucks 80 kin2U3te1Ien, nl8 kunclle e8 8ick
irn Oruncls iinrner nur urn eine ?urteinukrne
kür ocler §e§en clis ^.IcLclsnrie, kür ocler §e§en
clie 8e2S83ion, kür ocler AeZen clen Verein 8sr-
liner Lün8tler. Ll3 wirü cler Qe§en8Lt2 kinein-
ZetrsAen: nlte Lun8t — neue Lun3t. I)L8 i8t
ZLN2 ksl8ck uncl verwi^ckt üie 8trittixen Bunkte
unä 8pielt äie Lrörterun§ 8LckIicker k'rnAen nuk
cln3 per8önlicke Qebiet. L8 knnäelt 8ick kier
nber §ar nickt uin ?er8onen uncl nickt urn
^.kLÜernie uncl nickt urn 8e2e83ion, überkaupt
nickt urn RicktunZen. Oak 8olcke k^rLZen kier
üderknupt in clen VorclerAruncl Aesckoben werclen,
i3t 8ckon ein ^eicken clskür, ünk irZencl etwL3
nickt ricktiZ i8t. Qnr Lun8t uncl urn Xännen
knnclelt e8 8ick, uncl nickt urn clen nb-

Als ich ins Bett gmg, wußte es meine Nutter
schon. Doch sagte sie mir's erst am Morgen, nach
der Mlch. Daraus ging ich den ganzen Tag
traumwandelnd umher und stellte mir vor, daß
der Brosi zu den Lngeln gekommen und selber
einer geworden sei. Daß sein kleiner magerer
Leib mit der Narbe aus der Lchulter noch drüben
im Hause lag, wußte ich nicht, auch vom Begräbnis
sah und hörte ich nichts.

Meine Gedanken hatten viel Arbeit damit, und
es verging wohl eine Zeit, bis der Gestorbene mir
sern und unsichtbar wurde. Dann aber kam srüh
und plötzlich der ganze Hrühling, über die Berge
slog es gelb und grün, im Garten roch es nach
jungem Nuchs, der Äastanienbaum tastete mit
weich gerollten Blättern aus den ausgesprungenen
Nnospenhüllen, und an allen Gräben lachten aus
setten Ltielen die goldgelben glänzenden Butter-
blumen.

Aeclro3ckerrerr Qe§eir3Lt2 ^wi^ckeir alter urrcl
irerrer Lrrrwt. L3 §ibt §eirrrA IVlaler <Zer ulterr
Ricktrrir§, clie jecler krerr<Zi§ nrrerlcennt. Oiese
r:ei§en Aerncle, clLÜ e3 nnr clie Lnn8t §ibt, nncl
wer ikr nnclwtrebt, ller keikt eben Xün8t1er.
Wer nber nnclsren IcleLlen nLcklünkt nncl
8cköpkeri3ck 8ick nickt betütiZt, 8onclern inr
trivinlen blnckLknren nicktkänneri^cker tVnker-
lickksiten 8ick erscköpkt, cler verclient eben clen
blLnren Xün3tler nickt, rnnA er 8on3t ?roke88or
8ein, nrit Orclen §e8cknrüclct, nrit ckllteln belLclen,
nrit Lkren überkünkt. Oie3e Herren nreinen in
ikrer klLivitüt inrnrer, wenn nrnn 8ie nickt sn-
erlcennen will, würe nrnn Aleick nrit Hnnt nncl
ÜLLren cler 8e2e83ion versckrieben. 3ie kennen
eben nur <1ie8e3 Bersönlicke, cls3 kLtal Ln lcrük-
winkleri3cke Xnn8tverein8nreierei erinnert, nncl
8ie wollen §LN2 überseken, clnk Lnn3t über cZerr
?nrteien 3tekt. Ll3 Irann eirrer clrei8t <Zer 8er:e38ion
ÄNAekören nncl <Zock nnr ein kokler v/loclernitlünker
8ein. ^.nck clnkür ^ibt e8 ZennZ 8ei3pie1e. Oncl
wir, §ers.cle wir, wün8ckten 8ekr, clnll nn8 clie
Herren nnr Qekrter Qnknkok 2ei§ten, clnll 68
nuck bei iknen §nte Lnn8t xibt. Weskslb treten
3ie in 8olcker IVlL88e nnk, 3t3peln tnn8enc1 nrincler-
werti^e Qiläer nnk, 30 clnll cüe8e Ön3nnrnre c1e3
8ckleckten clL3 weniZe Qnte Asnx unterclrüclrt?
Öbt clock Lritilc, wenn ikr 6en LkrZeis knbt,
rnit Lkren 2n bs8teken. L8 §ibt äock Zennx
nlte Xün3tler, <Zie ikren Hökepunlct 8ckon kinter
8ick kLtten, eke <lie 8e^es8ion clL wLr. Oi63e
^lten, clie wir ekren, clenen Xun8t Her2en8-
nncl Lkren3Lcke wsr — we8kLlb ^inZen 8ie von
enck? We8kLlb 6n<Zen wir 8ie bei <Zer 8e2683ion?
8ie rnüllten clock von Neckt8 we§en bei enck
2N knclen 8ein! Ll8 bleibt clock 8on8t /Vlter bei
^lter, nncl ^n§encl 8ckls§t 5ick 2N ^nZencl.

Nickt von einerrr vorein§enornrnenen 8tsncl-
pnnlrt wirä kier eine solcke ^.nsstellunA, wie
clie snr Nekrter Lsknkok, beclsnert, 5onclern vorn

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